Leif Erikssons „Vinland“
Wikinger entdecken Amerika (um 1000)
Dass nicht Kolumbus der erste Europäer war, der einen Fuß auf amerikanischen Boden setzte, sondern dass diese Ehre wikingischen Seefahrern gebührt, die um das Jahr 1000 bereits den Nordatlantik überquerten, galt den Kennern der nordischen Überlieferung schon immer als ausgemachte Sache. Den Beweis erbrachten allerdings erst die Ausgrabungen in L’Anse aux Meadows an der Küste Neufundlands in den 1960er Jahren, bei denen eine wikingische Siedlung zu Tage kam.
Der Aufbruch der Wikinger in Richtung Nordwesten, der vermutlich im frühen 9. Jahrhundert einsetzte, hatte als erstes Ziel West-schottland und die nordatlantischen Inselgruppen, Färöer, Shetlands, Orkneys, Hebriden, gehabt. Es fand von vornherein eine reine Landnahme statt, teils friedlich, teils auch mit Gewalt, indem die keltische Urbevölkerung aus den fruchtbaren Küstenregionen verdrängt wurde. Die Siedlungsbewegung in Form eines „Inselspringens“ erreichte um 870 Island, das auch von Auswanderern aus Norwegen direkt angesteuert wurde.
Das Ende der Grönländer Kolonie
Das Land war auch damals nicht grün, aber sein Entdecker, der Wiking Erik der Rote verstand sich darauf, eine Sache gut zu verkaufen. Als er Interessenten für ein Siedlungsprojekt auf der Insel warb, gab er als Namen des Landes „Grönland“, grünes Land, an. Der Werbetrick hatte Erfolg: 985 oder 986 brach von Island aus eine Flotte nach der arktischen Insel auf. Doch obwohl damals noch günstigeres Klima herrschte als heute, so waren die Lebensbedingungen auf der Insel nicht die besten. Es gelang nicht, Getreide heimisch zu machen, auch Obst und Früchte gediehen nicht, die Menschen lebten von der Viehhaltung, von der Jagd und vom Fischfang. Mit Pelzen und Walrosszähnen, dem hochbegehrten Material für Elfenbeinarbeiten, bezahlten die Grönländer die dringend notwendigen Importe wie Getreide, Malz, Holz oder Eisenwaren. Der bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts noch regelmäßig betriebene Schiffsverkehr kam später ins Stocken und hörte um 1400 ganz auf. Seefahrer, die Ende des 16. Jahrhunderts die Insel „wiederentdeckten“, trafen keinen Nachfahren der frühen Kolonisten mehr an.
Der Sprung hinüber
Nach der Entdeckung Grönlands (982) gründeten wagemutige Seefahrer auch am Rande des Gletschereises Niederlassungen. Von dort gelang einigen von ihnen, bekannt wurde vor allem der in Island geborene Leif Eriksson (um 975– um 1020), der Sprung hinüber zur nordamerikanischen Küste. Der Wiking fand, vermutlich an der Baffininsel und an Labrador vorbei nach Süden segelnd, schließlich ein Land mit mildem Klima, in dem er zu überwintern beschloss. Lachse gab es dort in Mengen, es war so warm, dass das Vieh draußen bleiben konnte, und sogar Weintrauben konnte man finden, weswegen Leif den Landstrich Vinland (Weinland) taufte. Mit einer Fracht von Bauholz, einem auf Grönland besonders raren Artikel, um dessen willen die Fahrt wohl überhaupt unternommen worden war, kehrte Leif Eriksson im folgenden Frühjahr in die Heimat zurück. Andere folgten seinem Beispiel und segelten ebenfalls hinüber. Richtig Fuß fassen konnten die Nordmänner allerdings nicht; nach Auseinandersetzungen mit eingeborenen Indianern gaben sie ihre Ansiedlungen auf.
Wo Leif Erikssons Vinland genau gelegen hat, konnte bisher nicht ermittelt werden, noch hat die Archäologie außer den Funden von L’Anse aux Meadows nichts beibringen können. Der Runenstein von Kensington (Minnesota), mit dem eine Wikingerexpedition tief nach Nordamerika hinein „bewiesen“ sein soll, muss als Fälschung des 19. Jahrhunderts angesehen werden.