Kann man Idiot tanzen?
Wayne Pöppelbaum saß allein im Großraumbüro. Er hatte bei Schnacks Ankündigung, die Polizeiberichterstattung herunterfahren zu wollen, den Konferenzraum verlassen. Den Polizeifunk abhören und bei allen Notlagen möglichst vor dem Eintreffen der Streifen- und Rettungswagen vor Ort zu fotografieren, das war sein Job. Darum nannten wir ihn unseren »Bluthund«.
»Das sieht nicht gut aus für uns, Grappa-Baby«, murmelte er, als ich zu ihm trat.
»Ach was«, log ich. »Wir finden andere Themen, die dir Spaß machen und über die wir berichten können.«
»Genau.« Er lachte spöttisch. »Spannende Jubilarehrungen, aufregende Parteitage und schmutzige Erotikfeste im Seniorenzentrum.«
»Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, sagte ich halbherzig. »Was will er denn machen, wenn im Rathaus Kokspartys gefeiert werden? Oder wenn auf der A 2 ein Lkw aufs Stauende auffährt und zehn Autos ineinanderschiebt? Die unschönen Dinge einfach verschweigen?«
»Ganz klein fahren«, entgegnete Pöppelbaum. »Statt sechzig nur zehn Zeilen. Und keine Fotos mehr.«
»Abwarten. Jansen gibt heute Abend übrigens einen Umtrunk zu seinem Abschied«, wechselte ich das Thema. »Sehen wir uns?«
Pöppelbaum nickte. »Ich muss los. Zahnarzt. Halt die Ohren steif, Grappa.« Er trollte sich.
Im Lokalradio brachten sie einen Bericht über Ausdruckstanz. Gutes Radiothema. Eine beseelte Reporterin erklärte, wie man den eigenen Namen tanzt. Kann man auch Idiot tanzen?, fragte ich mich und dachte an den neuen Chef. Das hätte ich gern gelernt.
Ich trat zum Fenster.
Die Straße glänzte vor Nässe. Menschen hasteten vorbei, verborgen unter Regenschirmen. Die Anhänger der Sekte, zwei Männer und eine junge Frau, harrten aus. Sie hatten unter einem Vordach Schutz gesucht.
Ein Mann mit hochgeschlagenem Kragen und Hut näherte sich der Frau und sprach sie an. Sie wandte sich ab und wich einen Schritt zurück. Der Mann folgte ihr, griff ihren Arm. Sie riss sich los.
Flugblätter glitten zu Boden. Die beiden anderen Männer wurden aufmerksam, doch bevor sie sich einmischen konnten, flüchtete der Angreifer und verschwand zwischen zwei Häusern.
Die drei Erleuchteten sammelten die Papiere von der regennassen Straße auf. Plötzlich näherte sich ein dunkles Auto. Bremsen quietschten, der Wagen stoppte.
Der Mann mit dem Hut sprang heraus und stürzte sich auf die Frau. Er packte sie, öffnete die hintere Tür und drückte die Frau ins Wageninnere. Dann sprang er wieder zur Beifahrerseite und stieg ein. Mit aufheulendem Motor raste der Wagen davon.