2

 

Das mit dem Feuer war so: Wir bauten Mist, und wir wurden erwischt. An dem Abend, als die ganze Sache anfing, hatten Dad und Carlie mal wieder ihren üblichen Streit, wie in letzter Zeit öfter. Während ich in meinem Zimmer auf Dottie, Glen und Bud wartete, verfolgte ich das Hin und Her. Unser Haus war klein, sodass ich von meinem Zimmer aus fast alles hören konnte, was im Elternschlafzimmer gesprochen wurde. Das Problem war, dass Daddy, der ruhende Anker der Familie, es hasste, irgendwohin zu fahren, während Carlie, die Rastlose, das Reisen liebte. Sie und Patty fuhren einmal im Jahr ein Stück die Küste hinauf, aber sie wollte, dass Daddy mit uns als Familie verreiste.

Daddy sagte: »Warum versuchst du immer wieder, mich zu ändern?«

»Weil wir jeden verdammten Tag dasselbe tun. Aufstehen, essen, arbeiten, essen, schlafen und wieder aufstehen. Lass uns doch mal was tun, was wir noch nie getan haben. Irgendwohin fahren, wo wir noch nie gewesen sind.«

»Ich tue gar nicht jeden Tag dasselbe«, wandte Daddy ein.

»Stimmt. Dienstags und donnerstags trägst du ein anderes Hemd. Hör mal, Schatz, es muss ja nichts Teures sein, und ich habe ein bisschen Trinkgeld gespart.«

»Ich muss das Haus streichen. Und das von Ma auch. Und ich muss das Holz reinholen. Jetzt ist der falsche Zeitpunkt. Wir fahren nächsten Sommer, versprochen. Irgendwie kriegen wir das schon hin.«

»Ach, Leeman, es wird immer der falsche Zeitpunkt sein. Warum tun wir’s nicht einfach?«

Ein lautes Klopfen an meiner Zimmerwand ließ mich zusammenzucken. Ich wartete einen Moment ab, ob meine Eltern es gehört hatten. Doch sie redeten weiter, und so schob ich das Fliegengitter hoch und schwang mich aus dem Fenster. Glen, der von uns vieren bisher am größten war, reckte sich und zog das Gitter wieder herunter, damit keine Mücken ins Zimmer kamen.

»Los, gehen wir«, sagte Bud. Wir schlichen über den ausgetretenen Pfad, der hinter unserem Haus entlang und zum Wald hinauf führte. Am Waldrand kletterten wir über die Cheeks, einen großen weißen Felsen, der in der Mitte durchgebrochen war. Dann knipste Bud seine Taschenlampe an, und wir marschierten hinter ihm her, ich als Erste, danach kam Dottie, Glen bildete die Nachhut.

Wir waren alle elf Jahre alt, allerdings wurde Bud im November zwölf. Wir waren mehr oder weniger zusammen aufgewachsen, da unsere Häuser sich dicht an dicht an die Granitfelsen von The Point schmiegten und unsere Familien seit Generationen hier draußen fischten. Wir kannten uns also ziemlich gut, aber im Sommer 1963 herrschte eine seltsame Rastlosigkeit und Befangenheit unter uns. Auf Dotties breiter Brust zeichneten sich kleine Hügel ab, Glens Badehose beulte sich vorne aus, und auf Buds Oberlippe sprossen ein paar braune Haare. Obwohl sich bei mir nichts Nennenswertes tat, fühlte ich mich genauso merkwürdig wie die anderen. Es gab Launen und Ausbrüche, jemand stapfte schon mal wütend davon, und die Blicke zuckten hin und her wie Elritzen, die nicht gefressen werden wollten.

