Kalorien & Körpergewicht –
eine ganz einfache Geschicht´?
Auch wenn es also keine gesellschaftliche „Fettsuchtepidemie“ zu geben scheint, die unser Gesundheitssystem in die Krise stürzt, so gilt doch für jeden einzelnen Menschen: Stark übergewichtig zu sein ist kein erstrebenswerter Zustand. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen wabbelige Fettpolster weder an sich noch an anderen wirklich attraktiv finden und konsequenterweise auch kein Mitleid mit den Schwergewichten haben: Mehr als acht von zehn Deutschen lehnen die Aussage nicht ab, sehr Dicke seien faul und willensschwach, teilte 2007 die Universität Marburg mit. Und 85 Prozent dieser Befragten meinen, die krankhaft Übergewichtigen seien im Wesentlichen selbst für ihr Körpergewicht verantwortlich: Sie würden sich zu wenig bewegen und zu viel essen. Was könnte bis auf sehr wenige Stoffwechselkranke sonst der Grund für massives Übergewicht sein? Um es an dieser Stelle nochmals ins Gedächtnis zu rufen: Alles, was Sie in diesem Buch lesen, gilt für grundsätzlich körperlich und psychisch gesunde Menschen, die keinen Ernährungs- und Bewegungseinschränkungen unterliegen und deren Essverhalten nicht maßgeblich durch Stress gestört wird. Was also ist der Grund für die ungeliebten Pfunde zu viel, wenn keine Erkrankung die Ursache ist? Früher hieß es oft gutbürgerlich: „Dicke sind krank, das sind die Drüsen.“ Die produzieren wahrscheinlich Fett. Spaß beiseite und her mit der „Marburger Meinung“: Die echten Schwergewichte unter uns essen zu viel und bewegen sich dementsprechend zu wenig, jawohl! Tatsächlich? Darüber sollte man mal nachdenken, denn eine Studie in der Aktuellen Ernährungsmedizin ergab 2009, dass Übergewichtige und Adipöse pro Tag durchschnittlich etwa 2100 kcal aufnehmen. Diese Energiemenge entspricht der DGE-Empfehlung für eine normalgewichtige 25- bis 50-jährige Frau, die überwiegend im Sitzen arbeitet. Demnach muss zu viel Essen nicht zwangsläufig der Grund für zu viele Pfunde sein. Ist es also mangelnde Bewegung? Eine Untersuchung aus Washington lieferte überraschende Erkenntnisse: Übergewichtige Krankenschwestern bewegen sich mehr als ihre normalgewichtigen Kolleginnen. Die schweren Schwestern verbrauchten dabei geschätzte 1000 kcal zusätzlich pro Tag. Allerdings wirkte sich der bewegend-erhöhte Kalorienverbrauch nicht auf ihr Gewicht aus. Als mögliche Ursache des Übergewichts sieht der Studienleiter Schlafmangel kombiniert mit unruhiger Nachtruhe. Macht vielleicht schlechter Schlaf dick, statt viel essen und wenig bewegen? Es könnte auch an folgendem Phänomen liegen: Übergewichtige geben wesentlich weniger Wärme an die Umwelt ab als Dünne – weil sie besser (fett-) isoliert sind und nur halb so viel Körperoberfläche wie Schlanke aufweisen, über die Wärme abgestrahlt wird. Letzteres gab im Mai 2010 die Universität Gießen bekannt – inklusive der Erkenntnis, dass Dicke deshalb weniger Energie verbrauchen. Das ist plausibel, denn etwa 70 bis 80 Prozent der Energie, die wir über die Nahrung aufnehmen, werden zur Aufrechterhaltung unserer Körpertemperatur und des Grundumsatzes verbraucht. Aber ist die verminderte Wärmeabstrahlung nun auch Ursache des Dickseins? Nein, denn sonst wäre es für abgespeckte Dicke ja ein leichtes Unterfangen, dünn zu bleiben. Ist es aber nicht – denn der biologische Grundstein unseres Körpergewichts liegt eingemeißelt in unserem Erbgut. Menschen mit dominanten „Speichergenen“ sind und bleiben naturgewollt einfach schwerer (dazu mehr im folgenden Kapitel).