Marquessac, 27. Juli 2013
Alle Plätze des Kontrollraums sind besetzt. Über die diversen Bildschirme flimmern Videosequenzen. Die Bildqualität ist schlecht, die Tonqualität ist noch schlechter. Es gibt so viele Aussetzer, dass man kaum versteht, was gesprochen wird. Sekundenlang sieht man ein schwarz-weißes Standbild einer Frau, die in einem stummen Schrei den Mund aufgerissen hat.
»Geht das nicht besser?«, zischt die Oberin eine der Frauen neben sich an.
Dienstbeflissen dreht diese an irgendwelchen Knöpfen, aber das scheint die Übertragung eher noch schlechter zu machen.
Eine der Frauen in der weißen Ordenstracht schiebt einen Kopfhörer etwas von ihrem Ohr weg, um ihr Wort an die Oberin zu richten. »Wir empfangen schon seit ein paar Tagen Nachrichten aus Kuba.«
»Wieso erfahre ich erst jetzt davon?«, schnauzt die Oberin die Frau an.
»Wir haben versucht, die verrauschten Signale zu entschlüsseln, und bis jetzt ist es uns nicht gelungen«, erklärt die Frau sachlich, ohne dass ihre Stimme entschuldigend klingt.
Endlich läuft das Bild weiter, wird für einen Moment klar und zeigt Daymara Gonzales. Sie sieht erschöpft aus und die Verzweiflung, die diese Frau ausstrahlt, lässt jede Unterhaltung in dem Kontrollraum verstummen.
»… nicht geschlossen halten. Ich erwarte Anweisungen«, sagt sie. Mit einer Hand presst sie sich an die Schulter. Das T-Shirt, das sie trägt, ist dort blutgetränkt.
»Das kubanische Tor«, flüstert jemand neben der Oberin. »Daymara und Rosibel Gonzales … die kubanischen Hüterinnen …«
»Das Tor darf auf keinen Fall geschlossen werden«, bellt die Oberin in das Mikrofon. »Was denkt sie sich nur?«, sagt sie, aber anscheinend nicht an Daymara gerichtet.
Wieder flimmert das Bild, Daymara scheint angestrengt auf das zu hören, was aus ihrem Headset kommt, dann schüttelt sie den Kopf.
»Sie scheinen nicht zu verstehen, Mutter Oberin«, hört man die Stimme kurzzeitig klar und laut, dann verschwindet das Bild, ein Rauschen legt sich über den Ton. »Es ist unmöglich, dieses Tor noch zu halten.«
»Auf keinen Fall. Hören Sie. Auf keinen Fall darf dieses Tor endgültig versiegelt werden!«, schnauzt die Oberin den flimmernden Bildschirm an. »Sie haben keine Ahnung, was das für Auswirkungen auf die zwei noch existierenden Tore hat! Es wäre eine Katastrophe!«
Die Stimme von Daymara ist kaum zu verstehen, obwohl sie offensichtlich gerade schreit. Im nächsten Moment füllt ihre Stimme dröhnend den gesamten Raum aus.
»Es sind HUNDERTE, die aus dem Tor kommen. Es ist UNMÖGLICH, sie aufzuhalten. Die Energie…so etwas hat es in der ganzen Geschichte des Ordens nie gegeben. Die Energie ist so stark, dass man das Gefühl hat … die Erde würde explodieren …«
Dann ist es eine Weile still, das Bild erscheint wieder, in sich verschoben, sodass man Daymara nicht mehr erkennt.
»Wir entsenden Verstärkung. Habt ihr verstanden?«, schreit die Oberin in ihr Headset. »Es darf auf keinen Fall endgültig geschlossen werden!«
Unwirsch packt sie eine der Funkerinnen am Arm. »Wiederholen Sie das! Es darf nicht geschlossen werden. Auf keinen Fall!«
Die Oberin schlägt wütend mit der Faust auf den Tisch vor sich. Das Bild zerfällt in graue und schwarze Striche.