So schlich unsere seltsame Viererbande hinter dem tanzenden Lichtstrahl einer Taschenlampe durch den Wald des Naturschutzgebietes. Wanderpfade schlängelten sich durch dichte Kiefern- und Fichtenhaine und führten zu zerklüfteten Klippen, gegen die Tag und Nacht die Brandung hämmerte. An Sommertagen wimmelte es hier von Familien, die an den einfachen Holztischen ein Picknick abhielten, auf dem kleinen Spielplatz spielten und Wanderungen unternahmen. Nachts war ich noch nie hier gewesen, und ich fand es unheimlich. Die Geister der Picknicker und Wanderer streiften die Härchen an meinen Armen. Spuren von Glück und Trauer und anderen, äußerst sonderbaren Gefühlen machten mich zappelig. »Ganz schön gruselig, was?«, flüsterte Dottie.

Unsere Schritte machten dumpfe Geräusche auf dem harten Boden. Glens Turnschuhe quietschten wie alte Scharniere, und mein einer Knöchel knackte laut. Als direkt vor Buds Füßen ein schwarzer Schatten entlanghuschte, blieb er abrupt stehen. Dottie lief mit so viel Schwung in mich hinein, dass ich ihn umwarf und auf ihn draufnel. Er schlug wie ein Wilder um sich, während ich versuchte, mich aufzurichten. Schließlich packte Glen mich und half mir hoch. Bud stand auf und klopfte sich die Erde von Hemd und Shorts. »Rück mir nicht so auf die Pelle, verdammt noch mal«, knurrte er mich an.

»Bleib du nicht so plötzlich stehen«, entgegnete ich. »Außerdem solltest du mehr essen. Ich dachte, ich wäre auf einem Skelett gelandet.«

Dottie schob mich zwischen sich und Glen. »Jetzt habt ihr beide einen Puffer.«

Wir setzten uns wieder in Bewegung, und kurz darauf fiel der Lichtstrahl von Buds Taschenlampe auf eine Abzweigung, die so von Büschen verdeckt war, dass man sie kaum bemerkte. Dieser Pfad führte zu den großen privaten Sommerhäusern. Wir waren ihn schon mal im Winter gegangen, als das Naturschutzgebiet verlassen und die Häuser verriegelt waren, aber noch nie im Sommer, und erst recht nicht nachts.

Wir wollten bloß ein paar Feuerwerksknaller in die Luft jagen. Uns in die Nähe einiger Häuser schleichen, die Böller anzünden, und dann nichts wie weg. Das Ganze war Glens Idee gewesen. Seinem Vater, Ray Clemmons, gehörte der Laden oben an der Straße, wo die Leute aus The Point und der Gegend drum herum, die Touristen und die Besitzer der Sommerhäuser einkauften. Manchmal hatte Ray auch Sachen in seinem Lager, die nicht ganz legal waren. Aber der hiesige Sheriff war Parker Clemmons, Rays Bruder und Glens Onkel, und so landeten jeden Sommer ein paar Kisten mit Feuerwerkskörpern und Knallern in Rays Hinterzimmer. Das meiste davon war nach dem 4. Juli verschwunden, bis auf ein paar Kartons, die Ray für das große Grillfest am Ende des Sommers aufhob.

Und in diesem Jahr hatte Glen sich einen Karton mit Knallern unter den Nagel gerissen.

»Wie war’s, wenn wir den Sommerhäusern einen nächtlichen Besuch abstatten«, hatte er gemeint, »und ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern machen?«

»Spinnst du?«, hatte Bud entgegnet. »Wenn wir erwischt werden, gibt’s eine Tracht Prügel. Warum sollen wir uns mit denen anlegen? Die sind die, und wir sind wir. Und das ist auch besser so.« Damit hatte er nicht unrecht, aber trotzdem marschierte er jetzt mit uns durch den Wald.

