Gute Gründe für viele Pfunde:
Schlafmangel, Heizung, Nachbarn …

Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Vielen Forschern ist die Rolle der Gene als Natursteuerung des Körpergewichts anscheinend nicht „spannend“ genug, sodass stets neue Erklärungsversuche publiziert werden, wie die Pfunde auf unsere Rippen kommen. Nachfolgend ein paar aktuelle Beispiele, die Ihnen im „adipösen Smalltalk“ weiterhelfen können: In der Forschergunst ganz weit vorne stand 2010/11 der Schlafmangel als Ursache für Übergewicht (davon konnten Sie bereits bei den schweren Schwestern und im Kinderkapitel lesen). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Schlafdefizit zur erhöhten Ausschüttung des Hungerhormons Ghrelin führt. Das wiederum fördert der Universität Kalifornien zufolge Heißhungerattacken und verursacht so Übergewicht. Wer abnehmen möchte, sollte also ausreichend schlafen - so auch die Empfehlung von Forschern der Universität von Chicago, die bei Kurzschläfern von etwa fünf Stunden einen erhöhten Ghrelinspiegel feststellten. Dieser Hormonschub führte dazu, dass die Kurzschläfer ein verstärktes Hungergefühl entwickelten und weniger Gewicht verloren als diejenigen, die etwa acht Stunden schliefen. Auch chronischer Stress lässt den Ghrelinspiegel ansteigen, gab die John Hopkins University bekannt. Und da belastender Stress häufig zu Schlafmangel führt, kommt es für gestresste Wenigschläfer gleich doppelt dick. Das gilt gemäß zweier Studien der Universität Sydney und der Harvard Medical School auch für Heranwachsende: Schlafmangel verursacht Stress und erhöht das Risiko für Übergewicht. Für Dr. Jens Aberle vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ist der „Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Gewichtszunahme wissenschaftlich gut untersucht.“ Weniger als sechs Stunden täglich sei die kritische Grenze, die zu verstärktem Hunger führe. Die DGE hingegen weist darauf hin (man höre und staune), dass alle Befunde zu Schlafmangel und erhöhtem Risiko für Übergewicht nur statistische Verknüpfungen sind – die Aussage über einen ursächlichen Zusammenhang sei daher nicht möglich. Solche Studien gäbe es nicht! Daher sollte die Aufmerksamkeit beim „Gewichtsmanagement“ weniger dem Schlaf und mehr der Bewegung und Ernährung gewidmet werden. Adipös ausgeträumt – da hat die DGE die Schlafforscher bös´ geweckt … Macht nichts, denn Schlafmangel bietet noch andere Forschungsfelder abseits des Dickmachens: Niederländische Forscher gaben bekannt, dass eine schlechte, zu kurze Nachtruhe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 85 Prozent steigern kann. Weiter behindert Schlafmangel die „Arbeit“ des Zuckerhormons Insulin, stellten Düsseldorfer Diabetesexperten im April 2011 fest. Und einen Monat später machten Erkenntnisse der Universität Hong Kong die Runde, dass ein Schlafdefizit die Hirnalterung und die Gedächtnisleistung negativ beeinflusst. Bevor Sie nun gleich einschlafen, verlassen wir an dieser Stelle die Schlafforschung und widmen uns weiteren, teils sehr interessanten Gründen, die studiengemäß Übergewicht fördern …

