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Die Frage war, was sie mit ihrer Freiheit anfangen sollten. Sie verbrachten ein paar Minuten damit, Suchmaschinen zurate zu ziehen. Dann einigten sie sich darauf, zu der ein paar Kilometer entfernten Hawkins Preserve zu gehen. Dieser einen halben Quadratkilometer große Kulturpark war von den Stadtvätern bewahrt worden, weil sie schon früh zu dem Schluss gelangt waren, dass selbst die Kinder von Flüchtlingen einen Ort brauchen, wo sie herumlaufen und Ball spielen konnten.

Also brachen sie auf, angeführt von Kelly und Wilson. Sie folgten interaktiven Karten, die sie auf der North Market Street nach Süden, dann nach rechts in die West Main und wieder nach links in die South Chestnut leiteten. Die meisten Kandidaten schauten auf ihre Displays statt auf die Stadt um sie herum; sie verschlangen Nachrichtenmeldungen und Mails, Klatsch und Spekulationen.

Venus Jenning sagte: »Sie erforschen immer noch diese Explosion da draußen in der Oortschen Wolke …« Bei dem Versuch, Exoplaneten aufzuspüren, hatte ein Weltraumteleskop zufällig einen Blitz draußen in jenem Halo von Kometenkernen aufgefangen, der weit außerhalb der Planetenbahnen kalt und lichtlos dahintrieb. Später hatte eine Handvoll Sonden anomale Spuren hochenergetischer Strahlung und Partikel gemeldet.

»Sind sie denn schon sicher, dass es eine Atomexplosion war?«, fragte Zane.

Venus zuckte die Achseln. »Das ist nach wie vor die Theorie, die am besten zu den Daten passt. Irgendjemand hat da eine Atombombe hingeschickt und gezündet, vielleicht auch viele Atombomben. Aber wer? Die Chinesen, die Russen …«

»Könnten die Amerikaner gewesen sein«, warf Wilson trocken ein. »Unser ganzes Projekt ist ein Geheimnis.«

»Okay«, sagte Venus. »Aber warum? Die Welt ertrinkt. Wozu einen langperiodischen Kometen sprengen? Was soll das bringen? «

Keiner von ihnen hatte eine Antwort darauf.

»Scheiße«, sagte Mike Wetherbee. »Das Altersprofil-Auswahlkomitee hat seine Empfehlungen ausgesprochen.« Das war weitaus interessanter; es würde sie alle betreffen. Sie scharten sich um ihn, um es zu sehen, und fingen an, Daten auf ihre eigenen Displays und Bildschirme herunterzuladen.

Die Sozialingenieure hatten Methoden entwickelt, um der nominellen Crew – deren Stärke inzwischen auf achtzig Personen festgelegt worden war – die beste Chance auf soziale Stabilität bei maximaler genetischer Diversität zu geben. So war zum Beispiel längst entschieden worden, dass keine Familien mitgenommen werden würden, weil sie zu viele Kopien derselben Gene darstellten. Es würde keine Eltern auf der Arche geben, keine Geschwister; jedes Besatzungsmitglied mit seinem möglichst eigenständigen Genprofil würde praktisch allein auf die Arche gehen.

Aber wie alt sollte die Crew sein? Eine gleichförmige Verteilung von Altersgruppen wie in der Menschenwelt, die sie hinter sich ließen, erschien naheliegend. Doch bei einer solchen Verteilung würde jedes Individuum nur eine kleine Anzahl möglicher Partner aus der eigenen Altersgruppe vorfinden. Um die Paarungschancen jedes Einzelnen zu maximieren und die genetische Diversität der Gruppe als Ganzes sicherzustellen, hatten die Sozialingenieure nun beschlossen, dass alle an Bord ungefähr dasselbe Alter haben sollten: Sie würden einer einzigen »Altersklasse« angehören, wie die Demografen es nannten. Der Grundgedanke war, dass sie etliche Jahre warten sollten, bis sie Kinder bekamen – vielleicht sogar bis nach der Landung auf dem Zielplaneten –, dann jedoch einen weiteren großen Kader von Kindern produzierten, die alle ungefähr im selben Alter waren und ihren Eltern in einem Abstand von zwanzig, fünfundzwanzig oder dreißig Jahren die Alterspyramide hinauf folgten. Wenn diese dann ihrerseits den Kinderschuhen entwuchsen, würden auch sie feststellen, dass sie eine große Auswahl an potenziellen Partnern hatten.

So also sah der Plan aus. Als die Kandidaten das allmählich begriffen, schauten viele von ihnen beunruhigt drein – Susan Frasier zum Beispiel, die oft von ihren Neffen und Nichten sprach und von ihrem Wunsch, lieber früher als später eigene Kinder zu bekommen.

Holle machte ein entsetztes Gesicht. »Mein Gott, was für eine Reise das werden wird. Nur wir, keine Erwachsenen, keine Kinder und ein Flug, der kein Ende nimmt.«

Wilson grinste. »Ist das zu viel für dich, Mäuschen? Willst du ausscheiden und hierbleiben, um deine Babys schwimmen zu lehren?«

»Sei kein Arschloch«, sagte Holle mit ihren langen, volltönenden schottischen Vokalen.

Zane behielt seine Zweifel für sich. Ihn persönlich interessierte das Kinderkriegen nicht die Bohne, obwohl es seine Pflicht sein würde, seine Gene weiterzugeben, wenn er in die Crew aufgenommen wurde. Aber die Altersbegrenzungen bereiteten ihm Kopfzerbrechen. Er gehörte zu den Jüngsten in der Gruppe. Was, wenn er ausschied, nur weil sein Geburtstag just auf der falschen Seite irgendeiner willkürlich dekretierten Grenze lag? Das war noch so etwas, worüber man sich Sorgen machen konnte, eine weitere sinnlose, unkontrollierbare Angst.

In seinem Augenwinkel blitzte etwas auf.

Er drehte sich um. Es war irgendwo im Norden gewesen, wie ein ferner Blitz oder die Spiegelung der Sonne auf einem Kippfenster. Einige der anderen zögerten, abgelenkt von dem Blitz oder von Reflexen in den Displays ihrer Handys.

Jetzt begannen die Telefone erneut zu klingeln. Zane holte seins aus der Tasche.

Holle legte ihre Hand auf seine. Sie drückte ihr Handy an die Schläfe. »Warte, Zane. Nicht einschalten.«

Die ewige Furcht nagte tief in seinem Bauch. »Was ist los?«

»Harry Smith kommt her. Er wird’s dir sagen.« Sie schaute sich um und strich sich eine Locke aus den Augen. »Wir müssen dich zum Center zurückbringen. Don, hilf mir.«

»Klar.« Don kam herbei, energisch und kompetent.

Sie führten Zane die Straße entlang, Don auf einer Seite, Holle auf der anderen, beide größer als er. Die anderen betrachteten ihn mitfühlend. Jeder schien zu wissen, was los war – jeder außer ihm. Selbst Holles und Dons unbeholfene Fürsorge kam ihm wie eine Demütigung vor. Es war, als würden seine schlimmsten Befürchtungen wahr. »Was ist denn? Ist irgendwas mit meinem Vater?«

»Warte auf Harry«, sagte Holle. Sie wollte ihm nicht in die Augen schauen.

Und dann hörte er ein Grollen wie von fernem Donner, das von Norden kam.

Die Letzte Arche
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