Der Pfad wand sich zwischen Bäumen hindurch, die so dicht standen, dass man selbst am Tag von unten den Himmel nicht sehen konnte. Ich bekam eine Gänsehaut bei der Vorstellung, ein Fischermarder könnte von einem Ast herunterspringen und seine Zähne und Krallen in meinen Kopf bohren. Ich hatte gehört, dass Fischermarder ihre Beute zerfleischten und dann die Knochen ausspuckten. Doch als plötzlich Gelächter zu uns herüberklang, zersprangen meine Ängste wie Glas. Zwischen den Bäumen schimmerten die Lichter eines Sommerhauses hindurch, und Bud schaltete die Taschenlampe aus.

Ich hatte nie verstanden, warum die Leute von Sommerhäusern sprachen. Es waren regelrechte Schlösser mit makellosen Rasenflächen, die bis hinunter ans Wasser reichten, mit eigenen Anlegern, eigenen Buchten und eigenen, rohrzuckerfarbenen Stränden. Manchmal sahen wir ein paar von den Leuten, denen diese Häuser gehörten, in Rays Laden. Sie redeten ganz anders als wir. Die Frauen trugen limonengrüne Röcke und Flechttaschen mit Walen drauf, die Männer alte, ausgeblichene Hemden und Hosen, die immer gebügelt aussahen. Ihre gebräunten, blaublütigen Füße steckten in weichen Mokassins. Den ganzen Sommer über kauften sie tonnenweise Hummer und andere Lebensmittel, was die Männer von The Point natürlich freute. Aber wie Bud schon gesagt hatte, die waren die, und wir waren wir, und wir lebten in verschiedenen Welten.

Doch jetzt, als wir uns in die Einfahrt dieses feudalen Schindelhauses hockten, dessen Turm sich in den Nachthimmel reckte, waren wir ganz kurz davor, gegen die Regeln zu verstoßen, die unsere Väter und deren Väter aufgestellt hatten. Das Haus war rundum von einer Veranda umgeben, von der Frauenstimmen herüberklangen, auf- und absteigend wie Möwen, die ein Fischerboot umschwärmen, während die der Männer verhalten grollten wie ferner Donner.

Glens schwarze Augen funkelten im Lichtschein. »Klasse. Sie sind alle hier. Der Platz unter der Veranda ist groß genug, um drunterzukriechen. Wir verteilen die Knaller, zünden sie an, verstecken uns wieder hier und sehen zu, wie das Chaos ausbricht, wenn die Dinger hochgehen.«

»Da sind zu viele Leute«, sagte Bud. »Wir werden bestimmt erwischt.«

»Die machen so viel Krach, die hören uns gar nicht«, sagte ich. »Außerdem klingen sie, als wären sie betrunken.«

»Stimmt genau«, sagte Glen. »Florine, wir beide schleichen uns von rechts an, Bud und Dottie von links. Wir treffen uns unter der Veranda. Steckt die Kerzen zwischen die Knaller, zündet sie an, und dann nichts wie weg.«

Die Scharniere der Hintertür quietschten.

»Da kommt jemand«, zischte Dottie. Wir duckten uns und spähten zwischen den Büschen hindurch.

Ein großer, dünner Mann mit Glatze stieg die Stufen hinunter und kam leicht schwankend auf uns zu.

Bud und ich kauerten vor Dottie und Glen. Als die beiden zurückwichen, um uns den Fluchtweg frei zu machen, knackte ein Zweig unter Dotties Fuß. »Mist«, fluchte sie leise.

Der Mann blieb stehen. »Wersda?«, rief er lallend. Bud und ich konnten nicht mehr entkommen, ohne dass er uns hörte, also machten wir uns so klein wie möglich. Die Schritte des Mannes knirschten über den Kies und hielten direkt vor uns an. »Kuckuck!«, rief er und kicherte wie ein Mädchen.

Ein paar Sekunden vergingen, bevor er zu singen begann. »You’d never know it, but I’m a kind of poet.«

Das Ratschen eines Reißverschlusses. Dann traf mich ein warmer Strahl Pisse auf Kopf und Rücken. Die Angst, erwischt zu werden, war größer als der Ekel, also hielt ich still. Schließlich schwenkte er hinüber zu Bud. Bud ergriff meine Hand und drückte sie. Es dauerte ewig. Endlich hörte der Kerl auf und zog seinen Reißverschluss wieder zu.

