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Nachdem Lena sich das Gesicht mit kaltem Wasser
gewaschen hatte, kehrte sie zurück ins Großraumbüro. Die Lichter
waren gedämpft. Der Fernseher lief nur noch leise. Novak saß an
seinem Schreibtisch und telefonierte. Sánchez war zwar schon fort,
aber sie stellte fest, dass Rhodes in dem verglasten Büro mit
Bernhardt sprach. Leider war die Tür geschlossen. Außerdem hatte er
sie hereinkommen sehen.
Seine stumpfen Augen
waren auf sie gerichtet. Er wusste es.
Auf dem Weg zu ihrem
Schreibtisch sagte sich Lena, dass sie die Sache vermasselt hatte.
Warum hatte sie Bernhardt nicht anders behandelt und diesem
anstrengenden Menschen die Informationen entlockt, ohne ihm ihre
wahren Absichten zu verraten? Vielleicht war sie ja doch
überfordert. Weshalb hatte sie die Warnsignale nicht erkannt und
den Mund gehalten?
Lena griff nach ihrem
Aktenkoffer und einem der Kartons mit Beweismitteln, den sie sich
zu Hause ansehen wollte.
Novak schaute auf und
hielt die Hand über die Sprechmuschel. »Ich verschwinde auch
gleich«, sagte er. »Ich nehme den anderen mit. Soll ich dich
nachher anrufen?«
»In Ordnung«,
erwiderte sie.
Er nickte und widmete
sich wieder seinem Telefonat.
Den Blick absichtlich
von dem verglasten Büro abgewendet, marschierte Lena hinaus. Sie
nahm den Aufzug in den Keller. Die Furcht folgte ihr um die Ecke
und den Flur entlang.
Rhodes wusste
es.
Sie hörte Stimmen,
konnte aber niemanden sehen. Der Ton eines Fernsehers hallte von
den Wänden wider. Jemand warf Münzen in einen Getränkeautomaten.
Gelächter. Als sie endlich an der Tür war, schob sie sie mit der
Hüfte auf und ging hinaus.
Barrera hatte
gewarnt, dass die Freeways gesperrt werden könnten. Lena brauchte
tatsächlich eine Weile, um sich in dem Nebel aus Staub zu
orientieren. Obwohl das Parkhaus auf der anderen Straßenseite lag,
war es in dem Qualm, der ihr in den Augen brannte, kaum zu
erkennen. Asche fiel wie Schnee vom Himmel. Es roch nach Feuer.
Doch das Unheimlichste war, dass sich hier mitten in der Innenstadt
von Los Angeles kein einziges Auto auf der Straße
befand.
Lena blickte nach
oben und suchte nach dem Library Tower. Kurz blitzten seine Lichter
pulsierend wie ein Leuchtturm durch die Schwaden und waren dann
wieder verschwunden.
Den Karton mit den
Beweismitteln fest in der Hand, hastete Lena über die Straße. Als
sie das heruntergekommene Parkhaus erreichte, hörte sie die
Santa-Ana-Winde toben. Der Luftstrom brach sich heulend an den
Stahlstreben. Eine gespenstische Begleitmelodie zum Klappern ihrer
Schritte.
Teufelswind.
In Dämmerlicht
erkannte sie ihr Auto, lief darauf zu, warf den Karton in den
Kofferraum, den Aktenkoffer hinterher und knallte den Deckel zu. Da
sah sie Rhodes über die Straße rennen.
Sie duckte sich
hinter den Wagen und entfernte sich ohne nachzudenken. Während sie
sich fünf Parklücken weiter hinter einem Geländewagen versteckte
und über die Motorhaube spähte, stellte sie fest, dass Rhodes vor
ihrem Auto stand und in der Dunkelheit Ausschau nach ihr
hielt.
»Wir müssen reden,
Lena.«
Sie spürte Sand in
ihrem Mund. Asche und Feuer. Als sie schlucken wollte, war ihre
Kehle zu trocken.
»Warum versteckst du
dich?«, rief er. »Das ist doch idiotisch.«
Nun ging er weiter
und blickte rasch zwischen die Autos. Lena legte sich flach auf den
Boden und kroch unter den Geländewagen, ohne seine Füße aus den
Augen zu lassen. Obwohl sie das Wachhäuschen am anderen Ende nicht
sehen konnte, nahm sie an, dass die Tür in einer Nacht wie dieser
geschlossen sein würde. Wenn sie rief, würde sie also niemand
hören.
»Komm, Lena, lass uns
das klären. Das Blackbird hat noch offen. Ich lade dich auf einen
Kaffee ein.«
Er war nur einen
knappen Meter entfernt. Während seine Stiefel hinter dem nächsten
Wagen verschwanden, horchte sie auf seine Schritte, zählte sie,
wartete, rollte sich dann unter dem Auto hindurch und spähte durch
das Fenster. Rhodes war zehn Wagen entfernt und näherte sich der
Rampe in den ersten Stock. Er wirkte nervös und aufgekratzt. Die
Schlüssel fest umklammert, drehte Lena sich zu ihrem Auto um, holte
ein paarmal mühsam Luft und rannte los.
Sie hörte, wie er ihr
nachrief. Seine Stimme klang heiser und panisch.
Lena steckte den
Schlüssel ins Schloss, riss die Tür auf und sprang hinein. Als sie
den Motor anließ, sah sie Rhodes auf sich zuhasten. Er wurde immer
schneller und kam rasch näher. Lena legte den Gang ein und
verriegelte alle vier Türen. Rhodes schlug gegen die
Windschutzscheibe, doch als sie den Gang einlegte, sprang er aus
dem Weg.
Mit Vollgas und
quietschenden Reifen bog sie um die Kurve. Ein Blick in den
Rückspiegel sagte ihr, dass Rhodes sie zu Fuß verfolgte. Sie raste
am Wachhäuschen vorbei und auf die Straße und überfuhr die rote
Ampel. Als sie wieder in den Rückspiegel schaute, war Rhodes
verschwunden. Nichts war mehr zu sehen. Nur noch
Qualm.