Auch Männer können mit Damenpistolen schießen

Ich schwebte zwischen zwei Fällen. Entführung Brett und Mord an Fuchs. Eine Ahnung sagte mir, dass beide Taten miteinander verbunden waren.

Aber wie?

Wenn Brett der Sekte angeblich Geld schuldete und die Anwälte das schon geregelt hatten, warum dann noch eine Entführung? Eine Entführung, bei der es einen Bekennerbrief, aber keine Forderung gegeben hatte und bei der das Opfer wohlbehalten wieder aufgetaucht war. Eine Geldforderung hätte zu der Kirche der Erleuchteten gepasst, wenn diese mit der anwaltlichen Regelung nicht zufrieden war.

Der Mord an Robert Fuchs zeugte von Kaltblütigkeit und großer krimineller Energie. Und Motive gab es jede Menge.

Ich rief Kleist an. »Gibt es schon Ergebnisse der ballistischen Untersuchung?«

»Hallo, Maria. Ja, warte mal. Ich hole mir eben den Bericht der Kriminaltechnik. Bleibt das unter uns, zumindest so lange, bis es im Pressebericht erscheint?«

»Du kannst dich darauf verlassen.«

Es dauerte nur eine halbe Minute und er war wieder da. »Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine kleine Beretta 92F mit Schalldämpfer. Eine Damenpistole.«

»Also ist der Täter eine Frau?«

»Das muss nicht zwangsläufig sein. Auch Männer können Damenpistolen abfeuern. Man kann diese Waffe aufgrund ihrer geringen Größe gut in einer Handtasche unterbringen – deshalb der Name.«

»Deutet das nicht auf Fuchs’ Ehefrau, die Frau Stickel?«

»Die hat ein Alibi. Sie war beim Friseur. Ganz profan. Welche Fragen darf ich dir sonst noch beantworten?«

»Klara Liefers.«

»Nicht schon wieder, Maria«, seufzte Kleist. »Das Thema ist doch durch, dachte ich.«

»Nicht, was du meinst. Klara hat für Annabell Stickel bei Mystic Food gejobbt. Als Kellnerin während des Castings. Sie war die Frau in dem karierten Rock – von wegen, sie hat ihre Söhne besucht!«

»Ja, du hast recht, sie hat mich von Anfang an belogen. Und … ich erinnere mich. Klara hat mir von einem Job erzählt, den ihr eine Schulfreundin vermittelt habe. Aber ich wusste nicht, dass es sich dabei um Annabell Stickel und Mystic Food handelte.«

»Na, siehst du«, meinte ich triumphierend. »Ist doch seltsam, oder?«

»Warum? Das bedeutet doch nur, dass sie sich ein paar Euro verdient hat«, gab er zurück.

»Das kann doch kein Zufall sein. Klara ist nicht die, die sie zu sein vorgibt«, behauptete ich. »Ich glaube, dass sie etwas mit der Brett-Entführung zu tun hat.«

»Maria! Hör auf damit«, forderte Kleist. »Ihr seid nicht gerade Freundinnen, aber so weit solltest du nicht gehen, ihr die Beteiligung an einer Straftat zu unterstellen.«

»In welcher Stadt hat sie zuletzt gewohnt?«, blieb ich dran. »Wo leben ihre Kinder?«

»In Düsseldorf – soviel ich weiß.«

»Und ihr Exmann? Wer ist das?«

»Ein Mann namens Billerbeck«, erwiderte Kleist spöttisch.

»Wie heißt er mit Vornamen?«

»Ich habe keine Ahnung. Darf ich jetzt weiter meine Fälle zur Aufklärung bringen?«

 

Billerbeck – Düsseldorf. Google spuckte zwar eine Menge aus, aber nichts passte. Klara Billerbeck – Klara Liefers. Fehlanzeige. Kevin Billerbeck, Justin Billerbeck. Da wurde ich fündig. In einer Lokalzeitung war ein 15-jähriger Junge namens Justin Billerbeck erwähnt worden, er hatte bei einer Schulaufführung den Waldgeist in einem Märchen gemimt, sein Auftritt wurde sehr gelobt. Na also!

Die Schule war genannt und ich hatte meine erste Spur. Wo sie hinführen könnte, war mir nicht klar. Vermutlich ins Nichts. Aber ich war in meinem Leben schon einigen Spuren gefolgt, ohne zu wissen, wo sie endeten.