Bonifaz VIII. überreizt seine Karte

Das Papsttum im Avignonesischen Exil (1309-1376)

Das Ende der Staufer Mitte des 13. Jahrhunderts schien den endgültigen Triumph des Papsttums zu bedeuten. Der Niedergang des Reiches beraubte die Päpste jedoch ihrer weltlichen Stütze. Bald zeigte sich, dass die päpstliche Macht hauptsächlich auf der Schiedsrichterrolle zwischen den Gewalten beruht hatte; eine ausreichende weltliche Machtbasis war nicht vorhanden. Die päpstliche Lehenshoheit hatte in dieser Zeit mehr und mehr nur symbolische Bedeutung. Die Entwicklung zum Landesstaat, die gerade in der staufischen Epoche deutlich wird, führte immer klarer zur inneren Aushöhlung des Lehenssystems.

Bulle „Unam sanctam“

Bonifaz VIII. (Benedetto Caetani), 1294 zum Papst gewählt, versuchte noch einmal das Ruder herumzureißen und den Primat des Papstes mit aller Deutlichkeit zu demonstrieren. Statt im geistlichen Ornat trat er bisweilen mit den Reichsinsignien geschmückt auf. Er deklarierte das Jahr 1300 zum Jubeljahr (erstes Heiliges Jahr der Kirche). Die Huldigungen, die er dabei auch von Fürsten und hohen Herren erfuhr, und der große Strom der Pilger, der Rom überschwemmte, ließen ihn jedes Maß verlieren.

Bonifaz’ Gegner war der französische König Philipp IV. der Schöne (1285–1313). Im November 1302 verkündete Bonifaz in der Bulle „Unam sanctam“ die weltliche Vorherrschaft des Papsttums. Als der König Protest einlegte, beschied ihn Bonifaz kühl, dass er nicht die Herrschaft über Frankreich beanspruche, wohl aber die über seinen Herrscher. Damit hatte er seine Karte überreizt. Philipp organisierte im Bund mit der italienischen Fürstenfamilie Colonna einen Putsch gegen den Papst mit dem Ziel, ihn nach Frankreich zu bringen, damit er sich vor einem Konzil verantworte.

Daraus wurde vorerst nichts, weil aufgebrachte Bürger von Anagni den Papst, der sich in ihrer Stadt, übrigens seinem Heimatort, aufhielt, vor dem Zugriff schützten. Bonifaz starb wenig später, als gebrochener Mann. Mit Klemens V. (Bertrand de Got), der 1305 den Stuhl Petri bestieg, fand König Philipp den gefügigen Mann, den er brauchte; allerdings hatte er diesmal bei der Wahl auch mit viel Geld nachgeholfen. Klemens, selbst Franzose und Erzbischof von Bordeaux, folgte dem Gebot des französischen Königs und zog 1309 mit der päpstlichen Hofhaltung nach Avignon um. In der Stadt an der Rhone begann das Exil der Päpste, auch „babylonische Gefangenschaft der Kirche“ genannt, das bis 1376 dauern sollte.

Üppige Hofhaltung

Das Exil der Päpste in Avignon war ein bequemes, von „Gefangenschaft“, wie gerne behauptet wurde, konnte keine Rede sein. Um die Kirche St-Étienne wurde ein Palast errichtet, der Platz für eine üppige Hofhaltung bot. Kunstsinnige Päpste ließen ihn mit wertvollen Fresken versehen. Auch für die Kirchenorganisation war der Aufenthalt in Avignon von Vorteil. Hier nämlich bekam die päpstliche Finanzverwaltung erst ihre volle Ausbildung. Ein Heer von Sekretären, Notaren, Auditoren und Pönitentiaren wachte darüber, dass die aus der christlichen Welt zusammenlaufenden Einnahmen richtig verbucht wurden. Aus den persönlichen Nachlässen der Geistlichen, aus Jahrgeldern der Ämter, aus Gebühren für Gnadenbriefe und Privilegien zog das Papsttum großen Gewinn. Auch in die Besoldung der Arbeitskräfte hielt das Geldwesen nun Einzug. Früher war das Personal nur mit Naturalien entlohnt worden, die Geistlichen mit Benefizien, d.h. den Erträgen kirchlicher Pfründen. Nun erhielten sie in bestimmten Abständen Gehalt, inklusive Zuschüssen für Kleidung und Wohnen.

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