Goten, Wandalen, Langobarden
Germanische Staatsgründungen auf römischem Boden (4.-8. Jh.)
Den Römern waren die Germanen immer unheimlich. Sie fürchteten den Kampfesmut der Völker aus dem Norden jenseits der Alpen. Aber sie bewunderten sie auch wegen ihres Familiensinnes und der Reinheit ihrer Sitten.
Die Grenze zwischen dem Römischen Reich und Germanien war zwar militärisch gesichert, aber auch durchlässig, für Kaufleute zum Beispiel, die ihre Waren im Norden an den Mann (und an die Frau) brachten. Erzeugnisse aus der verfeinerten Kultur des Mittelmeerraumes fanden so ihren Weg ins wenig entwickelte Land. Germanen verdingten sich als Söldner im römischen Heer. Denn Kriegführen, das wusste schon der römische Schriftsteller Tacitus, war eine Beschäftigung, die bei den Germanen hoch im Kurs stand, „gilt es doch bei ihnen als schlapp und unwürdig, sich im Schweiße seines Angesichts das mühsam zu erarbeiten, was man im blutigen Kampfe erringen kann.“
Reichsteilung
Rom hatte schon verschiedentlich einzelnen germanischen Stämmen erlaubt, sich in seinem Herrschaftsgebiet anzusiedeln. Daraus wurde, angestoßen durch das Vordringen der Hunnen in Osteuropa Ende des 4. Jahrhunderts, eine Massenbewegung, die Völkerwanderung. In dieser Zeit bestand das Römische Reich aus zwei Teilen. Die Trennung war 395 erfolgt, es gab seitdem einen Kaiser im Osten, in Konstantinopel, und einen im Westen, in Rom bzw. in Ravenna, wohin die Residenz 402 verlegt wurde. Ostrom überstand die Völkerwanderung, der Westen aber wurde überflutet. 410 wurde Rom von den Westgoten geplündert, 455 von den Wandalen. Die großen Grundbesitzer verweigerten die Steuerzahlung, die Währung verfiel, Räuberbanden zogen umher. 476 setzte der Germanenfürst Odoaker in Ravenna den letzten Kaiser ab, einen siebzehnjährigen Jüngling namens Romulus. Die Zeitgenossen nannten ihn höhnisch „Augustulus“, der kleine Augustus, um anzudeuten, wie weit das Reich seit den Tagen des großen Augustus heruntergekommen war.
Ostgotenkönig Theoderich
Seine Herrschaft begann mit einem Mord: Theoderich, König der Ostgoten (* um 456, † 526), brachte 493 seinen Onkel Odoaker um und trat an dessen Stelle als Herr über Italien. Es gelang ihm seine Herrschaft über große Teile des ehemaligen Weströmischen Reiches auszudehnen und auch die Anerkennung der Kaiser in Ostrom zu gewinnen. Wirtschaftlich und kulturell bedeutete seine Regierung eine Blütezeit für Italien, doch blieben Gegensätze, die nicht zu überbrücken waren: Seine Goten traten nicht nur als Herren auf, sie bekannten sich nach Meinung der einheimischen Bevölkerung zum verkehrten Glauben, gehörten sie doch wie viele christianisierte Germanenstämme der arianischen Richtung an, die von den Päpsten in Rom als Abweichler bekämpft wurde. Die Nachwelt verlieh Theoderich dennoch den Titel „Der Große“, die Sage feiert ihn als „Dietrich von Bern“ (Bern = Verona).
Germanische Stämme ließen sich nach Wanderungen über hunderte oder gar tausende Kilometer auf römischem Boden nieder und gründeten eigene Staaten: die Westgoten in Südfrankreich und Spanien, die Wandalen in Nordafrika, die Ostgoten und die Langobarden in Italien, die Franken in Belgien und Nordfrankreich.
Die germanischen Staaten in der Fremde sollten aber nicht lange halten. Bis auf das der Franken gingen sie bald wieder unter, zuerst (534) das Reich der Wandalen, zuletzt (774) das der Langobarden. Die Ursache hierfür ist vor allem darin zu sehen, dass die Einwanderer als „Herrenschicht“ im Land isoliert blieben und es vermieden, sich mit der ansässigen Bevölkerung gemein zu machen.