Handelsverbindungen zwischen China und Europa
Die Seidenstraße
China war nicht unerreichbar. Schon zu Zeiten des Römischen Reiches wanderten Handelskarawanen zwischen dem Reich der Mitte und Europa hin und her. Sie benutzten ein System von Straßen und Pfaden, das als Seidenstraße bekannt ist. Es begann in China in Tunhwang am oberen Hwangho und führte zum Salzsee Lop nor, wo es sich in zwei Routen teilte, die eine nördlich, die andere südlich am Tarimbecken entlang. Bei Kaschgar vereinigten sich die Routen wieder. Über Fergana und Samarkand im heutigen Usbekistan ging es weiter nach Merw (heute Mary) in Turkmenistan, dann durch Persien nach Bagdad und schließlich nach Damaskus. In den syrischen Mittelmeerhäfen konnte die Ware auf Schiffe umgeschlagen werden. Unterwegs gab es Abzweigungen, etwa von Kaschgar nach Indien oder von Samarkand nach Trapezunt am Schwarzen Meer, wo wiederum Anschluss an den Schiffsverkehr bestand.
Ende eines Monopols
Der Westen lieferte nach China Gold, Jade, Pferde, Metall und Delikatessen und erhielt Tee, Porzellan und als Hauptimportgut Seide. Die Herstellung der kostbaren Faser, zu der die Seidenraupe den Grundstoff lieferte, war Staatsgeheimnis in China. Erst im 6. nachchristlichen Jahrhundert soll es Kaufleuten aus Konstantinopel gelungen sein, Eier der Seidenraupe nach Europa zu schmuggeln. In Gegenden, die sich klimatisch dafür eigneten, v.a. in Süditalien und Andalusien, wurde seitdem Seidenraupenzucht betrieben, wodurch das chinesische Monopol gebrochen war.
Durch Gebirge, Steppen und Wüsten
Der Handel auf der Seidenstraße kam deswegen nicht zum Erliegen. Bis zur Öffnung des Seeweges nach Indien Ende des 15. Jahrhunderts blieb der Karawanenweg die einzige Route, auf der ein Warenaustausch zwischen Ost und West stattfinden konnte. Der Verkehr blühte auch und gerade in der Zeit, da die Mongolen sich in Vorderasien ausbreiteten; sie ließen dem Handel freie Hand. Das Abendland bekam, vermittelt durch islamische Zwischenhändler, die Waren und Güter, die es daheim nicht gab: Räucherwerk, Färbemittel, exotische Gewürze, Porzellan und – chinesische Seide, die natürlich nach wie vor ihre Liebhaber hatte.
Marco Polo
Sein Vater Nicolò Polo und sein Onkel Matteo, Kaufleute aus Venedig, waren bereits 1260–1269 beim Großkhan Kubilai in China gewesen und mit dem Auftrag zurückgekehrt, europäische Gelehrte zu einer Reise nach China zu bewegen und Öl von der Lampe am Grab Christi mitzubringen. Als die Polos 1271 wieder nach Fernost aufbrachen, war Nicolòs Sohn Marco (1254–1324) mit dabei. Mit Briefen und Geschenken des Papstes reisten sie auf dem Landweg über Persien, Afghanistan und durch die Wüste Gobi zur Residenz des Großkhans in Peking. Marco Polo, der rasch die chinesische Sprache und Schrift lernte, erwarb sich die Zuneigung des Mongolenherrschers, der ihn mit Kurierdiensten betraute und schließlich sogar zum Provinzstatthalter ernannte. Nach 17 Jahren ließ der Khan seine venezianischen Gäste wieder heimreisen. In Diensten des Khans hatte Marco Polo tiefe Kenntnisse über das Reich der Mitte erworben, doch erst eine erzwungene Muße als Gefangener der Genueser im Krieg von 1298/99 gab ihm Gelegenheit, seine Reiseerlebnisse zu Papier zu bringen. Sie wurden zu einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters, auch wenn die Zeitgenossen die Angaben über die Bevölkerungszahlen der chinesischen Städte nicht glauben mochten und dem weitgereisten Mann den Spitznamen „messer miglione“, Herr der Millionen, anhängten.