Nix mit Meer!

Ich schaute mir den Sektenpalast im Internet an: ein mächtiges, weißes Gebäude, aber tatsächlich mit einem sakralen Charakter. 1926 als Hotel eröffnet, kaufte die Sekte das Gebäude später und baute es zu ihrem Zentrum um. Zweihundert Gästezimmer auf fast 25.000 Quadratmetern Wohnfläche.

In einer Reportage las ich:

 

Im ehemaligen Piratenschlupfwinkel Clearwater an Floridas Westküste beherrschen Erleuchtete das Straßenbild. Denn Clearwater ist ihre Stadt. Von hunderttausend Einwohnern der Stadt gehören heute angeblich schon sechstausend zur Sekte. Hinzu kommen Sektentouristen aus aller Welt. Sie pilgern zu dem ehemaligen Luxushotel und zahlen Tausende von Dollars für Kurse, die ihnen höhere Weihen und eine Karriere in der Sekte versprechen. Denn Fort Harrison ist ihr religiöses Zentrum. Wer sich nähert, wird beobachtet. Der Sicherheitsdienst der Sekte ist immer im Dienst. Selbst ernannte Sheriffs melden jede Feindbewegung über Funk sofort an die Zentrale.

 

Eine verdeckte Recherche im Sektenzentrum kam also eher nicht infrage. Pöppelbaum schaute vorbei und wir besprachen den Ablauf der Reise.

»Also brauch ich gar keine Badehose einzupacken«, maulte er. »Hat das Hotel wenigstens Meerblick?«

»Nein. Das Motel hat den Namen Economy Inn. Du ahnst, was das bedeutet?«

»Verstehe! Staubiges Ding mitten in der Stadt mit Blick auf eine Tankstelle«, muffelte Wayne. »Da hat sich Schnack echt in Unkosten gestürzt.«

»Das Meer kannst du vom Flugzeug aus sehen«, entgegnete ich. »Oder von einer der zahlreichen Brücken, die die sogenannten Bays miteinander verbinden. Das muss reichen.«

»Du bist eine verdammte Spaßbremse, Grappa!«

»Dafür mieten wir uns ein Cabrio«, versprach ich. »Dann kannst du das Meer riechen, wenn wir dran vorbeifahren.«

Am Abend schaute ich mir die einschlägigen Prominentenfernsehmagazine an. Die Vorbereitungen für die nächste WSDS-Show liefen auf Hochtouren. Ein Magazin brachte ein langes Interview mit dem Pop-Titanen, der über seine Entführung nicht mehr sprechen mochte.

»Ich bin froh, dass ich alles gut überstanden habe, und möchte nicht mehr daran erinnert werden.«

Ich grinste. Irgendwann würde Kleist ihn daran erinnern, und dann würde es einen neuen Skandal in den Boulevardblättern geben.

Bald ging ich ins Bett. Die Nacht würde kurz sein, der Flug dafür lang. Von Düsseldorf nach Tampa dauerte er zehn Stunden mit Zwischenstopp in Atlanta.