Spätkapitalistisches Lotterleben
»In den USA ist die Kirche der Erleuchteten als Religionsgemeinschaft voll anerkannt«, erklärte Kleist am Abend. »Natürlich hat die Konkurrenz ihre Vorbehalte gegen die Sekte, aber mit dem Staat haben die Erleuchteten keine Probleme.«
»Kann ich mir gut vorstellen«, nickte ich. »Diese Kirche ist ja auch voll kapitalistisch unterwegs. Geld machen steht an erster Stelle. Das gefällt den Amis. Wie sind Stickel und Billerbeck eigentlich in die USA gelangt? Brauchten die kein Visum?«
»Nein. Du brauchst ja auch keins, wenn du fliegst.«
»Ich bleibe aber nur eine Woche.«
»Das spielt keine Rolle. Durch das sogenannte Visa Waiver Program können Bürger aus bestimmten Ländern relativ unkompliziert in die USA einreisen«, erklärte Kleist. »Man füllt einen grünen Zettel aus und darf neunzig Tage bleiben.«
Wir setzten uns in den Garten.
»Wie das Wetter wohl in Florida ist?«, sinnierte ich. »Eigentlich müsste man dort Urlaub machen. Traumstrände ohne Ende, Luxushotels, Sonne und alle nur denkbaren Möglichkeiten, sich zu zerstreuen. Und wenn du die Nase voll hast vom spätkapitalistischen Lotterleben, charterst du ein Boot, fährst nach Kuba und schaust bei Fidel vorbei.«
Kleist lachte. »Ich war mal dort im Rahmen meiner Polizeiausbildung. Es ist halb so schön. Laut und grell und immer nur Sonne! Immer gutes Wetter! Nach drei Monaten sehnte ich mich nach wolkenverhangenen Regentagen.«
Am Himmel grummelte es prompt. »Petrus hat dich erhört. Gleich geht es los.«
Wir warteten noch, bis die ersten Tropfen fielen, und gingen dann ins Haus. Die Küchentür ließen wir offen – so konnten wir den Regen beobachten, wie er auf die Pflanzen fiel und uns an der frischen Luft erfreuen.
»Hörst du sie schreien?«, fragte Kleist.
»Wen?«
»Die Büsche, Stauden und Blumen. Sie freuen sich, dass sie endlich Wasser bekommen.«