»Hadley?«, rief eine Frau vom Haus herüber.

»Ist ja gut, du alte Schachtel, ich hau schon nicht ab«, brummelte er. Wieder knirschten seine Schritte über den Kies, dann quietschte die Hintertür und fiel mit einem Klicken ins Schloss.

Bud stand auf und zerrte sich die Sachen vom Körper, bis er nur noch in seiner weißen Unterhose dastand. »Oh Mann«, sagte er. »Verdammter Mist.« Er wrang sein Hemd und seine Shorts aus, und da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, zog er sie wieder an. Ich wand mich aus meiner Bluse, wischte mir mit der trockenen Vorderseite den Kopf ab, so gut es ging, und zog sie ebenfalls wieder über.

Glen und Dottie lachten, dass das ganze Gebüsch bebte.

»Haltet die Klappe«, sagte Bud. »Lasst uns nach Hause gehen.«

Wieder quietschte die Hintertür, und wir gingen in Deckung.

Ein blonder Junge schloss die Tür, sprang die Treppe hinunter und überquerte die Einfahrt. Vor unserem Versteck blieb er stehen und flüsterte: »Ich weiß, dass ihr da drin seid.«

»Na toll«, sagte Bud und stand auf. Nach kurzem Zögern folgten wir seinem Beispiel.

»Ich habe euch vom Turm aus gesehen«, sagte der Junge. »Was macht ihr hier? Spionieren?«

»Schauen, was hier zu holen ist«, erwiderte Glen.

»Meine Güte, Glen«, sagte Bud. »Nein, natürlich nicht.«

Ich musterte den Jungen. Er hatte ein hübsches Gesicht. Seine Augen waren trotz der blonden Haare dunkel. Seine Finger bewegten sich unruhig, und auch die langen, dünnen Beine hielten keinen Moment still.

»Nein, im Ernst«, sagte er. »Was habt ihr vor?«

»Na los, erzählen wir’s ihm«, sagte ich. »Was anderes bleibt uns doch eh nicht übrig.«

»Es sei denn, wir schlagen dich zu Brei und lassen dich hier in der Einfahrt verbluten«, sagte Glen zu dem Jungen. »Und glaub ja nicht, dass wir das nicht könnten.«

Der Junge zuckte die Achseln. »Schon möglich, aber vorher würde ich schreien.«

Glen schnaubte. »Meinst du, die hören dich, bei dem Krach?«

»Ich weiß, wer du bist«, sagte der Junge zu Glen. »Du arbeitest in dem Laden unten an der Straße.« Er sah zu Bud. »Und du arbeitest auf einem Hummerboot.« Dann zu Dottie. »Dich hab ich auch schon gesehen.« Dann zu mir. »Ich bin Andy Barrington.«

»Und ich Florine Gilham«, sagte ich.

»Nett, dich kennenzulernen.«

»Na fein«, brummte Bud. »Nachdem wir das geklärt haben, können wir ja jetzt gehen.«

Glen sah ihn fragend an. »Du meinst, wir … machen nicht, was wir vorhatten?«

»Was hattet ihr denn vor?«, fragte Andy.

»Wir wollten unter der Veranda ein paar Knaller zünden«, sagte Glen.

»Echt?« Andys Augen begannen zu funkeln. »Das klingt doch prima.«

»Ich bin dabei«, sagte ich.

