Klare Wolken am Horizont
Als ich nach Hause kam, fand ich Kleist in der Küche vor. Ich freute mich.
Um die Taille trug er eine Schürze mit dem Spruch: Ich lasse nichts anbrennen. Ich grinste.
»Geschenk zu einer Beförderung«, erklärte er. »Von einer Kollegin, für die ich mal gekocht habe. Ist schon ein paar Jahre her.«
»Was ist aus der Kollegin geworden?«, fragte ich.
Kleist schnibbelte Möhren in Scheiben und er tat es mit einer affenartigen Geschwindigkeit. Fernsehreif.
»Die hat geheiratet und ist aus dem Dienst ausgeschieden«, antwortete er, ohne das Messer aus den Augen zu lassen. »Die alte Geschichte. Irgendwann schlägt der Mutterinstinkt zu. Da hilft die beste Ausbildung nichts. Dann zählt nur noch das Familienglück.«
»Besser, als überhaupt nichts zu lernen«, gab ich zurück und schilderte Birsens schlichten Lebensentwurf. »Als ob Ehe- und Familienglück ewig währen würden. Aber mach das einem siebzehnjährigen Mädchen klar.«
»Kann sie denn wenigstens singen?« Kleist begann, die Zwiebeln zu hacken. Meine Augen begannen zu tränen.
»Moment. Ich hab eine CD.«
Ich legte die Scheibe in den Gettoblaster und startete.
Das tut ja so doll weh, / wenn ich dich mal seh. / Du warst die große Liebe. / Hab wie sonst was geweint, / Fühl mich am Boden / Furchtbar allein. / Das kann doch nicht wirklich sein …
Kleist ließ das Messer sinken – in den Augen Erschütterung. »Was ist das denn für ein schwachsinniger Text?«
»Annette Ballermann«, erklärte ich.
»Und mit so was hat man heutzutage Erfolg?«
»Scheint so. Die ist meines Wissens gut im Geschäft«, erwiderte ich. »Birsen ist nicht viel schlechter. Hör doch mal!«
Was zwischen uns gelaufen ist, / das war zu viel von Anfang an / Mehr als in tausend Jahren. / Das tut ja so doll weh, / wenn ich dich mal seh…
»Mach das bitte aus«, flehte der Hauptkommissar. »Diese Piepsstimme ist ja die Hölle. Und über so was musst du schreiben?«
Ich drückte die Stopptaste. »Leider. Meine Karriere als Polizeireporterin neigt sich wohl dem Ende zu. Ich sollte heiraten und auf Familienglück machen. Allerdings ist es fürs Kinderkriegen ja leider zu spät.«
»Meinst du denn, du findest noch mal jemanden zum Heiraten?«
»Wird schwer. Leider gefallen mir nur Männer, die mir intellektuell überlegen sind.«
»Dann komm ich nicht infrage.«
»Eben«, nickte ich. »Aber Gemüseschnibbeln kannst du gut. Treibt mir heute sogar die Tränen ins Auge.«
Ich öffnete die Balkontür, um Luft hereinzulassen. »Was gibt es eigentlich?«
»Rinderfiletstreifen mit Wok-Gemüse und Reisnudeln«, erklärte Kleist. »Mir ist heute asiatisch zumute. Möchtest du schon ein Glas Wein? In deinem Kühlschrank liegen ja genug Flaschen.«
Ich mochte und entschied mich für einen leichten weißen Mosel-Rivaner. Der Hauptkommissar briet das Filet an, gab Zwiebeln und Gemüse dazu und löschte alles mit einem guten Schuss Bouillon ab. Es zischte gewaltig.
Seine Hände bewegten sich ruhig und gekonnt. Ich mochte es, wie er das Kochgut durch Schwenken des Woks durcheinanderwirbelte. Bei mir landeten die Teile gern mal daneben.
»Die hat sich übrigens heute bei mir gemeldet«, sagte Kleist.
»Wer?«
»Die Kollegin, die mir damals diese Schürze geschenkt hat.«
»Aha.« Ich sah ihn prüfend an. »Was wollte sie denn?«
»Sich ein bisschen ausweinen. Ihre Ehe ist geschieden und sie muss wieder arbeiten. Die beiden Kinder leben bei ihr. Zwei Jungen. Zwölf und fünfzehn.«
»Verstehe. Den alten Kontakt aktivieren. Konntest du ihr Hoffnung auf einen Job machen?«
Kleist verneinte. »Clara ist viel zu lange raus. Sie kommt die nächsten Tage mal bei mir vorbei.«
Clara. Ein schöner Name.
Ich nahm einen Schluck Wein.