Frauenverehrung in kunstvollen Versen
Der deutsche Minnesang
„Minne“ war einer der Hauptbegriffe der ritterlich-höfischen Kultur. Er bedeutete so viel wie „Liebe, liebende Verehrung“, und es rankte sich darum ein ganzes Geflecht von gesellschaftlichen Formen und Normen. „Minnedienst“ meinte die Hingabe des in aussichtsloser Liebe entbrannten Ritters an eine hochgestellte verheiratete Frau. Ihre Unerreichbarkeit spornte gerade zu besonders intensivem und einfallsreichem Werben um ihre Gunst an. Ihr widmete der Ritter seine Kämpfe auf Turnieren und im Krieg, zu ihrem Preis schuf und sang er zur Fidel oder Harfe Lieder, die allerdings nie den Namen der Dame nennen durften und stets gebändigt zu bleiben hatten.
Treue und Beständigkeit
Sich-Mäßigen und Bescheiden lautete das Gebot in jeder Situation, „mâze“ hatte der entflammte Ritter zu üben. Weitere Eigenschaften, die er von sich selbst verlangte, waren „triuwe“ (Treue) und „stæte“ (Beständigkeit). Dieser „hohen Minne“ entsprach in direkterer Form die Verehrung von Frauen geringeren Standes („niedere Minne“), wie sie in den etwas später einsetzenden Mädchenliedern mittelhochdeutscher Dichter Ausdruck fand.
Wesentliche Impulse empfing die literarische Form des Minnesangs in kunstvollen Reimstrophen wohl von den südfranzösischen Troubadours (von „trobar“ = finden). Diese wiederum hatten Einflüsse orientalischer Lyrik aufgenommen. Ihre Abenteuer- und Liebesgesänge, in der südfranzösischen Volkssprache, dem Okzitanischen gedichtet, setzten um die Mitte des 11. Jahrhunderts ein, der deutsche Minnesang nahm ein Menschenalter später den Ton auf und erreichte trotz Übernahme vieler formaler Muster eine durchaus eigene lyrische Intensität.
Blüte und Verfall
Die Vertreter des frühen Minnesangs – zu nennen sind der Kürenberger und Dietmar von Aist – bereiteten seit etwa 1180 die Blütezeit vor, die mit Namen wie Friedrich von Hausen, Heinrich von Morungen, Heinrich von Veldeke und Hartmann von Aue verbunden ist. Eine Sonderstellung nimmt Walther von der Vogelweide ein. Nachklänge finden sich bei Neidhart von Reuental († um 1240) und bei fahrenden bürgerlichen Sängern, die in ihrer „dörperlichen Dichtung“ noch stärker an Motive der mittellateinischen Vagantendichtung anknüpften, wie sie in der Sammlung „Carmina burana“ aufbewahrt ist. Mit Ulrich von Lichtensteins († 1275) Klage über den Verfall ritterlicher Zucht endete die Epoche des deutschen Minnesangs.
Walther von der Vogelweide
Er gilt als der größte deutschsprachige Lyriker des Mittelalters. Walther von der Vogelweide (um 1170–1230) ließ die Konventionen der Sängerzunft weit hinter sich, bezog Alltagserfahrungen und Naturerlebnisse in seine Dichtung mit ein und war sich nicht zu schade, auch einmal vom Ideal der „hohen Minne“ abzurücken, die Reize der Landmädchen zu preisen und von erotischer Erfüllung zu singen. Von Walther stammen Gedichte, die das Ritterethos feiern und zum Kreuzzug rufen, ebenso aber auch innige Marienlieder und Absagen an „Frau Welt“. Am Ende steht ein Altersrückblick („Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!“), in dem er desillusioniert Abschied von seiner Zeit nimmt. Vollends von seinen dichtenden Standesgenossen hob ihn aber sein politisches Engagement ab. In seinen „Reichssprüchen“ nahm er Stellung zu den brennenden Fragen der Zeit. Der Dichter geißelte die Geldgier der Kirche und den Machtanspruch des Papstes, er mahnte die Herrscher an die Heiligkeit und Würde ihres Königtums und forderte sie zu Frieden und gerechter Regierung auf.