»Ich auch«, sagte Dottie. »Wo wir schon mal hier sind.«

Wir alle sahen Bud an. Er schüttelte den Kopf, dann sprintete er plötzlich ohne Vorwarnung über die Einfahrt und verschwand um die Hausecke. Andy und ich folgten ihm, und zu dritt krochen wir unter die Veranda. »Wenn ich mich noch mal auf eine von Glens Ideen einlasse, erschießt mich«, knurrte Bud. Er nahm eine Handvoll Knaller aus seiner Tasche, legte sie auf einen Haufen, steckte ein paar blaue Minikerzen hinein und murmelte: »Alles Gute zum Geburtstag!«

Glen und Dottie zwängten sich von der anderen Seite unter die Veranda. »So war das aber nicht geplant«, sagte Glen leise zu Bud.

»Sein Aufkreuzen war auch nicht geplant.« Bud wies mit dem Kopf auf Andy, der neben mir auf der Erde hockte. »Los, bringen wir’s hinter uns.«

Glen häufte seine Knaller auf, dann krochen er und Bud mit den restlichen Böllern weiter in die Mitte, bis schließlich vier stattliche Haufen bereitlagen. Über uns knarzte der Holzboden, und die Stimmen wurden immer lauter. Andy sagte: »Ich habe Streichhölzer. Braucht ihr welche?«

»Die haben wir selbst«, sagte Glen. »Florine, Dottie, Bud, bringt euch in Position.« Jeder von uns hockte sich vor einen der Haufen, dann sagte Glen: »Eins - zwei - drei«, und wir zündeten unsere Kerzen an. Dottie war als Erste fertig. Sie kroch hinaus und rannte davon, Bud und ich gleich hinterher. Wir liefen bis zum Waldrand und warteten auf Glen. Aber er kam nicht.

»Wo zum Teufel bleibt der Kerl?«, sagte Dottie.

Der erste Haufen explodierte. Der Lärm war sogar noch lauter, als ich gedacht hatte. Es krachte und knallte, und die Leute flüchteten kopflos von der Veranda. Dann der zweite Haufen.

Plötzlich schlug unter der Veranda eine Flamme hervor, und Glen, der sich die Hand hielt, kam auf uns zugerannt.

Von der Rasenfläche rief ein Mann: »Da ist er!«, und machte sich an die Verfolgung. Dottie sprang hektisch auf und stieß mich beiseite, sodass ich mitten in der Einfahrt landete. Bud packte mich und zerrte mich zurück in die Büsche. Glen stürmte an uns vorbei, dicht gefolgt von dem Mann.

»Den Gartenschlauch, los, holt den Gartenschlauch«, rief jemand. Ein paar Männer schnappten sich den Schlauch, der an der Seite des Hauses hing, und löschten das Feuer, das am Geländer emporzüngelte. Bläulicher Rauch lag in der Luft. Dann explodierte der dritte Haufen, und die Leute wichen erschrocken zurück.

Der Mann, der hinter Glen hergerannt war, kam wieder aus dem Wald. Ein anderer Mann ging ihm entgegen. »Ist er dir entwischt?«, fragte er. »Hast du ihn erkannt?«

»Ja, es war der Junge aus dem Laden. Aber ich glaube, er war nicht allein. Wahrscheinlich ein paar Fischerkinder. Ich rufe den Sheriff.« Er spuckte auf den Rasen. Sein Haar war blond, wie das von Andy. Die beiden gingen zum Haus zurück. Als der vierte Haufen explodierte, rannten Bud und ich, als wäre der Teufel hinter uns her. Im zuckenden Strahl der Taschenlampe liefen wir bis zum Waldrand bei den Cheeks, wo Dottie auf der Erde saß und ihren rechten Knöchel massierte. Glen lehnte mit schmerzverzerrtem Gesicht an einem Baum, die eine Hand unter die Achsel geklemmt, und stöhnte.

»Oh Mann«, ächzte er. »Ich hab mich übel verbrannt.«

»Lass mal sehen«, sagte ich. Bud hob die Taschenlampe, und Glen hielt seine Hand in den Lichtstrahl. An seinem Handgelenk hatten sich bereits Blasen gebildet. »Du brauchst Hilfe.«

»Ich brauche vor allem erst mal eine Ausrede«, sagte Glen. »Die wissen sowieso, dass du das Feuer gelegt hast«, sagte ich.

