13. Kapitel
16.37 Uhr
Interstate 80
Melanie hielt sich exakt an Jareds Anweisungen. Sie verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass sie schließlich wisse, wohin sie fuhren. Aber sie kannte ihren Bruder gut genug und wusste, dass es besser war, den Mund zu halten.
Die Klimaanlage lief auf der höchsten Stufe und übertonte Charlies leises Pfeifen auf dem Beifahrersitz. Er hatte sein Sandwich verputzt, noch bevor sie auf dem Interstate 80 gewesen waren, und machte sich jetzt über die Kartoffelchips her, die er mit seiner zweiten Coke runterspülte.
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Jared hatte darauf bestanden, hinten zu sitzen, vermutlich, um sie besser herumkommandieren zu können. Aber er hatte ihr die Bankfiliale schon am Morgen gezeigt, sie brauchte keine Hilfe.
Ihre Blicke trafen sich, und sie sah rasch wieder auf die Straße. Der Himmel hatte sich weiter verdunkelt. In der Ferne konnte man die ersten Blitze sehen. Die Straßenlaternen waren wieder angegangen, wie vorhin, als sie im Cracker Barrel gesessen hatten.
Jared saß scheinbar ruhig und gelassen hinter ihr, als sei alles nur ein Spiel. Ihre Hände hingegen waren schweißnass.
Das T-Shirt klebte ihr am Rücken fest, obwohl die Klimaanlage sich redlich mühte. Insgeheim verfluchte sie den Rückspiegel, der sie immer wieder verleitete, nach hinten zu sehen. Ihre Finger rutschten unruhig über das Lenkrad, und einige Male ertappte sie sich sogar dabei, an der Unterlippe zu nagen.
Charlie schien eine bessere Strategie zu haben, mit seiner Nervosität fertig zu werden. Er stopfte Chips in sich hinein und beschäftigte so seinen Magen. Jared hingegen wirkte nicht im Mindesten angespannt. Er sah aus dem Fenster, und sie konnte auf seinem Gesicht nicht eine einzige Schweißperle erkennen. Wie schaffte er es bloß, so ruhig zu bleiben?
Sie bog vom Highway 50 ab und fuhr auf den Parkplatz vor der Bank.
»Park da drüben, neben dem Gebäude«, sagte Jared. Er hatte sich zu ihr vorgebeugt, und sie spürte seinen heißen Atem im Nacken. Melanie hielt neben einer Rasenfläche. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein Autohändler, und für einen Moment kam es ihr so vor, als wären die Scheinwerfer der brandneuen FordPick-ups Augen, die sie mahnend anstarrten. Ein Stück weiter erkannte sie den gelben McDonald's-Bogen, und sie hörte das Rauschen des Verkehrs auf dem Highway, obwohl sie ihn von hier aus nicht sehen konnte. Sie befanden sich nur fünfzig Schritte von dem Bankgebäude entfernt, doch wegen der getönten Scheiben konnte sie im Inneren nichts erkennen.
Jared hatte offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht. Am Morgen hatte er ihr penibel erklärt, die Bank läge gerade noch im Douglas County, die Grenze zum Sarpy County verlaufe nur eine halbe Meile weiter südlich. Er war überzeugt, dass die Polizei erst einmal die Zuständigkeit klären müsse, falls es zu einer Verfolgung kam. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb er sich diese Bank ausgesucht hatte. Melanie hatte diese Erklärung beruhigt, denn sie schien ihr ein Indiz dafür zu sein, wie gründlich er alles durchdacht hatte.
Jared fingerte an seiner Armbanduhr herum. Melanie wischte sich wie beiläufig die feuchten Handflächen an der Jeans, um vor Charlie und Jared zu verbergen, wie nervös sie war. Weit und breit war niemand zu sehen, nicht einmal bei dem Autohändler auf der anderen Straßenseite regte sich etwas. Alles war ruhig, beinahe verdächtig ruhig. Sie blickte in den Rückspiegel und sah, wie Jared die beiden Waffen aus seiner Sporttasche holte.