Grundgesetz des ersten Kaiserreichs
Die Goldene Bulle (1356)
Im Deutschen Reich galt im Mittelalter das Prinzip des Wahlkönigtums, wenn auch zunächst unter Beachtung des Geblütsrechts; man hielt sich daran, Mitglieder einer bestimmten Familie zu wählen. So kamen die Ottonen, Salier und Staufer auf den Thron. Die Wahl selbst verlief ohne fest geregeltes Wahlverfahren, aber letztlich in der Weise, dass der Stammesadel der vier Hauptstämme (Franken, Schwaben, Sachsen, Bayern) das Stimmrecht ausübte. Auch die geistlichen Fürsten wählten zunächst als Angehörige ihrer Stämme; erst im 11. Jahrhundert bildeten sie einen eigenen Wahlkörper. Dazu muss man wissen, dass ein geistlicher Fürst (z.B. ein Erzbischof) genauso Ländereien besaß und Lehensherr war wie ein weltlicher Fürst.
Wahl durch die Kurfürsten
Im Lauf der Zeit schälte sich eine Gruppe von zunächst vier, dann sechs, schließlich sieben Fürsten heraus, die bei einer Wahl unbedingt dabei sein sollten. Es waren die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen. Da die übrigen Fürsten immer weniger Interesse an der Königswahl zeigten, verengte sich der Kreis der Wähler letztlich auf die sieben, die man „Kurfürsten“ (von „küren“ = wählen) nannte. Dies Verfahren wurde bei den Königswahlen von 1257 erstmals praktiziert. Aus dem alleinigen Wahlrecht der Kurfürsten leiteten diese dann bald das Recht zur Absetzung des Königs ab. Beim Kurverein von Rhense (1338) traten sie zum ersten Mal als organisierte Körperschaft auf.
Mit der „Goldenen Bulle“ von 1356, die das alleinige Wahlrecht der Kurfürsten bestätigte, wurde der Schlusspunkt unter die Entwicklung gesetzt. Bei der Wahl galt fortan das Mehrheitsprinzip. Außerdem erhielt der König automatisch den Kaisertitel, der Zug nach Rom war nicht mehr nötig. Für den gegenwärtig regierenden deutschen Monarchen, Karl IV., kam diese Regelung zu spät, er hatte sich gerade im Jahr zuvor zum Kaiser krönen lassen. Die Goldene Bulle (sie hieß so wegen des goldenen Siegels), verkündet auf den Reichstagen von Nürnberg und Metz, blieb bis zum Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) in Kraft und war damit das in seiner Wirkung bedeutendste Gesetz, sozusagen das „Grundgesetz“ des ersten Kaiserreiches.
Kulturzentrum Prag
Kaiser Karl IV. gehörte zum Geschlecht der Luxemburger, doch ihren Hauptbesitz hatten diese in Böhmen. Dementsprechend wählte Karl die böhmische Hauptstadt zur Residenz. In seiner langen Regierungszeit als deutscher König (1346–1378) blühte Prag mächtig auf und wurde zur „Goldenen Stadt“. Das bisherige Bistum wurde Erzbistum, man begann mit dem Bau des monumentalen Veitsdomes, der Steinernen Brücke über die Moldau und der Prager Neustadt. Karl gründete die erste deutsche Universität (1348) sowie das Collegium Carolinum (1366). Von besonderer Bedeutung war die Ernennung des Theologen Johann von Neumarkt (um 1310–1380) zum Kanzler. Neumarkt stand im Briefwechsel mit Humanisten in Italien und übersetzte deren Werke ins Deutsche. Er prägte als glänzender Stilist nachhaltig den deutschen Kanzleistil und hatte beträchtlichen Anteil an der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Amts- und Wissenschaftssprache war im Reich bisher hauptsächlich das Lateinische gewesen, Mittelhochdeutsch blieb Dichtersprache. Zwar gab es das Mittelniederdeutsche als brauchbares Medium für die schriftliche Mitteilung, doch war seine Kenntnis und Verbreitung auf den Norden beschränkt.