Papst gegen König
Der Gang nach Canossa (1076/77)
1073 kam ein Mann auf den Stuhl Petri, der es mit dem päpstlichen Machtanspruch besonders ernst meinte. Gregor VII. (Hildebrand) hatte seine geistliche Ausbildung in Cluny oder einem anderen Kloster der Kluniazenser, damals Träger der Kirchenreform, bekommen. Im „Dictatus Papae“, einer programmatischen Schrift vom März 1075, legte Gregor VII. die Leitsätze seiner Kirchenpolitik nieder. Ausgehend vom Primat des Papsttums innerhalb der Kirche sowie von dessen Vorrangstellung gegenüber der weltlichen Gewalt forderte er die Unterordnung der Kaiser und Könige unter seine geistliche Herrschaft: „Des Papstes Füße allein haben alle Fürsten zu küssen.“ Neben dem Verbot der Priesterehe und der Simonie (des Ämterkaufs) trat der Kampf gegen die Laieninvestitur in den Vordergrund, da der Papst das alleinige Recht auf Ein- und Absetzung der Bischöfe beanspruchte.
Investiturstreit
Der unausweichliche Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, der Investiturstreit, entzündete sich an der Besetzung des Erzbistums Mailand. Heinrich IV. gab 1075 das Amt an einen Mann seiner Wahl, den königlichen Kaplan Thedald, was heftigen Protest mit Bannandrohung durch Gregor VII. zur Folge hatte. Heinrich IV. sah darin wiederum einen Angriff auf die königliche Herrschaft. Er konnte sich auf eine romfeindliche Stimmung im deutschen Episkopat verlassen; auf der Wormser Reichsversammlung im Januar 1076 wurde der „falsche Mönch“ Gregor wegen ungültiger Wahl für abgesetzt erklärt. Dieser antwortete umgehend mit Exkommunikation und Absetzung des Königs und der Lösung aller Eide, die Heinrich geleistet worden waren.
Das Wormser Konkordat
Der Investiturstreit fand weder zu Papst Gregors VII. Lebzeiten noch zu denen seines Widersachers Heinrich IV. († 1106) einen Abschluss. Erst Heinrichs IV. Sohn, Kaiser Heinrich V. (1106–1125) konnte sich mit der Kirche in Rom auf einen Kompromiss verständigen: Das Wormser Konkordat von 1122 legte den Verzicht des Kaisers auf die Einsetzung der Bischöfe und Reichsäbte fest. Als Gegenleistung gestattete der Papst dem Kaiser, bei den Wahlen anwesend zu sein und die Lehenshuldigung des geistlichen Fürsten entgegenzunehmen. Das von den Ottonen im 10./11. Jahrhundert begründete Reichskirchensystem mit der vom König abhängigen hohen Geistlichkeit war damit aufgegeben.
Oppositionelle Reichsfürsten beschlossen daraufhin auf einem Fürstentag in Tribur, Heinrich abzusetzen, falls er sich nicht binnen Jahresfrist vom Bann löste.
Mit dem Gang nach Canossa im Januar 1077 – Heinrich erschien auf der Burg der Markgräfin Mathilde von Tuszien als Büßer vor dem Papst – konnte der König die Lösung vom Bann erreichen. „Canossa“ gilt seitdem als Symbol für die äußerste Demütigung, die einem Politiker passieren kann.
Ende Gregors VII.
Der Bußgang Heinrichs IV. hinderte die deutschen Fürsten nicht daran, Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig zu wählen. Doch Heinrich triumphierte militärisch über seinen Widersacher und konnte auch eine Anfang 1084 einsetzende Abfallbewegung in Rom (13 Kardinäle sagten sich von Gregor los) ausnutzen, um in die Stadt einzuziehen und sich von dem als Gegenpapst gewählten Klemens III. (Wibert) zum Kaiser krönen zu lassen. Gregor hatte sich in der Engelsburg verschanzt, sein Vasall, der Normannenherzog Robert Guiscard, befreite ihn, konnte sich aber in der Stadt nicht halten und nahm den Papst mit auf seinem Rückzug in den Süden. Gregor starb im Exil in Salerno am 25. Mai 1085.