26
»Das waren natürlich kleine Fische«, erzählte Franzl seinem Schulfreund Jakob, der wieder hellwach geworden war, indessen die Achsen des Waggons hetzten und die Pfeife der Lokomotive klagend schrie. »Die Großen mit den Devisen, das ist mein Rebbach, nach wie vor! Mein ursprüngliches Gebiet, nicht wahr? Ich arbeite schwer, mein Lieber. Dauernd unterwegs. Ab und zu muß ich halt auch so einen Devisenschieber hochgehen lassen! Da blutet mir jedesmal das Herz! Aber es lohnt sich! Ich habe interessante Verbindungen angeknüpft. Unsere Aktionen erstrecken sich bereits fast über ganz Europa.«
»Was kann man dabei verdienen?«
»Millionen, mein Bester, Millionen! Wir haben aber auch ein Millionen-Dollar-Gehirn als Boß, kann ich dir sagen. Der will dich sprechen. Und da sagst du nein?«
»Wer hat nein gesagt?« erkundigte sich Jakob.
(Gebt mir sieben Jahre Zeit …)
»Du!«
»Da mußt du dich aber verhört haben, mein Guter.« Jakob kroch wieder in seine Hosen und machte sich präsentabel. Was für eine unruhige Nacht … »Wo müssen wir hin?«
»Nach vorn. Übernächster Wagen. Erste Klasse. Einzelabteil.«
»Vorwärts, Kamerad«, sagte Jakob.
Nachdem sie ihr Abteil versperrt hatten (es gab so viele kriminelle Subjekte in jenen Tagen!), schlingerten sie zum übernächsten Wagen vor. Hier klopfte der Franzl an eine Abteiltür, dreimal lang, einmal kurz, zweimal lang. Die Tür ging auf.
»Da ist Herr Formann, Boß«, sagte Franzl demütig.
Jakob sah in das Abteil. Der Boß lag im unteren (und einzigen) Bett. Der Boß war kein Mann. Der Boß war eine Frau. Eine Frau in einem sehr ausgeschnittenen roten Seidennachthemd, eine sehr schöne Frau mit hellblauen Augen und blauschwarzem Haar, das ihr über die bloßen Schultern fiel.
Jakob klappte gegen das Gangfenster zurück.
»Der Werwolf!« keuchte er.
In der Tat, er war es.
Präziser gesagt: Es war die Werwölfin.