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Die Besprechung mit Dr. Bernhardt hatte vor zehn
Minuten geendet. Inzwischen scharte sich das Team um Novaks
Schreibtisch, während Lieutenant Barrera am anderen Ende des Raums
mit Staatsanwalt Wemer telefonierte. Offenbar hatte Wemer erfahren,
dass sie im Labor einen direkten Vergleich der in den Fällen López
und Brant sichergestellten DNA-Spuren angefordert hatten. Nach
Barreras Miene zu urteilen, war der Staatsanwalt nun verärgert
darüber, weil er nicht sofort vom Stand der Dinge unterrichtet
worden war.
»Meiner Ansicht nach
tun wir jetzt am besten Folgendes«, begann Novak. »Wer eine bessere
Idee hat, soll sich melden.«
Nach einem Blick auf
Lena griff er nach Papier und Stift.
»Lena, ich möchte,
dass du Dr. Westbrook anrufst. Bernhardt ist zwar in Ordnung, hat
uns aber nicht viel weitergebracht. Wir verfolgen nun schon seit
vier Tagen eine Spur, die sieben Monate alt sein
könnte.«
Lena warf einen Blick
auf Vorwahl und Telefonnummer, die Novak aus seinem Adressbuch
abschrieb.
»Wer ist
das?«
»Ein forensischer
Psychiater, der bei der Abteilung Verhaltensforschung des FBI
arbeitet. Beruf dich auf mich und erzähl ihm alles, was er wissen
muss. Mach ihm unter allen Umständen klar, dass wir bereits viel
Zeit verloren haben.«
Dann nahm Novak die
Mordakte López von Lenas Schreibtisch und reichte Rhodes den
Ringordner.
»Das ist die
Mordsache López, Stan. Da du den Fall nicht kennst, kannst du sie
unvoreingenommen lesen. Vielleicht haben Lena und ich ja etwas
übersehen. Möglicherweise fällt dir ja etwas dazu
ein.«
»Bist du auf etwas
Bestimmtes aus?«
»Nein«, erwiderte
Novak. »Auf uns hat alles hieb- und stichfest gewirkt. Aber bei
Brant waren wir uns anfangs ja auch so sicher.«
Rhodes nickte. Novak
wandte sich an Sánchez.
»Du setzt dich wieder
an den Computer, Tito, nur dass du diesmal die Suche auf sexuelle
Übergriffe begrenzt. Keine Morde. Alle Frauen, die in den letzten
beiden Jahren vergewaltigt worden sind.«
»Irgendeine
Altersgrenze?«, fragte Sánchez.
»Von sechzehn bis
tot«, antwortete Novak. »Such alles raus.«
Sechzehn bis tot. Drastische Worte.
Novak warf einen
Blick auf Barrera, der noch immer mit Wemer telefonierte. Dann
drehte er sich wieder zu Lena um.
»Ich fahre rüber zu
Piper Tech«, verkündete er. »Wemer könnte versuchen, uns Knüppel
zwischen die Beine zu werfen. Deshalb möchte ich sichergehen, dass
wir beim Labor noch ganz oben auf der Liste stehen. In einer Stunde
bin ich zurück. Wenn du mich mobil nicht erreichen kannst, ruf die
Kriminaltechnik an. Alles klar?«
Lena nickte. Die
anderen auch.
Die Stimmung war
ungewöhnlich angespannt. Lena wusste nicht, ob das Knistern von der
Besprechung mit Bernhardt oder von dem flauen Gefühl herrührte, das
sich in ihrem Magen breitmachte, während sie Dr. Westbrook am
Telefon den Fall von Anfang an schilderte.
Als Dr. Westbrook von
jemandem in seinem Büro unterbrochen wurde, hörte Lena, wie er die
Person aufforderte, keine Anrufe durchzustellen. Eine Tür fiel ins
Schloss. Die Hintergrundgeräusche wurden leiser. Dann griff
Westbrook wieder zum Telefon und versicherte, dass es keine
weiteren Störungen mehr geben würde.