»Aber das hab ich ja gar nicht!«, protestierte Glen. »Andy, dieser Blödmann, hat einen der Knaller mit der Kerze angezündet, und als das Ding anfing zu zischen, hat er die Kerze weggeworfen und ist davongerannt.«

»Wir müssen so schnell wie möglich nach Hause«, sagte Bud. »Wir müssen vor Parker da sein.«

Aber wir kamen zu spät. Als wir über die Cheeks kletterten und den Pfad hinunterliefen, wartete der Sheriff bereits mit unseren Eltern im Garten hinter unserem Haus.

Parker verschwand mit Glen und Ray. Bud und Dottie wurden von ihren Eltern nach Hause geschleift. Ich blieb allein mit Daddy und Carlie zurück.

»Was zum Teufel habt ihr euch bloß dabei gedacht?«, sagte Daddy.

»Wie bist du denn so nass geworden?«, fragte Carlie und befühlte mein T-Shirt. Dann schnupperte sie an ihrer Hand. »Hast du dich in Pisse gewälzt?«, fragte sie. »Lee, riech mal an ihr.«

»Nicht nötig, sie stinkt bis hierher«, sagte Daddy. »Diesmal gibt’s wirklich Ärger, Florine.«

Nachdem Carlie die Pisse aus meinen Haaren gewaschen und meine Kleider weggeworfen hatte, setzten wir uns alle an den Küchentisch.

»Muss ich jetzt ins Gefängnis?«, fragte ich.

»War vielleicht das Beste«, meinte Daddy.

»Jag ihr keine Angst ein«, sagte Carlie. »Außerdem würde ich das niemals zulassen.«

 

Am nächsten Morgen bildeten wir eine Karawane und fuhren zu dem Sommerhaus, um uns zu entschuldigen: Sam und Ida Warner mit Bud, Bert und Madeline Butts mit Dottie, Ray Clemmons mit Glen (seine Mutter lebte in Long Reach und ließ sich nur selten blicken) und wir Gilhams. Unsere Väter hatten Regeln aufgestellt. Wir durften uns nicht ansehen. Wir mussten geradeaus blicken, den Mund halten und durften nur reden, wenn wir etwas gefragt wurden, abgesehen von der Entschuldigung, die jeder Einzelne von uns an Mr. Barrington, den Besitzer des Hauses, zu richten hatte. Und die sollte tunlichst überzeugend klingen.

Mit dem Auto war der Weg wesentlich weiter; wir mussten ein Stück über die Landstraße fahren und dann noch über einen holprigen Feldweg, bevor wir schließlich in der Einfahrt hielten, neben der wir uns am Abend zuvor versteckt hatten. Wir stiegen aus, und Ray klopfte an die Hintertür.

Eine Frau, deren Haut die Farbe von Grands Kirschholzkommode hatte, öffnete die Fliegengittertür. Sie trug ein Namensschild mit der Aufschrift »Louisa«. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit ihren schokoladenbraunen Lippen.

»Wir sind mit unseren Kindern gekommen, um uns bei Mr. Barrington zu entschuldigen«, sagte Daddy.

Louisa kam die Stufen herunter und musterte uns wie übrig gebliebenen Fisch vom Vortag. »Ihr wart das also?« Sie runzelte die Stirn. »Kömmt mal mit.« Wir trotteten im Gänsemarsch um das Haus herum, bis wir vor dem Geländer standen, das Feuer gefangen hatte. Es war verkohlt, ebenso wie die Einfassung eines Fensters und ein Teil der Holzschindeln darüber.

