Vordringen der Osmanen auf dem Balkan
Fürst Lazars Untergang (1389)
Konstantinopel, die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches, fiel bekanntlich erst 1453 an die Türken. Aber knapp an ihr vorbei, beinahe unter ihren Mauern, liefen schon seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Eroberungszüge der Osmanen, die um 1300 die Nachfolge der Seldschuken als Führungsmacht in der Türkei angetreten hatten und sich nun anschickten, die christliche Herrschaft über Kleinasien zu beenden und nach Europa auszugreifen. Dadurch verlor das Byzantinische Reich ständig an Substanz.1352 fiel mit Tzympe am Marmarameer die erste Festung auf dem Balkan. Türkische Heere eroberten Ortschaften in Thrakien. 1361 war Adrianopel an der Reihe. Die Expansion folgte der alten römischen Heerstraße, der Via Egnatia. 1385 erreichte sie die albanische Küste. Thessalonike gelangte in die Hand der Türken, Makedonien wurde tributpflichtig.
Um das Königreich der Himmel
In Serbien regierte in dieser Zeit Fürst Lazar Hrebeljanović. Es gelang ihm, den serbischen Adel zum Kampf gegen die türkischen Invasoren zu einigen. Am 28. Juni 1389, dem St.-Veits-Tag, traf das serbische Ritterheer, verstärkt durch ein Kontingent aus Bosnien, auf dem Amselfeld (Kosovo polje) bei Priština auf die muslimische Armee unter Sultan Murad I. Nach der Legende bot dieser eine hohe Belohnung an, falls Lazar sich ergäbe. Doch dem erschien der Prophet Elias und mahnte, dass es nicht um irdische Güter, sondern um das Königreich des Himmels gehe. Daraufhin lehnte der Serbe die Kapitulation ab.
Mythos Amselfeld
Im großserbischen Nationalismus, der sich Ende des 19. Jahrhunderts bildete und während des Zerfalls des jugoslawischen Staates in den 1980er und 1990er Jahren wieder zu erheblichem Einfluss gelangte, spielt der Mythos vom Amselfeld eine bedeutende Rolle. Serbien feiert sich darin als aufopfernder Verteidiger des Abendlandes gegen den Islam. 1989, im Jahr der 600. Wiederkehr des Tages der Schlacht, pilgerte eine halbe Million Menschen zum orthodoxen Kloster Gracanica, der letzten Ruhestätte des von der serbischen Kirche heilig gesprochenen Fürsten Lazar. Seine Gebeine wurden anschließend auf einer Rundreise in verschiedenen Klöstern ausgestellt, die in Gebieten lagen, die Serbien für sich beanspruchte. Bei der Feier am historischen Ort sprach der serbische Präsident Slobodan Milošević am 28. Juni 1989 vor einer Million Zuhörern und schloss sein Gedenken an die altserbischen Helden mit den Worten: „Nach sechs Jahrhunderten stehen wir wieder im Kampf. Es ist kein bewaffneter, aber ausgeschlossen ist nicht, dass es einer wird.“ Zwei Jahre später begann mit dem Einmarsch der serbisch dominierten Bundesarmee in Slowenien der Krieg auf dem Balkan.
Die Schlacht verlief äußerst blutig, die Zahl der Gefallenen, die die zeitgenössische Chronistik nennt (20 000 Tote auf beiden Seiten), ist jedoch sicher zu hoch gegriffen. Beide Heerführer kamen im Kampf ums Leben. Der Sieg allerdings gehörte den Türken, die fortan die Oberhoheit über Serbien ausübten. Ein Kreuzzug, den ein europäisches Heer, dem u.a. Franzosen, Burgunder, Deutsche, Engländer, Ungarn, Polen, Italiener und Spanier angehörten, im Frühjahr 1396 gegen die Türken unternahm, vermochte daran nichts zu ändern. Schlecht geführt, ging er in der Schlacht von Nikopolis (Bulgarien) unter. Bis 1521 nahmen die Türken Serbien vollständig in Besitz. Dabei vollzogen sich bedeutende Verschiebungen der Bevölkerung: Viele Serben wanderten nach Ungarn aus, in die freigewordenen Gebiete Zentralserbiens rückten Albaner nach. Ein selbständiger serbischer Staat erstand erst wieder nach dem Berliner Kongress 1878.