Besonders schien ihn
zu interessieren, wie die Leichen arrangiert worden waren. Die Tüte
über Nikki Brants Kopf. Die fehlende Zehe. Das mit Teresa López’
Blut aufs Laken gemalte Kreuz. Westbrook bat Lena zweimal, ihm
diese Einzelheiten zu beschreiben, fragte nach Details und notierte
sich alles. Als sie ihm mitteilte, Brant habe den
Lügendetektor-Test nicht bestanden, schwieg er. Nachdem sie ihm von
den Ergebnissen des Vergleichs der an den beiden Tatorten
aufgefundenen Schriftproben durch Irving Sample berichtet hatte,
bestand für ihn nicht mehr der geringste Zweifel, dass sie es mit
ein und demselben Täter zu tun hatten.
»Also suchen Sie nach
einem Außerirdischen, der Linkshänder ist«, meinte Dr. Westbrook.
»Wie viele Personen in L. A. kommen da in Frage?«
Lena zögerte. Da sie
den Mann nicht kannte, wusste sie nicht, ob das vielleicht ein
schlechter Scherz gewesen war. Doch als er weitersprach, wurde ihr
klar, dass er nur laut gedacht und nachgerechnet
hatte.
»Etwa eine Million«,
verkündete er. »Schätzungsweise zehn Prozent der Bevölkerung sind
Linkshänder. Was ist mit Haaroder Faserspuren?«
»An keinem Tatort
wurde etwas gefunden.«
»Auch nicht in der
Gerichtsmedizin?«
»Beiden Opfern wurden
die Haare ausgekämmt. Keine Schamhaare an einer der
Leichen.«
Dr. Westbrook
verstummte wieder. Lena brauchte nicht lange, um zu verstehen, was
ihn so wunderte. Eine Vergewaltigung ohne Schamhaare kam eigentlich
nicht vor.
»Sind Ihre Berichte
digitalisiert?«, fragte er.
»Nein«, sagte
Lena.
»Dann möchte ich Sie
bitten, mir eine Kurzzusammenfassung jedes Falls zu mailen. Nur die
wichtigsten Punkte. Aber achten Sie darauf, dass alles drinsteht,
was wir gerade besprochen haben. Das Gleiche gilt für Dr.
Bernhardts Beobachtungen. Fügen Sie die Fotos der Opfer bei.
Außerdem interessiere ich mich für Aufnahmen von den Tatorten,
bevor etwas angerührt wurde. So, wie der Täter die Opfer für Sie
hinterlassen hat. Außerdem wäre es nett, wenn Sie alles, was Sie
mir schicken, auch an Teddy Mack weiterleiten
könnten.«
Lena notierte sich
den Namen. Während Dr. Westbrook ihr auch E-Mail-Adresse und
Mobilfunknummer diktierte, fragte sie sich, warum ihr der Name so
bekannt vorkam.
»Sie sollten Teddy
anrufen und Ihre Mail ankündigen. Momentan hält er sich in
Kalifornien auf, und zwar etwa drei Stunden südlich von L. A. im
Grenzgebiet am New River. Wir arbeiten dort an einer Sache, über
die ich nicht sprechen darf. Aber ich glaube, er wird die Zeit
haben, einen Blick auf Ihr Problem zu werfen. Tagsüber ist in der
Wüste nämlich nicht viel los – oder es passiert zumindest nichts,
was uns etwas anginge.«
Lena sah zu Rhodes
hinüber, der an seinem Schreibtisch saß und die Mordakte López
studierte. Seine tiefe Konzentration machte sie ein wenig traurig.
Während sie alle verzweifelt nach einer Lösung suchten, schien
Westbrook sie abwimmeln und an einen gewöhnlichen FBI-Agenten
verweisen zu wollen.
