Harras auf der Flucht

Das Glencheckmuster drängelte sich am anderen Morgen wieder in meine Vorstellungen. Ich legte die Liste mit den Namen der Mystic Food-Mitarbeiter auf meinen Schreibtisch. Auf dem Weg in die Redaktionskonferenz begegneten mir vier Menschen, die ebenfalls Glencheck trugen: Hose, Krawatte und zwei Röcke. Drehte ich langsam durch?

Auf dem Konferenztisch sah ich das Tageblatt von heute. Mein Artikel über den Mord an Fuchs stand an prominenter Stelle auf der ersten Lokalseite, Bärchen Biber hatte es mit seinen Zeilen über Bretts Auftauchen auf die erste Mantelseite geschafft. Egal, dachte ich, wir werden sehen, wer den längeren Atem hat.

Wie immer leitete Schnack die Diskussion um die tägliche Arbeit.

»Ich werde am Fall Fuchs dranbleiben«, kündigte ich an. »Und mich auf die Show übermorgen Abend vorbereiten. Brett wird eine sensationelle Einschaltquote haben und ich hoffe, dass ich vorher noch ein Exklusivinterview mit ihm bekommen kann.«

»Exklusiv? Das wäre gut«, nickte Schnack.

»Dazu brauche ich Herrn Pöppelbaum im Team. Brett kennt ihn schon vom letzten Mal.«

»Sie bekommen alles, was Sie wollen, Frau Grappa«, meinte Schnack.

 

»Wenn du so weitermachst, wirst du noch Schnackis Liebling«, frotzelte Harras nach der Konferenz. »Das Bärchen wird schmollen.«

»Ob der schmollt oder nicht, geht mir ehrlich am Arsch vorbei«, grinste ich. »Und für das Wort Arsch entschuldige ich mich jetzt schon mal in aller Form. Und ersetze es durch Anatomie

Harras lachte schallend. »Dich möchte ich nicht zum Feind haben, Grappa-Baby.«

»Dann streng dich an.«

»Mach ich. Darf ich dir einen Kaffee an deinen Schreibtisch bringen?«

»Gerne. Vergiss die Milch nicht.«

»Für wen hältst du mich, Grappa?«

Drei Minuten später hatte ich meinen Becher. Harras machte allerdings keine Anstalten zu gehen, sondern ließ sich auf einen Stuhl fallen.

»Kann ich was mit dir bereden, Grappa?«

»Natürlich.«

»Ich hab ein Angebot. Für eine andere Stelle.«

Ich schreckte hoch. »Das kannst du mir nicht antun!«

»Und warum nicht?«

»Ihr könnt mich doch nicht alle allein lassen«, muffelte ich. »Erst Jansen und jetzt du.«

»Ich bin noch nicht weg. Außerdem hast du noch Wurbelchen und die drei Grazien im Sekretariat«, entgegnete Simon.

»Und Pöppelbaum!«, erinnerte ich ihn.

»Wayne könnte mit mir kommen. Die wollen uns im Doppelpack.«

»Bitte? Ihr seid doch völlig durchgeknallt!«, rief ich. »Und wo wollt ihr eigentlich hin? Ich dachte, der Markt sei dicht.«

»So dicht auch wieder nicht«, erklärte Harras. »Profis werden immer gesucht.«

»Also? Wer ist es?«

»Die Zeitung, die du immer Blöd-Zeitung nennst.«

»Das könnt ihr nicht machen!«, rief ich entsetzt. »Was wollt ihr bei diesem Blut-und-Sperma-Blatt?«

»Arbeiten. Seit Schnack hier ist, macht nichts mehr Spaß. Du hast dich zwar irgendwie durchgebissen. Aber du bist ja auch ein altes, erfahrenes Schlachtross. Der Schnack kann froh sein, dass er unter dir Chef sein darf.«

»Den Vergleich mit einem Pferd verbitte ich mir!«, blaffte ich.

»Ich wollte dir ja nur sagen, was Sache ist«, trat Harras den Rückzug an. »Entschieden ist noch nichts.«

Er ging zur Tür. Das pinkfarbene T-Shirt mit den gelben Zitronen darauf spannte über seinem Bauch.

»Simon! Überleg es dir gut. Den Schnack können wir uns doch gemeinsam zurechtschnitzen.«

Sanft fiel die Tür ins Schloss.