Louisa deutete auf ein Gewirr aus verdorrten Blättern und Zweigen. »Seht euch an, was ihr mit Mrs. Barringtons Rosenstrauch gemacht habt. Er hatte wunderschöne, große, gelbe Blüten. Sie hat diesen Strauch geliebt. Und jetzt ist er hin. Wie wollt ihr das wiedergutmachen?«

»Wir würden gern mit Mr. Barrington sprechen«, sagte Daddy.

»Sagen Sie ihm einfach nur, dass wir hier sind«, fügte Ray hinzu.

»Keine Sorge, das wird ich tun«, brummte Louisa und verschwand im Haus.

»Jesses«, sagte Ray zu Glen. »Das wird ‘ne Stange Geld kosten.«

Glen murmelte etwas.

»Ach, halt den Mund«, sagte Ray.

Mr. Barrington kam über die Veranda nach draußen, gefolgt von Andy. Er war groß gewachsen und hatte ebenso blondes Haar und dunkle Augen wie sein Sohn, aber obwohl er ein gut aussehender Mann war, wirkte sein Gesicht, als könne es blitzartig von Sonnenschein auf Gewitter wechseln. Andy hielt den Kopf gesenkt. Er spielte nervös mit den Fingern, während er neben seinem Vater stand.

»Guten Morgen«, sagte Mr. Barrington mit tiefer, ruhiger Stimme. Dann trat er einen Schritt zurück und musterte uns. Da ich die Erste in der Reihe war, stieß Daddy mich nach vorn.

»Hast du Mr. Barrington etwas zu sagen?« Ich starrte auf einen Punkt auf Mr. Barringtons Brust und murmelte: »Es tut mir leid.«

»Was tut dir leid?«, fragte er. Überrascht hob ich den Blick und sah ihn an. Ich hatte nicht mit einer Frage gerechnet. Seine dunklen Augen waren jetzt wie zwei Dolche.

»Na ja, dass wir hergekommen sind oder so.«

»Oder so?«

»Es tut mir ehrlich leid, dass wir hergekommen sind.«

Carlie drückte meine Schulter und sagte mit Nachdruck: »Sie ist wirklich ein artiges Kind, meistens jedenfalls.«

Mr. Barrington lächelte spöttisch und wandte sich dem Nächsten zu. Carlies Griff um meine Schulter wurde fester.

Dottie sagte laut und vernehmlich, dass es ihr leidtat, und fügte noch ein »Sir« hinzu.

Bud nuschelte etwas, und Sam, sein Vater, forderte ihn auf, es zu wiederholen.

Zu Glen sagte Mr. Barrington: »Wie geht es deiner Hand?«

»Schon besser«, murmelte Glen. »Es tut mir leid.«

»Er hatte nichts Böses im Sinn«, sagte Ray. »Manchmal denkt er einfach nicht nach.«

»Vielleicht sollte er mal über die Reparaturkosten nachdenken«, sagte Mr. Barrington.

»Die vier haben für den Rest des Sommers Ausgangsverbot«, verkündete Sam.

Mr. Barrington nickte. »Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Wir sind immer gute Nachbarn gewesen. Ich werde Ihnen Bescheid geben, was die Versicherung meint, und dann finden wir schon eine Lösung.«

»Einverstanden«, sagte Daddy.

Andy sah zu mir herüber, und ich funkelte ihn verächtlich an. Er wandte den Blick zum Wald ab und kratzte sich am Kopf. Hoffentlich hatte er eine Zecke, die sich in seinen Schädel fraß.

»Wir können froh sein, dass er keine Anzeige erstattet«, sagte Daddy, während wir in unserem Pick-up über den Feldweg holperten.

Carlie schlang den Arm um mich. »Meine kleine Verbrecherin«, flüsterte sie.

Als Mr. Barrington die Rechnung schickte, zahlte Daddy seinen Anteil.

»Falls wir irgendwelches Geld für eine Reise übrig hatten, ist es jetzt endgültig weg«, sagte er zu Carlie.

»Das ist nur wieder eine von deinen faulen Ausreden«, erwiderte sie.