Dennoch dankte sie
dem Psychiater höflich für seine Bemühungen und begann mit dem
Bericht. Das Schreiben der beiden Zusammenfassungen nahm nur
zwanzig Minuten in Anspruch. Anschließend rief sie Lamar Newton an
und bat ihn, ihr die Tatortfotos zu mailen. Sobald die Dateien auf
ihrem Bildschirm erschienen, kramte sie Teddy Macks Mobilfunknummer
hervor und wählte. Kaum hatte es geläutet, als die Nachricht schon
auf die Mailbox weitergeleitet wurde. Allerdings hatte Mack die
Ansage wenigstens persönlich aufgesprochen, und während Lena
lauschte, fragte sie sich wieder, wo sie seinen Namen schon einmal
gehört haben mochte.
Sie hinterließ eine
kurze Nachricht und ihre Kontaktdaten, legte auf und betrachtete
dann die von Lamar ausgewählten Fotos auf ihrem Bildschirm. Das
Grauen in Farbe. Jedes Foto sagte mehr, als Worte es je vermocht
hätten, und würde vermutlich auch einen Fachmann von der Abteilung
für Verhaltensforschung des FBI nicht kalt lassen.
Nachdem sie die
E-Mail-Adressen noch einmal überprüft hatte, klickte sie auf SENDEN
und sah zu, wie ihr Bericht im Cyberspace verschwand. Ein Blick auf
die Uhr verriet ihr, dass es erst Viertel vor zehn
war.
Upshaw hatte sich
nicht mehr wegen des Computers der Brants bei ihr gemeldet. Aber da
Lena ihn nicht drängen wollte, beschloss sie, ihm noch zehn Minuten
zu geben, nahm ihre leere Kaffeetasse und ging zur
Tür.
Im zweiten Stock
hatte man die Wahl zwischen zwei Kaffeequellen. Die nächste
Kaffeemaschine stand in der Putzkammer vor dem Büro des Captain
zwischen Waschbecken und Wischmops. Die bessere Alternative befand
sich auf dem Schreibtisch eines Detectives in der Abteilung für
ungelöste Fälle, und zwar in einem Büro von der Größe eines
Besenschranks am Ende des Flurs, in dem sich sechs Kollegen
drängten. Doch als Lena auf der Schwelle stand, sah sie nur Rhodes
mitten im Raum stehen und seine leere Kaffeetasse
hochhalten.
»Sie sind umgezogen«,
verkündete er. »Schluss mit dem Kaffee.«
Lena las den Zettel
an der Tür. »Offenbar sitzen sie jetzt im vierten Stock. Eine
bessere Bude.«
»Du meinst
größer.«
»Ja, größer«,
erwiderte sie. »Ich hatte ganz vergessen, wo ich bin.«
Da der neue
Polizeipräsident den Personalschlüssel der Abteilung für ungelöste
Fälle verdoppeln wollte, genügten die fünfzehn Quadratmeter nicht
mehr. Schon nach drei Wochen hatte Lena gewusst, dass sie,
ungeachtet der spartanischen Arbeitsbedingungen, irgendwann in
diese Abteilung versetzt werden wollte. Die Detectives dort
gehörten zu den besten und aufgewecktesten im ganzen Haus und
hatten stets einen Scherz auf den Lippen, wenn sie mit ihrer leeren
Tasse erschien. Außerdem war der Mord an ihrem Bruder ja noch immer
nicht aufgeklärt, weshalb sie auch einen ganz persönlichen Bezug zu
diesem Aufgabengebiet hatte. Die Abteilung für ungelöste Fälle war
die letzte Chance für die Familien der Opfer, auf den Zug der
Hoffnung aufzuspringen. Hier konnten die durch die Maschen des
Systems Gefallenen eine Fahrkarte kaufen, auf Nachricht warten und
erhielten vielleicht sogar die Gelegenheit, irgendwann wieder ein
neues Leben anzufangen.