Nichts Neues, aber 2011 mit neuen Studien erneut bestätigt: Gewisse Medikamente können dick machen. So führt gemäß australischer Forscher die Langzeitanwendung von Betablockern zur Behandlung von Bluthochdruck möglicherweise zu Gewichtszunahme und Übergewicht. Die Forscher vermuten, dass diese Arzneimittel den Körper daran hindern, Fett und Kalorien zu verbrennen. Ursache sei ein niedriger Energieumsatz der Patienten und deren um 50 (! ) Prozent verringerte Wärmebildung. Daneben stehen Betablocker unter Verdacht, das Auftreten von Diabetes zu fördern. Das wäre in punkto Körpergewicht doppelt schlecht, denn auch zahlreiche Diabetesmedikamente führen nachgewiesenermaßen zur Gewichtszunahme. Noch schlechter hingegen kann es kommen, wenn noch eine Depression hinzukommt – denn depressive Menschen nehmen schneller zu als gesunde Personen, ergab eine Studie der Universität of Alabama. Vielleicht aber sind Medikamente und Krankheiten nicht des „Übergewichts Übels Kern“, sondern die freie Marktwirtschaft … so hat die Universität Oxford entdeckt, dass in marktliberalen Ländern wie den USA, Kanada oder England mehr Fettleibige leben als in Staaten mit sozialer Marktwirtschaft wie Deutschland, Frankreich oder Norwegen. Ein Grund könnte der Columbia University zufolge die hohe Arbeitsbelastung sein, da Arbeitnehmer mit mehr als zwei Wochen Geschäftsreisen pro Monat häufiger übergewichtig sind als Wenigreisende.

Aber auch im kuscheligen Zuhause droht die Kilogefahr … vor allem wenn man es gerne warm hat und Studien des University College of London glaubt: Deren Wissenschaftler teilten im Winter 2010/11 mit, dass zu stark beheizte Räume die Entwicklung von Übergewicht begünstigen können. Der Grund: Es fehlt der Kontakt mit Kälte. Das führt einerseits dazu, dass der Körper weniger Energie erzeugen muss, um uns warm zu halten. Zweitens verlieren wir ohne genügend Kälteberührung unser braunes Fett, wodurch ebenfalls der Energieverbrauch des Körpers sinkt – denn im Gegensatz zum weißen Fettgewebe dienen die braunen Fettzellen nicht als Energiespeicher, sondern sind als „fettverbrennender Heizofen“ genau für das Gegenteil zuständig: Energie verbrauchen, um Wärme zu erzeugen (siehe Ende dieses Kapitels „Braunes Fettgewebe“). Die beheizten Räume und der fehlende Kontakt mit Kälte verringern insgesamt den körperlichen „Temperaturstress“. Dies dürfte sich laut Studienleiterin „auf das Gewicht und die Entwicklung von Übergewicht auswirken.“ Vielleicht verzichten ja deshalb 60 Prozent der Bundesbürger auf warme Wohnungen und beheizen nur noch einzelne Zimmer, wie ein Immobilienportal im Januar 2011 verkündete … Gefährlich für die Körperform kann es hingegen auch dann werden, wenn man den Tipp der Londoner Kälte-Fett-Forscher beherzigt, und raus an die frische Luft geht: Hier können Sie Mollige sehen – und die verführen Forschungen der Leeds School of Business zufolge zum Naschen, da ihr Anblick einen appetitanregenden Effekt ausübt. Werden diese Molligen dann gar noch zu Bekannten oder Freunden, dann wird’s eng – und zwar am Hosenbund … denn wer als Normalgewichtiger gemäß Harvard-University in Cambridge Kontakte zu fünf fettleibigen Menschen hat, verdoppelt sein persönliches Risiko, selbst dick zu werden! Bereits ein fetter Freund erhöht die Wahrscheinlichkeit des eigenen Dickwerdens immerhin um mehr als 50 Prozent. In diesem Phänomen der „sozialen Ansteckung“ sehen die Wissenschaftler gar einen der Hauptgründe für die schnelle Verbreitung von Adipositas. Dabei muss der Kontakt zum „dicken Umfeld“ noch nicht mal sehr eng sein; allein die dauerhafte Anwesenheit Übergewichtiger im persönlichen Umkreis reicht oftmals schon aus, „ansteckend“ zu wirken. Also schauen Sie sich Ihre künftigen Nachbarn genau an, wenn Sie auf Ihre Figur achten …

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