Wie singt man dunkelhaarig?
Birsen wollte nicht, dass ihr Vater von unserem Gespräch erfuhr. Darum trafen wir uns nicht bei ihr, sondern in einem Café. Die kleine Türkin war sehr hübsch anzusehen mit ihren schwarzen Locken und den Mandelaugen.
»Pitt Brett steht auf Dunkelhaarige«, plapperte sie los. »Alle seine Freundinnen und Frauen waren vom Typ her so wie ich.«
»Ich dachte, du willst singen«, lächelte ich.
»Klar.« Birsen rührte in ihrem Kakao. »Aber auf den Brett kommt es halt an. Wenn man bei dem durchkommt, ist die zweite Runde so gut wie sicher.«
»Und was wirst du singen?«
»Das tut ja so doll weh.«
»Bitte?«
»So heißt der Song. Von Annette Ballermann. Es geht um Liebe und so.«
Um Liebe und so. Das überraschte mich nicht wirklich.
»Warum singst du einen deutschen Titel?«
»Ich kann mir die englischen Texte nicht merken«, bekannte Birsen. »Deshalb sing ich deutsch. Ich hab Ihnen mal eine CD mitgebracht. Hat mein Bruder mit mir aufgenommen.«
»Wie stellst du dir ein Leben als Supertalent vor, falls du es schaffen solltest?«
Birsen schwelgte in den üblichen Kleinmädchenträumen. Viel Kohle verdienen und/oder einen Mann mit Geld finden, immer Party feiern, geile Klamotten kaufen beim Rund-um-die-Uhr-Shoppen.
»Warum hast du deine Lehre hingeschmissen?«
»Ich muss mich jetzt ganz auf meine Karriere konzentrieren.« Birsen sah mich mit großen glänzenden Kohlenaugen an.
»Was war denn das für eine Lehre?«
»Verkäuferin. Sonst hätte ich nur Kauffrau im Einzelhandel machen können.«
»Und wenn das nicht klappt?«
»Dann heirate ich eben. Einen mit Geld«, kam es trotzig aus ihrem Mund. »Aber keinen Türken. Ich will nämlich frei sein.«
Freiheit? Ich seufzte innerlich. Warum hatte sich so wenig verändert in den letzten Jahrzehnten, in denen die Frauenbewegung an einem neuen Frauenbild malte? Immer noch glaubten Mädchen, nichts lernen zu müssen, weil ja doch der Märchenprinz herangaloppiert.
»Der Herr Brett kann aber ziemlich erbarmungslos sein, wenn ihm danach ist. Was ist, wenn er dich auch so schlecht behandelt?«
»Dann weine ich ein bisschen und gut ist. Aber es wird nicht passieren. Der Pitt, der fliegt bestimmt auf mich.«
»Hast du einen Freund?«
Birsen grinste verschmitzt. »Och, da kann ich mir immer einen aussuchen. Die Jungs mögen mich. Zurzeit hab ich da einen Philip.«
»Was meint der denn zu deiner großen Karriere auf der Bühne?«
Nun bekam sie doch mal einen nachdenklichen Blick. »Der findet es klasse, wenn ich singe, aber die Sendung hasst er. Er mag den Pitt nicht. Der ist ihm zu hohl mit seinen Prollsprüchen, sagt er immer. Wahrscheinlich ist er bloß eifersüchtig.«
»Aber dein Bruder unterstützt dich?«
»Ja klar, der ist Feuer und Flamme dafür. Er will nur, dass ich mit Kopftuch auftrete.«
»Darf ich ein Foto von dir machen?« Ich griff zu meiner kleinen Kamera.
»Moment. Ich geh mal eben aufs Klo. Nase pudern und so.«