Lena folgte Rhodes
den Flur entlang.
»Wer ist Teddy
Mack?«, fragte sie.
Rhodes sah sie
zweifelnd an. »Die E.-T.-Morde vor fünf oder sechs Jahren in
Philadelphia. Erinnerst du dich, dass der Kerl letztes Jahr endlich
mit der Giftspritze hingerichtet wurde? Cable TV wollte es live
übertragen.«
Ein Bild entstand vor
Lenas geistigem Auge, und ihr fiel wieder ein, dass sie Macks Foto
auf der Titelseite der Times gesehen
und den Artikel gelesen hatte.
»Zwanzig bis dreißig
Opfer«, sagte sie. »Aber ich dachte, Mack wäre
Anwalt.«
»Er hat in dem Fall
ermittelt und ihn aufgeklärt. Warum interessiert dich
das?«
»Westbrook wollte,
dass ich alle Dateien auch an Mack weiterleite. Offenbar ist er
inzwischen beim FBI. Zurzeit hält er sich in Kalifornien auf, und
zwar irgendwo am New River.«
Wieder sah Rhodes sie
nachdenklich an. »Könnte es sein, dass dieser Westbrook zu viel
redet?«
Endlich fiel bei Lena
der Groschen. Deshalb war Mack also am New River! In den
vergangenen zehn Jahren waren auf der mexikanischen Seite der
Grenze die Leichen von mehr als dreihundert jungen Frauen gefunden
worden. Aufgrund der Anzahl der Opfer sowie des langen Zeitraums,
über den sich die Verbrechen erstreckten, und auch deshalb, weil
alle Frauen vergewaltigt und verstümmelt worden waren, ging man von
einer organisierten Bande aus, was ein Eingreifen der USA nötig
gemacht hätte. Allerdings lautete der offizielle Standpunkt des
amerikanischen Justizministeriums, die Vereinigten Staaten würden
sich aus den Ermittlungen heraushalten.
Rhodes hatte Recht.
Westbrook hätte besser den Mund gehalten.
Mittlerweile standen
sie vor der Putzkammer neben dem Büro des Captain. Als Rhodes die
Tür öffnete, kam die Kaffeemaschine, ihre letzte Rettung, in Sicht.
Sie stand auf einem Brett aus Pressspan über einem Putzeimer, der
mit einer nach Ammoniak stinkenden grauen Brühe gefüllt war. Lena
versuchte, nicht auf den scharfen Geruch zu achten, und schenkte
Rhodes und sich selbst eine Tasse Kaffee ein.
Lenas Neugier war
geweckt, als sie zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte und über die
E.-T.-Morde und Teddy Mack nachdachte. Sobald sie Platz genommen
hatte, bemerkte sie, dass eine E-Mail auf sie wartete.
Offenbar war es
überflüssig, Upshaw Beine zu machen.
Sie klickte die
Nachricht an und las sie aufmerksam. Der Täter hatte zwei Stunden
lang im Netz gesurft. Laut Web-Anbieter der Brants waren von ihrem
Computer aus zwei Webseiten besucht worden, die erste etwa eine
Viertelstunde, die zweite eine Stunde und fünfundvierzig Minuten
lang. Upshaw hatte seiner Nachricht die Links zu diesen Webseiten
hinzugefügt und versprach, ihr die Kontaktdaten innerhalb der
nächsten halben Stunde zu liefern. Nach dem Namen der
Internetadressen zu urteilen, handelte es sich eindeutig um
Pornoseiten.
Lena ließ den Blick
durchs Großraumbüro schweifen. Es machte sie verlegen, dass rings
um sie herum Männer arbeiteten, und sie war froh, mit dem Rücken
zur Wand zu sitzen. Dann klickte sie die erste Link an, drückte auf
die Maus und wartete, bis ihr altersschwacher Computer die Homepage
geladen hatte.
