48. Kapitel

11.52 Uhr
Auburn

Andrew versuchte, die Aufmerksamkeit der Verkäuferin hinter dem Ladentresen auf sich zu ziehen. Kein leichtes Unterfangen, wenn die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen waren. Außerdem rannte die Frau ständig von einem Ende des langen Verkaufstresens zum anderen. Nur als sie hereingekommen waren, hatte sie ihnen kurz zugenickt.

Jared belud Andrews freien Arm mit Zahnpasta, Rasierklingen, Kartoffelchips, Schokoriegeln und Comicheften. Anscheinend hatte er vor, die nächsten Monate auf dem Highway zu verbringen.

Andrew behielt die Frau im Auge und betete, dass sie endlich in ihre Richtung sehen möge. War es denn zu viel verlangt, dass sie ihnen wenigstens ein paar Fragen stellte: Woher kommt ihr, Jungs? Wohin fahrt ihr?

Stattdessen war die kleine, zierliche Person ständig in Bewegung. Den ergrauten Kopf gesenkt, wieselte sie unablässig hin und her, von dem Miniofen, in dem sie kleine Pizzas buk, zum Hotdog-Grill und dann wieder zurück zu dem Teil der Theke, wo sie Sandwiches belegte. Andrew konnte nur staunen.

Sie arbeitet hier, weil sie es muss, dachte er, vielleicht, weil ihre Rente nicht reicht. Er fragte sich, ob es ihren Kindern oder Enkeln Sorge bereitete, dass sie in einem Tankstellen-Laden arbeitete. Wahrscheinlich nicht. In Omaha wäre das anders, ja, aber hier draußen? Hier war das kein Problem. Hoffentlich blieb es dabei. Vielleicht würde sie nie erfahren, dass sie heute einen Mörder bedient hatte.

Seit die Frau mit dem Kleinkind gegangen war, hatte kein anderer Kunde den Laden betreten. Andrew ließ den Blick auf der Suche nach einem Hinterausgang langsam an den Regalen entlangwandern. Es musste einen geben. Vielleicht am Ende des kleinen Flurs, der in der Ecke begann. Und wenn die Tür tagsüber verschlossen war?

Plötzlich kam ihm eine Idee. Jared wollte, dass er die Einkäufe mit seiner Kreditkarte bezahlte. Das hieß, er musste den Beleg quittieren. Wenn nach ihm gesucht wurde, würde mit Sicherheit auch sein KreditkartenKonto überwacht. Ob sie sich wohl auch die Originalbelege ansahen? Er hatte keine Ahnung, aber er musste wenigstens versuchen, Tommy eine Nachricht zukommen zu lassen.

Jared holte ein Sechserpack Bier aus dem Kühlschrank, als Andrew bemerkte, dass Melanie sich wieder ins Auto setzte, und zwar auf den Fahrersitz. Jared sah es ebenfalls und versetzte ihm einen Schubs in Richtung Kasse. Sie stapelten ihre Einkäufe vor der kleinen Frau auf, die sie nun endlich ansah.

»Die Pizza riecht gut«, bemerkte Jared. »Machen Sie die hier selbst?«

»Den Boden bekommen wir tiefgefroren. Ich belege ihn dann.« Sie begann, die Preise in die Kasse einzutippen und verstaute jedes Teil zuerst in einem Beutel, bevor sie sich dem nächsten zuwandte.

»Wir nehmen noch ein paar Pizzas und Sandwiches mit.«

Sie trippelte davon, packte die Pizzastücke in quadratische Kartons und wickelte die Sandwiches ein. Zu den Sandwiches holte sie noch zwei große Dillgurken aus einem Glas und verpackte sie separat. Und noch immer stellte sie keine Fragen und fing keine Unterhaltung an.

»Mit dem Benzin macht das dreiundvierzig Dollar siebenundsechzig.«

Andrew gab ihr seine American-Express-Karte.

Sie steckte sie in den Automaten, wartete auf das leise Rattern und reichte ihm schließlich den Beleg zum Unterschreiben. »Kaugummi«, sagte Andrew plötzlich. »Ich habe Kaugummi vergessen.«

Jared sah sich um, und in dem Moment, als er ihm den Rücken zuwandte, um in den Ständer hinter sich zu greifen, drehte Andrew den Kreditkartenbeleg um und kritzelte hastig »CO über 6" auf die Rückseite. Als Jared das Kaugummi-Päckchen auf den Tresen warf, hatte Andrew die Quittung bereits unterschrieben und gab sie der Verkäuferin zurück.

Sie hielt das Kaugummi in der einen und den Quittungszettel in der anderen Hand. »Zahlen Sie das bar?«

»Ja.« Andrew holte Kleingeld aus der Tasche und hoffte inständig, sie würde seine Hieroglyphen nicht schon jetzt entdecken und ihn fragen, was das zu bedeuten habe. Doch sie schien nichts bemerkt zu haben.

Jared drückte ihm einen der beiden Einkaufsbeutel in die Hand und klemmte ihm das Bier unter den Arm, als wolle er ihn absichtlich belasten. Melanie war bis vor die Ladentür gefahren. Jared hielt die Tür auf, während Andrew Charlie das Bier durch das Autofenster reichte.

Als sich Andrew auf den Beifahrersitz setzen wollte, bemerkte er, dass Jared noch immer an der Tür stand, als hielte er sie jemandem auf. Er sah sich um, doch außer ihnen war niemand da. Ihre Blicke trafen sich, und Jareds Augen sagten: Ich habe gesehen, was Sie getan haben. Dann drehte er sich um und ging zurück in den Laden.

Andrew meinte sich übergeben zu müssen, noch bevor er den Schuss hörte.