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Lena stoppte den Wagen vor der mit einem
Sicherheitstor geschützten Einfahrt. Ein ehemaliger Roadie, der
inzwischen offenbar zum Security-Mann aufgestiegen war, musterte
sie durch eine dunkle Sonnenbrille. Eine Zeitschrift auf dem Schoß,
saß er auf einem Klappstuhl und kratzte sich kopfschüttelnd den
langen Bart, als habe sie ihm durch ihr Erscheinen gerade den Tag
verdorben.
Ohne auf seine
feindselige Haltung zu achten, spähte Lena über das Tor. Die
Auffahrt schlängelte sich durch die Bäume und endete kreisförmig
vor einem Haus mit Säulen, Veranden und einem Schieferdach, das sie
an eine Miniaturausgabe der Plantage in Vom
Winde verweht erinnerte. Allerdings befanden sie sich hier
weder in einem Film noch in den Südstaaten. Lena hatte die kurze
Fahrt von Okolskis Büro zu den Hügeln über den Sunset Strip aus
reiner Neugier auf sich genommen. Außerdem musste sie nachdenken,
bevor sie nach Hause zurückkehrte.
Eine Bemerkung von
Okolski machte ihr noch immer zu schaffen. Es war ein Widerspruch,
der sich einfach nicht auflösen ließ: Wenn Tim Holt die Frau so
sehr geliebt hatte, dass er ihretwegen Selbstmord begangen hatte –
warum hatte er Okolski dann nie etwas von ihrer Existenz
verraten?
Beim Abschied hatte
Okolski ihr noch erzählt, er habe während des gesamten
Klinikaufenthalts mit Holt und seinen Ärzten Kontakt gehalten.
Nicht seine Familie in Austin, sondern er sei in den Unterlagen der
Klinik als Ansprechpartner vermerkt. Okolski hatte sogar das Haus
am Mullholland Drive ausfindig gemacht und es für Holt bis zu
seiner Rückkehr finanziert. Sie seien nicht nur Geschäftspartner
gewesen, sondern auch enge Freunde. Deshalb war Lena sicher, dass
Tim eine Frau in seinem Leben erwähnt hätte. Und falls die Tote in
seinem Bett nur eine Zufallsbekanntschaft oder eine lockere Affäre
gewesen war, hätte er sich ihretwegen doch sicher nicht
umgebracht!
Als Lena etwas Buntes
aufblitzen sah, blickte sie am Springbrunnen vorbei zum Haus. In
der Ferne erkannte sie Zelda Clemens, die in einem Garten Blumen
schnitt. Ihr goldbraunes Haar wirkte struppig, und sie trug eine
Lederj acke über ihrem Jeanskleid. Anfangs kehrte sie dem Tor den
Rücken zu, doch plötzlich drehte sie sich um, als spürte sie Lenas
Gegenwart.
Grunzend wie ein
Walross, das seinen Strandabschnitt verteidigt, warf der Wachmann
seine Zeitschrift auf den Rasen, stand auf und schlenderte zum
Tor.
»Das hier ist
Privatbesitz«, verkündete er barsch. »Sie können hier nicht parken,
junge Frau. Machen Sie Ihr Foto und verschwinden Sie.«
Der Mann wirkte eher
wie ein in die Jahre gekommener Motorradrocker: grob, streitsüchtig
und Angst einflößend. Da Lena seinesgleichen kannte, ließ sie sich
von seinem Auftreten nicht aus der Ruhe bringen. Außerdem wusste
sie, dass das Haus einem Rockstar gehörte, dessen Karriere in den
späten Achtzigern jäh geendet hatte. Seit er mit Zelda zusammen
war, wurde er wieder von der Presse belagert, und die Radiosender
brachten seine Songs.
»Ich meine es ernst«,
knurrte der Wachmann. »Und jetzt bewege deinen Hintern, Mädchen.
Mach die Fliege.«
Er öffnete das Tor
und wies mit dem Daumen den Hügel hinunter. Als er am Randstein
stehen blieb, warf Lena einen Blick unter seine Jacke und bemerkte
die Halbautomatik an seinem Gürtel. Eine funkelnagelneue
Neun-Millimeter-Glock, frisch aus dem Laden.
»Haben Sie dafür
überhaupt einen Waffenschein?«
»Wer zum Teufel will
das wissen?«
Lena zückte ihre
Dienstmarke. »Ich.«
Ein Funke glomm in
seinen Augen auf. Dann wurde sein Blick argwöhnisch. Er starrte auf
die Marke. »Das Ding ist gefälscht. Sie wollen mich nur kirre
machen.«
»Her mit dem
Waffenschein.«
Seine Brieftasche war
mit einer Kette am Gürtel befestigt. Er löste den Haken, seufzte
auf und watschelte über die Straße. Nachdem er einige Karten
durchgekramt hatte, stieß er endlich auf den Waffenschein und
reichte ihn ihr. Lena warf einen Blick auf den Namen: Dennis
Miller. Sie kontrollierte das Datum und gab das Dokument
zurück.
»Sie wirken auf mich
nicht wie ein Komiker«, meinte sie.
»Ich kann aber ganz
schön komisch werden, wenn Sie mich erst besser
kennen.«
»Das glaube ich Ihnen
gern, Dennis. Woher kommen Sie?«
»Memphis. Viele
komische Leute haben dort angefangen. Wenn Sie ein Porträtfoto von
mir wollen, rufen Sie meinen Agenten an. Er steht in den Gelben
Seiten unter Schwachköpfe.«
Wenigstens hatte der
Gorilla Sinn für Humor. Lena sah zu, wie er die Brieftasche
einsteckte und sich zum offenen Tor umwandte. Zelda stand am Ende
der Auffahrt und starrte sie an, als hätte sie ein Gespenst
gesehen. Sie wirkte zwar noch recht attraktiv, aber die Jahre waren
nicht gnädig zu ihr gewesen. Ihre mageren Beine erinnerten an
Streichhölzer. Die Augen blickten stumpf, und nicht der Anflug
eines Gefühls malte sich in ihrem Gesicht.
»Hallo, Lena«, sagte
sie leise.
Lena nickte gelassen.
»Es ist lange her, Zelda.«
»Warum bist du
hier?«
»Nur um der guten
alten Zeiten willen«, erwiderte Lena nach einer kurzen
Pause.
»Waren sie denn so
gut für dich, Lena?«
Davids Exfreundin war
eine eiskalte Zicke. »Ja, Zelda, das waren sie.«
»Für mich auch«,
entgegnete sie. »Ich würde alles wieder ganz genauso
machen.«