Lena war mit einem
Bruder aufgewachsen, und während sie beobachtete, wie die Bilder
aufgebaut wurden, sah sie nichts, was ihr neu gewesen wäre. Doch
als sie zum unteren Rand der Seite blätterte, stellte sie fest,
dass man zum Fortfahren ein Passwort brauchte.
Ein Blick aufs Menü
sagte ihr, dass es auch eine Besucherseite gab, wo der Betrachter
sich kostenlos Bildproben herunterladen konnte. Lena klickte die
verschiedenen Fenster an und musterte die jungen, in vielen Fällen
vielleicht sogar zu jungen Frauen, die hier halbnackt posierten und
keinen Wunsch offenließen. Einem Kästchen am oberen Bildschirmrand
konnte Lena das Angebot entnehmen: Für 19,95 Dollar monatlich bekam
ein Mitglied Zugang zur Hardcore-Seite und hatte die Möglichkeit,
die hier präsentierten jungen Frauen in Aktion zu
erleben.
Als Lena wieder den
Blick durch den Raum schweifen ließ, sah sie, dass Rhodes in ihre
Richtung schaute. Sie senkte den Kopf über den Bildschirm. Nach der
qualitativ guten Grafik und den hoch aufgelösten Fotos zu urteilen,
brachte diese Webseite viel Geld ein. Allerdings interessierte Lena
sich mehr für den Bildhintergrund, Möbel also, die Gerätschaften,
Duscharmaturen und Steckdosen, vor denen die Frauen posierten. Sie
studierte das Gesicht eines Models und kam zu dem Schluss, dass das
Lächeln der jungen Frau gezwungen wirkte. Die Bilder waren offenbar
nicht in den Vereinigten Staaten entstanden. Vermutlich in
Russland, Albanien oder in einem anderen osteuropäischen Land, wo
Nacktaufnahmen und der damit einhergehende Lebensstil nicht immer
eine Frage der freien Entscheidung waren. Lena erinnerte sich an
eine vom FBI finanzierte Informationsbroschüre der Polizei, die sie
während ihrer Zeit in Hollywood gelesen hatte. Darin wurde
beschrieben, wie man ein Nacktmodell aus seinem Heimatland
schmuggelte. Zuerst nahm man der Frau den Pass weg, damit sie nicht
fliehen konnte. Und dann wurde sie für einen fiktiven Preis von
einem Zuhälter an den nächsten weitergereicht und gezwungen, die so
entstandenen »Schulden« bei ihren Besitzern
abzuarbeiten.
Lena schloss das
Fenster, öffnete noch einmal Upshaws Mail und klickte den zweiten
Link an.
Mösen für
alle.
Lena hielt inne und
fragte sich, welcher Idiot sich nur so einen Namen ausgedacht haben
mochte. Dann klickte sie und wartete, bis sich die Homepage auf
ihrem Monitor aufgebaut hatte. Mounds-A-Plenty bewegte sich auf
deutlich niedrigerem Niveau als die erste Site. Doch als Lena das
Menü las, wurde ihr klar, warum Romeo mehr Zeit hier verbracht
hatte. Die Webseite offerierte Amateurvideos von
Hard-Core-Qualität. Probefotos suchte man hier vergebens. Es wurde
ebenfalls ein Passwort verlangt. Der einzige kostenlose Service
schien eine Liveübertragung von einer Webcam zu sein.
Lena schob den Cursor
zu dem Symbol, das eine Videokamera darstellte, und klickte es an.
Ein kleines Fenster von etwa fünf Zentimetern Breite erschien auf
dem Monitor. Die Bildunterschrift lautete: Besucherseite: Bild wechselt alle dreißig Sekunden. Für
hoch aufgelöste Qualität werden Sie Mitglied bei Mounds-A-Plenty.com.
