Kriegerschicht mit verfeinerter Kultur
Das Rittertum
Zahlreiche zeitgenössische Darstellungen bewahren sein Erscheinungsbild: Hoch zu Ross, bewaffnet mit Schwert und Lanze, geschützt durch Panzer, Helm und Schild, so zieht der Ritter in den Kampf. Die Bildnisse verschweigen zumeist das Hilfspersonal, den Knappen, der dem Ritter unentbehrliche Dienste als Waffenträger und Helfer im Kampf leistete und die Pferde betreute, von denen der Ritter mehrere besaß, ein Streitross für die Schlacht, ein Marschpferd, das Pferd des Knappen und womöglich noch eines für den Transport der Ausrüstung.
Das Rittertum war im Frankenreich aus der Notwendigkeit entstanden, längere und größere Kriegszüge zu führen, für die das Volksheer mit seinen bäuerlichen, an die Zyklen von Saat und Ernte gebundenen Aufgeboten nicht mehr in Frage kam. Bereits unter Karl dem Großen gab es die Verordnung, dass nur wer ausreichend Grundbesitz hatte (den er von anderen bewirtschaften lassen konnte) auch zum Heeresdienst ausrücken sollte. Mit dem Bevölkerungswachstum des 10. Jahrhunderts verbreiterte sich diese Kriegerschicht. Zugang gewannen nun auch die sogenannten Ministerialen, ehemalige Unfreie, die ein Amtslehen besaßen und damit den gesellschaftlichen Aufstieg einleiteten.
Ventil für die Rauflust
Eine ganz und gar auf den Kampf eingestellte Gruppe war nicht leicht zu integrieren, die Rauflust der Ritter barg ein ständiges Gefahrenpotential für die gesellschaftliche Ordnung. Dem begegnete die Kirche mit einer Friedensbewegung, die das Fehdewesen einzuschränken suchte und den Rittern neue Aufgaben zuwies. Die Kreuzzüge boten da die besten Möglichkeiten, im Kampf um die heiligen Stätten des Christentums gewann das Rittertum seine eigentliche Ausprägung. Hier bildete sich das Ideal des christlichen Ritters, des Beschützers der Schwachen und des Streiters für den Glauben, heraus. Es fand seinen reinsten Ausdruck in den geistlichen Ritterorden, die im 12. Jahrhundert im Heiligen Land gegründet wurden.
In dieser Zeit entwickelte das Rittertum auch seine charakteristische Kultur, sowohl das stark ritualisierte Kampfspiel des Turniers mit dem Schaugepränge, das darum entfaltet wurde, als auch eine Gesellschaftsdichtung, die der abendländischen Literatur den Minnesang und die großen Epen, zeitgemäße Umgestaltungen alter Sagenstoffe, schenkte. Die ökonomischen Veränderungen im Spätmittelalter (Ablösung der Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft) und die Neuerungen im Kriegswesen (zunehmende Verwendung von Söldnerheeren und Einführung der Feuerwaffen) entzogen dem Rittertum die wirtschaftliche und militärische Basis. Seine Ideale aber lebten fort, „Ritterlichkeit“ wurde zu einer Wertvorstellung, die der hohe Adel so gut wie das Bürgertum pflegen konnte.
Das Nibelungenlied
„Uns ist in alten mæren wunders vil geseit …“ Das Nibelungenlied, entstanden um 1200 vermutlich im Raum Passau, nimmt altgermanische Heldensagen von Siegfried dem Drachentöter, von der Walküre Brünhild und von Dietrich von Bern auf, Geschichten, in denen dunkle Mächte, Schuld, Verhängnis und Rache, eine bedeutende Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht die burgundische Königstochter Kriemhild, die nach der Ermordung ihres Mannes Siegfried ihr ganzes Leben nur noch unter den Zweck stellt, den Mörder zur Strecke zu bringen. Über diesem archaischen Untergrund aber erhebt sich die Welt des hochmittelalterlichen Rittertums in glänzender Fülle. Liebevoll sind die höfischen Bräuche, der Minnedienst, die Kampfspiele, die Landpartien und Jagden geschildert.