11:32
Endlos weite Sümpfe, eine Wüste aus Schilf und Schlamm.
Alles in Dunkelheit getaucht, aber nicht wirklich dunkel, sondern eine Art von Dämmerlicht, in dem man noch vieles erkennen konnte, in dem aber lediglich Grau und Braun existierten. Nur am Horizont ein schmaler roter Streifen, über dem sich dichte Wolkenberge türmten. Überall irrten Menschen umher, jammernd und klagend, von oben bis unten mit Dreck verschmiert, bis zu den Knien im Schlamm, auf der Suche nach einem Fluchtweg, den es nirgendwo zu geben schien.
Das kann nicht sein, dachte Romberg, die Hölle oder den Hades oder wie immer man diesen Ort auch nennen möchte, gibt es nicht. Du glaubst nicht an Gott und den Teufel und nicht an ein Leben nach dem Tod. Also auch nicht an diesen Ort. Dennoch glaubte er sich zu erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein, und ihm war, als hätte er diesen Gedanken bereits mehrmals gedacht, aber ihm wollte weder der Zeitpunkt noch der Anlass einfallen, und je mehr er sich zu konzentrieren versuchte, desto hartnäckiger entzogen sich ihm seine Erinnerungen.
Er schaute sich ratlos um. Neben ihm stand ein Mann in einem Fußballtrikot. Spanien, wenn er sich nicht irrte.
»Ich würde sie nie allein lassen. Das habe ich ihr immer versprochen. Wenn sie Angst hatte oder wenn sie traurig war. Verstehen Sie? Niemals.«
Der Mann nickte, hob wortlos die Hand und deutete mit aneinandergepresstem Zeige- und Mittelfinger in Richtung des rötlichen Streifens.
Als Romberg sich umdrehte, erkannte er ihr Gesicht.
Etwa zweihundert Meter von ihm entfernt. Sie sah verängstigt aus, geradezu panisch, und sie stolperte hilflos durch den Schlamm, und sie war völlig allein.
Nur Laura. Von Maren keine Spur.
Dann trafen sich ihre Blicke, und die Erleichterung in ihren Augen brach ihm das Herz. Sie öffnete den Mund und schrie freudig seinen Namen. Er konnte ihn von ihren Lippen ablesen. Noch bevor er durch die Dunkelheit zu ihm durchgedrungen war.
Doch im selben Moment, als er auf seine Ohren traf, berührte der Spanier seine Schulter, und Romberg wachte schweißgebadet auf.