Kommt Zeit, kommt Gesundheitsrat … und geht wieder
Kommen wir wieder zurück zu den echten Nahrungsmitteln und deren Positionierung als „gesund und ungesund“, unserem eigentlichen Thema: Neben den eingangs erwähnten populären Ernährungsweisheiten wie „gesundes Obst und Gemüse“ und „böses Cholesterin“ werden regelmäßig aktuelle Studien publiziert, die scheinbar normale Lebensmittel in „gesundem Licht“ neu erstrahlen lassen. Hauptsächlich wenn gerade Saison ist, wird so manches Früchtchen zum Allheilmittel: Erdbeeren schützen insbesondere im Juni vor „Krebs, Blutgerinnseln und Infarkten, senken den Blutdruck oder entschlacken unseren Körper“. Die gesundheitsfördernden Lobeshymnen, die wir in der Spargelsaison zum „Schlankmachergemüse“ überall lesen, sparen wir uns an dieser Stelle.
Richtig interessant wird es für den wissenschaftsorientierten Verbraucher aber erst, wenn die Forscher überraschend feststellen, dass die jahrelang als gesund postulierten Lebensmittel den Erwartungen nicht standhalten oder im schlimmsten Fall sogar schädlich sind. Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit: das Olivenöl. Ab Mitte der 1990er-Jahre war die (mediale) Begeisterung groß, wie gesund es doch für die Adern ist: Das Geheimnis seien die einfach ungesättigten Fettsäuren im Olivenöl, eingebettet in die gute mediterrane Küche 1 – die übrigens dazu führt, dass 75 Prozent der so mediterran gesund lebenden Griechen laut Welternährungsorganisation FAO übergewichtig sind. Und Kretas Kinder sind Europas dickster Nachwuchs, gefolgt von den sizilianischen Bambini. Vielleicht ist das Olivenöl so lecker – womit wir wieder beim Thema sind: In den Zeiten des Hypes waren manche unserer Mitbürger sogar dermaßen von der „gesundheitsfördernden Kraft“ des Olivenöls überzeugt, dass sie das Olio täglich pur löffelten. Anfang 2008 jedoch brachten Wissenschaftler der Universität Münster den Olivennimbus überraschend ins Wanken: Sie publizierten eine Studie, die zeigt, „dass Olivenöl gefäßschädigend ist“.
Diese Ergebnisse fanden in der breiten Öffentlichkeit kaum Gehör, denn eine Uni Münster hat keinen Kommunikationsetat, der auch nur annähernd dem der Olivenöllobby entspricht. Hellhörig sollten Sie aber trotzdem bei den aus der Studie resultierenden Empfehlungen der Hochschule werden, denn auch hier wird Meinung gemacht: „Gesättigte Fettsäuren heben die schädigende Wirkung der einfach ungesättigten Fettsäuren des Olivenöls wieder auf.“ Die Autoren raten daher zu einer ausbalancierten Zusammensetzung der Ernährung mit ungesättigten Fettsäuren aus flüssigen Fetten und gesättigten Fettsäuren, die eher in festen Fetten wie Butter zu finden sind. Oder anders formuliert: Vergessen Sie neben dem Olivenöl die „gute Butter“ nicht.
Zur Abrundung des Themas sei ein Bericht im ärztlichen Verbandsblatt „Der Hausarzt“ erwähnt, der im Juni 2008 die „Rehabilitation des Olivenöls“ verkündete, das „aufgrund der reichlich darin enthaltenen einfach ungesättigten Fettsäuren vor Diabetes schützt“. Schade nur für alle Liebhaber von „nativ extra“ oder „nativ vergine“, dass im April 2009 die Zeitschrift Ökotest nur zwei von 25 getesteten Olivenölen empfehlen mochte. Wer auch immer in Sachen Gesundheitskraft recht haben mag: Es ist bei den Mengen Speiseöl, die wir hierzulande verwenden, völlig egal, ob Sie zu Olivenöl, Sonnenblumenöl oder Rapsöl greifen. Aber wie reagieren die Menschen auf solche Ergebnisse? Mit Unsicherheit – denn „gelerntes Gesundes“ soll auf einmal schädlich sein? Oder doch nicht? Wem soll ich was glauben?