30. Kapitel
2.35 Uhr
Zentimeter für Zentimeter schob sich Andrew den Flur entlang. Aus der Küche kamen immer noch Geräusche, und der bläuliche Schein des Kühlschranklichts erhellte die gegenüberliegende Wand. Er sah den Schatten eines nach vorne gebeugten Körpers.
Der Mistkerl durchsuchte seinen Kühlschrank, das war seine Chance. Mit drei langen Sätzen war Andrew in der Küche und hob die Kleiderstange, jederzeit bereit, zuzuschlagen.
Die Frau fuhr herum, die Augen weit aufgerissen vor Schreck. Sofort hob sie beide Arme vor ihr Gesicht, um den Schlag abzuwehren. Andrew hielt inne.
»Wer sind Sie? Und was zum Teufel tun Sie da?« Sie sah völlig verdreckt aus, ihre Kleidung war mit Lehm verschmiert, und die schmutzig blonden Haare hingen ihr über die Augen.
Ihr Gesicht war blutunterlaufen, obwohl kaum zu erkennen war, wo der Bluterguss aufhörte und der Schmutz anfing, eine Wange war aufgeschürft.
»Ich habe gefragt, was zum Teufel Sie hier tun?« Er bemerkte, dass sie über seine Schulter hinwegsah. Dann spürte er den Luftzug, roch den Regen und wusste, dass die Tür zur Veranda offen stand. Langsam drehte er sich um, ohne jedoch die Frau aus den Augen zu lassen. Die kleine Lampe, die er angelassen hatte, stand in der Ecke auf dem Boden, und ihr schwacher gelber Schein reichte aus, dass er die beiden Männer draußen sehen konnte. Einer saß am Tisch, der andere stand hinter ihm. Sie schienen genauso schmutzig und durchnässt zu sein wie die Frau.
»Was wollen Sie?« fragte er. Inzwischen war seine Angst in Zorn umgeschlagen. Zorn nützt mir in dieser Situation mehr, sagte er sich und umfasste die Kleiderstange wieder fester.
»Wir mussten vor dem Gewitter flüchten«, erklärte einer der Männer und rückte sich auf dem Stuhl zurecht. Es war zu dunkel auf der Veranda, als dass Andrew sein Gesicht hätte erkennen können.
»Hatten Sie einen Unfall?« Andrew sah wieder die Frau an.
Ihr Blick wanderte zwischen ihm und dem anderen Mann hin und her, wobei sie es vermied, Andrew in die Augen zu sehen.
Sie stand still, die Hände in den Taschen ihrer Jeans, doch sie schien nervös zu sein.
Da sie nicht antwortete, blickte er hinüber zu dem anderen Mann. Er war jetzt näher an die Fliegengittertür getreten und betrachtete sie, als habe irgendetwas daran sein Interesse geweckt.
»Ja, man könnte sagen, dass wir einen Autounfall hatten.«
Etwas an der Art, wie er das sagte, veranlasste Andrew, die Kleiderstange fester zu packen. Er überlegte, ob er es schaffen könnte, zur Tür zu springen, sie zuzuschlagen und abzuschließen, bevor die merkten, was er vorhatte. Dann hätte er es nur noch mit der Frau zu tun. Er musterte sie erneut.
Sie war nicht sehr groß, durchnässt und wirkte ängstlich.
Ja, sie hatte Angst, das sah er ganz deutlich. Aber er war sich auf einmal nicht sicher, ob ihre Angst ihm oder den beiden Männern auf der Veranda galt.
»Eine schlimme Nacht mit diesem verdammten Unwetter.«
Andrew versuchte seine Stimme möglichst ruhig klingen zu lassen. Er ging durch den Raum, als wolle er zum Fenster, um hinauszuspähen. »Es sieht aber ganz so aus, als wäre das Schlimmste vorbei.«
Nur noch ein paar Schritte, und er wäre an der Tür. Aber verdammt, was sollte er mit der Kleiderstange machen? Er brauchte die Hand, um die Tür zuzuknallen und abzuschließen.
»Ich kann Sie nach Louisville fahren«, erbot er sich und glaubte immer noch, den Überraschungseffekt auf seiner Seite zu haben. Er war nur noch zwei Schritte von der Tür entfernt, als der andere Mann aufstand. Er hob die Hand wie zum Gruße, eine so beiläufige Bewegung, dass Andrew sie kaum beachtete. Die Waffe sah er erst, als es bereits zu spät war.
Im gleichen Moment erfüllte eine Explosion den Raum.