Naaa naa naa na, na na na …
Das Cinderella befand sich im Osten der Stadt. In einem Kneipenviertel, in dem es Fast-Food-Chinesen und teure Italiener genauso gab wie Schwulenkneipen und Künstlercafés. Ich hatte meinen Golf im Parkverbot abgestellt. Von hier aus hatte ich einen guten Blick auf die Eingangstür der Kneipe. Schnack und sein Bärchen sollten Gelegenheit zum Turteln haben, bevor ich auftauchte. Aber noch war Schnack nicht eingetroffen.
Aus dem Kneipenraum schmachtete die Stimme von Marianne Rosenberg:
Er gehört zu mir, / wie mein Name an der Tür …
Ein Taxi hielt auf der Höhe meines Wagens. Ich erkannte Schnack auf dem Beifahrersitz und drehte mich zur Seite. Schnack stieg aus, zog die Tür der Kneipe auf und verschwand im Inneren.
… denn ich fühlte gleich, / dass er mich mag, / Naaa naa naa na, na na na … / ist es wahre Liebe uuuhhhuuuhhuu …
Also los, dachte ich, mal sehen, wie ich als Frau in einer Schwulenkneipe rüberkomme.
Rosenstolz lösten nun Marianne Rosenberg ab.
Die Schlampen sind müde, / sie waren viel zu lange wach. / Die Schlampen sind müde …
Die Kneipe war gut besucht. Niemand achtete auf mich. Unbehelligt gelangte ich zur Bar und kletterte auf einen Hocker.
»Eine Weinschorle bitte!«
Der Barmann nickte. Er passte gut zu der plüschigen Einrichtung des Etablissements. Dunkelrot und Gold dominierten. Die Lampen gaben nur schummriges Licht. Es war schwierig, die Gäste an den Tischen zu identifizieren. Mein Blick graste die Reviere ab. Schnack hatte sich in den hinteren Teil des Raumes an einen Zweiertisch gesetzt. Eine zweite Person leistete ihm Gesellschaft. Es handelte sich um einen jungen Mann. Bärchen war also männlich. Ich wunderte mich nicht besonders.
Gestern Nacht war ich noch Sieger. / Gestern Nacht war ich noch schön. / Ich wollt dich und nahm sie alle. / Ich wollt nie nach Hause gehen …
Rosenstolz hatten ausgeschmachtet. Ich bestellte eine neue Weinschorle. Schnack und Bärchen hielten Händchen.
»Da bist du ja.« Friedemann Kleist ließ sich neben mir auf einen Hocker plumpsen. Er hatte offengelassen, ob wir uns treffen würden.
»Ich dachte schon, du würdest dich nicht in eine Schwulenkneipe trauen«, lächelte ich.
»Ich mag Männer gern«, grinste er. »Liegt an meinem Job. Und jetzt sag mir, warum wir hier sind.«
»Um Informationen zu sammeln.« Ich deutete zu Schnacks Tisch.
»Er ist schwul. Und nun?« Kleist bestellte sich ein Mineralwasser. »Was willst du mit diesem Wissen anfangen? So was interessiert doch niemanden mehr.«
Bärchen stand auf und trippelte in unsere Richtung. Er war groß, schlaksig und Mitte zwanzig. Sein blondes Haar stand mithilfe von drei Pfund Gel wie eine Eins aufrecht. Sein schrill blumenmotiviertes Hemd war allerdings modisch fragwürdig.
»Ich bin eben ein Informationsjunkie«, gestand ich. »Das Sympathischste an Schnack ist, dass er auf Kerle steht. Da wäre ich allein nie draufgekommen, weil er die christlichen Werte so betont. Und mit Homosexualität haben die Kirchen ja noch Probleme.«
Bärchen kehrte vom Klo zurück. Schnack sah in seine Richtung.
Ich drehte mich schnell zur Seite.
»Ich habe übrigens eine Telefonnummer für dich«, teilte Kleist mit. Er reichte mir einen Zettel. »Arnold Weber. Das ist der Vater, der seine Tochter aus der Sekte herausholen will. Er ist damit einverstanden, dich zu sprechen. Die Adresse ist auch gleich dabei.«
Schnack und sein Begleiter hatten Sitzfleisch und hielten noch immer Händchen. Es war rührend. ABBA sang Waterloo. Wir blieben nicht mehr lange.
Zu Hause warteten ein Bett und einige schöne Stunden auf uns.