37. Kapitel

9.41 Uhr
Omaha Police Department

»Was wissen wir sonst noch?« fragte Grace. Sie saß mit Pakula in dessen Büro und stellte fest, dass der Kaffee bei der Polizei offensichtlich noch furchtbarer war als der bei der Staatsanwaltschaft. Vielleicht kam es ihr aber auch nur so vor, weil sie an Kramers duftenden Starbucks-Kaffee denken musste.

»Der Schuhabdruck stammt von einem Nike Air, Größe zwölf. Über die Kieselsteine weiß Darcy morgen mehr.« Er sah ihr in die Augen. »Was, wenn sie identisch sind mit denen vor Ihrem Haus?«

»Dann haben wir einen weiteren Grund anzunehmen, dass es Barnett ist.«

»Aber warum sollte er um Ihr Haus schleichen?«

»Soll das ein Witz sein? Er taucht im Gericht auf, vor meiner Reinigung und in dem Supermarkt, in dem ich einkaufe. Er versucht mir Angst einzujagen.«

»Ja, aber wie kann er Ihnen Angst machen, wenn er durch Ihren Garten schleicht, ohne dass Sie etwas davon mitbekommen?«

»Hören Sie, Pakula. Ich bilde mir das nicht ein, und ich erfinde auch nichts.«

»Moment mal, das habe ich nicht behauptet. Ich sage nur, wenn es ihm darum geht, Sie einzuschüchtern, warum dann dieses Versteckspiel? Warum parkt er beispielsweise nicht einfach vor Ihrer Einfahrt und dreht Ihnen eine Nase?«

»Worauf wollen Sie hinaus, Pakula?«

»Sind Sie sicher, dass er nicht in Ihrem Haus war?«

Grace starrte ihn an. Sie mochte sich nicht einmal vorstellen, wie Jared Barnett durch ihre Zimmer spazierte und in ihren Umzugskartons herumwühlte.

»Wir müssen diesen Bastard schnappen«, erwiderte sie.

»Was ist mit der Fahndung? Das Letzte, was ich in den Nachrichten gehört habe, war, dass man den Saturn gefunden hat.«

»Stimmt. Ist am Highway 6 in ein Maisfeld gerast. Zur selben Zeit wurde einem Farmer ganz in der Nähe der Pick-up gestohlen. Er hat den Diebstahl nicht beobachtet, als der Mann nach Hause kam, war der Wagen einfach weg. Die Täter müssen im Gewitter durch das Feld geflüchtet sein und sind dann mit dem Pick-up weiter, ehe die Straßensperren errichtet werden konnten. Die Suche nach dem Wagen läuft. Die kommen nicht weit.«

»Okay, großartig. Dann haben wir ihn vielleicht heute noch. Falls es tatsächlich Barnett ist, kommt er nie wieder auf freien Fuß.« Grace schob ihren Kaffee beiseite und stand auf, um sich zu strecken. Auf Pakulas Schreibtisch herrschte ein noch größeres Chaos als auf ihrem. Sie konnte sich nicht erinnern, unter all den Akten jemals die Tischplatte gesehen zu haben. »Was ist mit der Überlebenden?«

»Ihr Zustand hat sich nicht verbessert, sie liegt immer noch im Koma. Die Ärzte wissen nicht, ob sie das Bewusstsein jemals wieder erlangt. Klingt nicht gut.«

»Ich muss zurück.« Sie zerknüllte ihren Pappbecher und warf ihn in Pakulas Papierkorb, der heute ausnahmsweise einmal nicht überquoll. »Oh, fast hätte ich es vergessen. Max Kramer möchte uns einen Deal vorschlagen. Seine Klientin will unseren Supermarkt-Räuber gesehen haben und kann ihn angeblich identifizieren.«

»Nein, was für ein Zufall. Wer ist denn die Klientin?«

»Eine gewisse Carrie Ann Comstock.«

»Sie machen Witze. Diese drogenabhängige Nutte würde nicht mal ihre eigene Mutter erkennen, wenn sie ihr über den Weg liefe.«

Grace zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich haben Sie Recht. Aber interessieren würde mich schon, auf wen sie mit dem Finger zeigen will.«

Pakulas Telefon klingelte, und er hob die Hand in einer vertrauten Geste, die bedeuten sollte: Warten Sie einen Moment.

»Pakula«, meldete er sich. »Ja.« Er wartete, nickte zuerst und schüttelte dann den Kopf. »Heilige Scheiße!« Er klopfte so heftig mit dem Bleistift auf einen Notizblock, dass Grace nur darauf wartete, dass die Spitze abbrach. »Nein, wir treffen uns dort.« Er warf den Hörer auf die Gabel.

»Haben sie den gestohlenen Pick-up gefunden?«

»Ja. Aber wie sich herausgestellt hat, haben der Stiefsohn des Farmers und dessen Freunde sich den Wagen heimlich ausgeliehen. Und wer weiß, wo die Bankräuber inzwischen sind. Wir fangen praktisch wieder bei null an.« Er schnappte sich sein Jackett von der Sessellehne und nahm es über den Arm. »Ich melde mich später bei Ihnen.«

Er war schon fast aus dem Büro, da drehte er sich um, kam zurück und blieb vor ihr stehen. »Ich schicke einen Streifenwagen in Ihre Gegend. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie mir nicht in den Hintern treten, wenn Sie ihn zufällig entdecken.«

Er war zur Tür hinaus, ehe sie antworten oder ihm danken konnte.