Unterwegs zu den heiligen Stätten

Pilgerschaft

„Der Wunsch, ein Pilger zu sein, ist tief in der Natur des Menschen verwurzelt,“ schreibt der Historiker Steven Runciman. „Selbst dort zu stehen, wo jene einst standen, die wir verehren, und mit eigenen Augen die Stätten zu betrachten, an denen sie geboren wurden, wirkten und starben, verleiht uns ein Gefühl mystischen Zusammenhangs mit ihnen und ist handgreiflicher Ausdruck unserer Huldigung.“ Für den Menschen des Mittelalters war die Pilgerschaft, „peregrinatio“, ein Grundbestandteil seines religiös bestimmten Lebens. Unablässig strömten die Scharen nach Rom, wo der Apostel Petrus den Märtyrertod gestorben war, zum Monte Gargano in Apulien, wo der Erzengel Michael erschienen war, und nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus. Hauptziel aber war immer das Heilige Land, waren die Orte von Jesu Leben und Leiden.

Seit Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, Anfang des 4. Jahrhunderts bei ihren Ausgrabungen in Jerusalem das Heilige Kreuz gefunden hatte (so jedenfalls die Legende), riss der Strom der Pilger nicht ab. Bereits im 5. Jahrhundert soll es in und um Jerusalem 200 Klöster und Hospize gegeben haben, die sich um die Wallfahrer kümmerten. In dieser Zeit begann auch die systematische Sammlung von Reliquien. Die Besetzung Palästinas durch die Araber (635–638) bedeutete nur eine Unterbrechung der Wallfahrt, nicht das Ende. Die muslimischen Behörden duldeten das Christentum im Orient, in den folgenden Jahrhunderten nahm die Zahl der Pilger wieder zu.

Wallfahrt als Buße

Wann Pilgerfahrten erstmals als kanonische Bußen auferlegt wurden, ist nicht festzustellen. Spätestens im 10. Jahrhundert aber war die Überzeugung verbreitet, dass man beim Besuch einer heiligen Stätte auch Vergebung der Sünden erlange.

Reliquien

Die Phänomene finden sich in vielen Kulturen: Ahnenkult, der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod, Aufbewahrung heiliger Gegenstände. Das Christentum verband sie in der Reliquienverehrung. Zugrunde lag die Auffassung, dass die Seele über den Tod hinaus mit dem Leib in Verbindung bleibe und in dessen Überresten (lateinisch „reliquiae“) als besondere Kraft weiterwirke. Die Reliquie galt als Vergegenwärtigung des Heiligen auf Erden. „Primärreliquien“ waren die Gebeine von Aposteln und Märtyrern. Zu den „Sekundärreliquien“ zählte alles, was der Heilige besessen oder berührt hatte, vor allem aber sein Grab. Höchste Verehrung genossen Reliquien, die von Jesus und seiner Mutter stammten. Wegen beider leiblicher Auferstehung und Himmelfahrt konnten das kaum körperliche Überreste sein, dafür umso mehr sekundäre: Kleider und Utensilien, die Krippe aus dem Stall zu Bethlehem, die Passionswerkzeuge wie das Kreuz, die Dornenkrone und die Lanze, mit der die Kriegsknechte Jesu Leib durchstochen hatten. Verwahrt wurden die Reliquien zumeist an oder unter Kirchenaltären, im Hochmittelalter wurde es üblich, sie in kostbare Behälter, sogenannte Reliquiare, einzuschließen.

Durch die Kreuzzugbewegung fand dann ein erstaunlicher Prozess der Umdeutung statt. Bislang war ungeschriebenes Gesetz gewesen, dass der Pilger auf seiner Reise keine Waffen trage. Die Päpste des ausgehenden 11. Jahrhunderts dachten jedoch anders darüber. Sie verbanden die Idee des Heiligen Krieges gegen die Feinde des Glaubens mit der jedermann geläufigen (und bis dahin friedfertigen) Pilgerschaft zum Programm einer bewaffneten Wallfahrt nach Jerusalem, wie es Urban II. 1095 auf dem Konzil von Clermont zur Vorbereitung des Kreuzzuges nach Jerusalem vortrug.

Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
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