Lenas Blick wanderte
zu dem winzigen Fenster. Eine schwarzhaarige Frau, etwa
neunundzwanzig oder dreißig Jahre alt, saß auf einem Sofa und zog
ihren BH aus. In der nächsten Einstellung dreißig Sekunden später
war das Sofa unbesetzt. Die dritte Einstellung zeigte die Frau
wieder auf dem Sofa, diesmal mit einem Mann mittleren Alters, der
Anzug und Krawatte trug und dichte braune Locken hatte. Lena
betrachtete den Bildhintergrund. Hinter dem Sofa befand sich eine
Schiebetür. Die Aufnahme war zwar körnig und verschwommen, doch die
Hügel jenseits der Tür waren unverkennbar.
Die Webcam stand in
Los Angeles.
Lena ließ den Cursor
über das Menü gleiten und klickte den roten Knopf mit der
Aufschrift JETZT MITGLIED WERDEN an. Beim Lesen des
Mitgliedsantrags spürte sie, wie ihr ein kalter Schauder den Rücken
hinunterlief. Sie suchte Upshaws Nummer heraus und griff zum
Telefon. Nach fünfmal Läuten nahm er ab und verkündete mürrisch und
ohne Hallo zu sagen, dass er beschäftigt sei. Lena wusste nicht,
warum sie diesen Menschen trotzdem sympathisch fand.
»Ich bin es,
Gamble.«
Er lachte auf. »Ich
wollte Sie gerade anrufen.«
»Es sind nicht die
Bilder, sondern die Passwörter.«
»Glauben Sie bloß
nicht, dass diese Typen Idioten sind, nur weil sie mit Pornos
handeln. Da liegen Sie schief. Ihre Computerausrüstung ist um
einiges besser als das meiste, was momentan auf dem Markt ist.
Außerdem können sie es mit jedem Hacker aufnehmen. Vielleicht sind
sie sogar einen Schritt weiter. Da einzubrechen wird ein Weilchen
dauern.«
»Genau das meine
ich«, erwiderte sie. »Ich schaue mir gerade die zweite Webseite an.
Romeo hat sich weder eingehackt, noch hat er eine Stunde und
fünfundvierzig Minuten damit verbracht, ein verschwommenes,
briefmarkengroßes Bildchen anzustarren, das alle dreißig Minuten
umspringt. Er ist Mitglied.«
Als sie aufschaute,
stand Novak hinter ihr und betrachtete den Monitor. In dem kleinen
Kästchen war der Anzug-Mann – nun ohne Anzug – inzwischen zur Sache
gekommen.
»Deshalb hat er die
Dateien auf dem Computer gelöscht!«, antwortete Upshaw aufgeregt.
»Er ist Mitglied. Sonst hätte der Computer das Passwort nämlich
gespeichert.«
Lena drehte sich zu
Novak um. Ihre Augen trafen sich.
»Und um ein Passwort
zu kriegen, braucht man eine Kreditkarte«, sagte sie.
Endlich war der
Groschen gefallen. Der erste Hinweis. Ein Lächeln breitete sich auf
Novaks Gesicht aus, als ihm die Tragweite dieser Erkenntnis bewusst
wurde.
»Der Betreiber der
Webseite, die Sie sich gerade ansehen, sitzt in L. A.«, verkündete
Upshaw. »Ich habe die Adresse.«
»Schicken Sie sie mir
rüber.«
Sie hörte, wie Upshaw
emsig tippte. Dann wurde es still, und schließlich ertönte ein
lauter Klick.
»Ist unterwegs«,
erwiderte er.
»Danke.«
Lena legte auf und
öffnete ihre Mailbox. Wenige Sekunden später erschien Upshaws
Nachricht, die den Namen und die Adresse des Webseiten-Betreibers
enthielt: Charles Burell machte seine Geschäfte im
Valley.
Novak warf ihr einen
Blick zu. »Die DNA-Ergebnisse kommen erst in zwei Stunden«, stellte
er fest. »Also los.«