Von Brügge bis Nowgorod
Die Anfänge der Hanse (12./13. Jh.)
Hanse bedeutet „Schar“, es meinte ursprünglich den Zusammenschluss von Personen. Kaufleute schlossen sich zusammen, um gemeinsam die Gefahren einer Reise in die Fremde zu bestehen; aus der Verfolgung gleicher Ziele erwuchs eine Genossenschaft mit festen Regeln, schließlich ein Bund von Handelsstädten, der den Staaten West-, Nord- und Osteuropas gegenüber als gleichberechtigter Partner auftreten konnte.
Privilegien von Richard Löwenherz
In der Stauferzeit gewann der Bund Kontur. Um 1157 besaßen die Kölner Kaufleute ein eigenes Haus in London, die Guildhall. 1194 gestattete Richard Löwenherz ihnen den freien Verkehr und Marktbesuch im ganzen Land, auch Hamburger und Lübecker Kaufleute gründeten Niederlassungen in England. Im Zusammenhang mit der deutschen Ostsiedlung entstanden, beginnend mit Lübeck, zahlreiche Handelsstädte entlang der Ostsee. Über die Insel Gotland lief der Handel mit dem russischen Nowgorod, das seinerseits zentraler Markt für die Waren aus dem russischen Hinterland (vor allem Pelze) war. Die Genossenschaft der deutschen Gotlandfahrer trug dann auch wesentlich dazu bei, dass sich die Hanse zu einer überregionalen Organisation entwickelte. Aus Schweden bezogen die deutschen Kaufleute vornehmlich die Produkte des eben erschlossenen Bergbaus.
Lübeck
Metropole des Nordens und Führungsmacht der Hanse war Lübeck, eine Gründung des Holsteiner Grafen Adolfs II. (1143), der Heinrich der Löwe seit 1160 zum Aufstieg verhalf. Um 1300 betrug Lübecks Einwohnerzahl ca. 15 000. 1226 erhielt Lübeck von Kaiser Friedrich II. die Reichsfreiheit verliehen (sie galt bis 1937). Über seinen Hafen verliefen bedeutende Handelsströme, sowohl in Nord-Süd-, als auch in Ost-West-Richtung. Salz, Heringe, Tuche waren die hauptsächlich umgeschlagenen Waren, dazu kamen Aktivitäten in Zusammenhang mit der Missionstätigkeit des Deutschen Ordens. Was Venedig für die Pilgertransporte ins Heilige Land bedeutete, das stellte Lübeck als Ein- und Ausschiffungshafen für den Verkehr mit Preußen dar. Ein weiterer, hochbedeutender „Exportartikel“ war das Lübische Recht. Lübecks Verfassung, ganz auf die Interessen der tonangebenden Fernhändlerschicht zugeschnitten, wurde von mehr als 100 Städten im Ostseeraum übernommen.
Wichtigstes Handelsgut, geradezu ein Symbol der Hanse, war der Hering. Die Dänen fingen ihn in den Gewässern vor der Südwestküste Schonens, deutsche Händler kauften ihn, mit Lüneburger Salz wurde er haltbar gemacht und in Rostocker Tonnen zu den Verbrauchern befördert. Auch mit Norwegen gab es Handelsbeziehungen, Bremer Kaufleute unterhielten schon früh eine Niederlassung in Bergen, im 13. Jahrhundert wurde der Ort auch in das System des Ostseehandels einbezogen. Norwegen lieferte den Stockfisch, das heißt an der Luft getrockneter Kabeljau, der vor allem in Fastenzeiten in der christlichen Welt nachgefragt wurde. Im Austausch brachten die Deutschen Getreide, das in dem kargen Nordland oftmals dringend gebraucht wurde.
Flandern mit seiner reichen Tuchproduktion war ein weiteres Handelsziel, das Kontor in Brügge sollte zu einem der wichtigsten ausländischen Stützpunkte der Hanse werden. Von dort führten Handelswege weiter nach Frankreich und zur Iberischen Halbinsel. Um 1280 war die Bildung der Gesamthanse unter Lübecker Führung abgeschlossen, mit Handelssperren gegen Brügge (1280/1282) und gegen Norwegen (1284/1284) zeigte die Organisation, welche Macht sie inzwischen gewonnen hatte.