Unser Herr Mustermann: Franz Meier

Stellen Sie sich bitte Herrn Franz Meier vor: ein durchschnittsdeutscher Mann der gesunden Mittelschicht, der nicht unter Dauerstress steht und isst, wenn er Hunger hat. Angenommen, Herr Meier nimmt täglich etwa 2500 kcal auf, also 2500 Kilokalorien oder 2,5 Millionen Kalorien (im Allgemeinen sprechen wir von Kalorien, gemeint sind aber kcal). Meiers Körper benötigt für Grundumsatz, Wärme, Verdauung, „Erneuerungsprozesse“ und seine Bewegung im Alltag 2150 kcal. Also bleiben 350 arbeitslose kcal in seinem Körper, mit denen etwas passieren muss, denn in Luft auflösen werden sie sich eher selten. Dieser Brennwert ist ungefähr enthalten in einer halben Flasche Rotwein oder in drei 0,33-l-Flaschen Bier, einem Kingsize-Schokoriegel oder in zwei Schokomüsliriegeln, in 100 g Vollkornmüsli, 75 g Chips, 100 g Mortadella, 30 ml Olivenöl, 80 g Parmesankäse oder dem Fischburger eines bekannten Fast-Food-Restaurants, dessen mittlere Portion Pommes ebenfalls 350 kcal liefert. Diese Energiemenge entspricht „umgewandelt“ etwa 50 g menschlichem Fettgewebe (bestehend aus Fett, Wasser, Blut, Bindegewebe).

Was macht Meiers Organismus nun mit den überflüssigen Kalorien, wenn sich sein Leben nicht gravierend ändert? Er hat verschiedene Möglichkeiten: Entweder er bewegt sich im Alltag mehr als normal, sein Körper steigert die Wärmeproduktion. Er geht joggen, er baut durch Kraftsport Muskeln auf – oder er speichert die überflüssigen Kalorien im Fettgewebe, unserem langfristigen Energiedepot. Da so manche Deutsche einige Kilos zu viel auf den Rippen haben, scheint die Speichervariante bei den fülligeren Zeitgenossen der bevorzugte Weg „raus“. Auch deshalb, weil im alltäglichen Normalfall die anderen Möglichkeiten meist ausscheiden: Die Bewegung im Alltag wird unwesentlich gesteigert, außer Herr Meier gehört zu den „Fidgern“ (dazu mehr im siebten Kapitel). Für die reine Wärmeproduktion, die überflüssige Energie in „heiße Luft“ verwandelt, fehlt den meisten Menschen braunes Fettgewebe (siehe Infokasten ab Seite 140). Herr Meier wird sich auch sicher nicht nackt zum Energie verbrauchenden Zittern in die Kälte stellen. Er mutiert auch ohne schwerwiegenden Grund nicht zum Jogger oder anabolen Kraftsportler, das heißt, er wird die Energie weder weglaufen noch daraus zusätzliche Muskelmasse aufbauen.

Also hieße dies gemäß „Rein-Raus-Prinzip“: Für die 350 nicht benötigten kcal, die „rein“-kamen, ist der Weg „raus“ die Umwandlung in Fettgewebe – und zwar in ungefähr 50 g. Würde Herr Meier jeden Tag diese Menge zu viel essen, müsste er pro Woche zur „Kalorienneutralisierung“ mindestens vier bis fünf Stunden Sport treiben. Aber stellen Sie sich bitte vor, unser Mustermann Franz bleibt seiner sportlosen Lebensführung treu und nimmt nur alle drei Tage ungefähr 350 überschüssige Kilokalorien auf – so bringt ihm das etwa 500 g Körperfett als neue Energiereserve pro Monat. Franz Meier nimmt also hochgerechnet pro Jahr sechs Kilos zu, in zwei Jahren ist sein Körper bei gleichbleibendem Lebensstil um zwölf Kilogramm Fett beschwert. Klingt viel? Ist es auch. Besonders wenn Sie sich vor Augen führen, dass beispielsweise ein 80 Kilogramm schwerer Mann etwa sechs Stunden Rennrad fahren oder 100 km joggen müsste, nur um ein Kilo Fett abzuschmelzen. Wenn Herr Meier also nach zwei Jahren beschließen würde, seine zwölf Kilos Fett abzutrainieren, stünden ihm 1200 km Laufstrecke bevor. Diese Distanz entspricht ungefähr dem Weg von Hamburg nach Mailand – das ist lange zu laufen, nicht nur für Franz M.

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