25

Der Schlüssel der Zellentür im Wiener Landesgericht drehte sich geräuschvoll im Schloß. Die Zelle teilte Franzl schon seit vier Monaten mit einem ehemaligen Gauredner und Goldenen Parteigenossen. Die beiden hatten sich rasch befreundet und spielten gerade eine Partie Schach. Nun blickten sie interessiert auf. Man schrieb den 22. April 1946.

Der ihnen bekannte freundliche Wärter mit dem Glasauge ließ einen Herrn in Schlotterzivil eintreten.

»Tut mir leid, daß ich stören muß«, sagte der Schlotterzivilist (er schlotterte, abgemagert, in einem alten Anzug, der ihm einmal gepaßt hatte), »aber ich habe mit Ihnen zu sprechen, Herr Arnusch. Sie, Herr Gloggnitz, möcht’ ich bitten, inzwischen mit dem Herrn Wärter draußen auf dem Gang zu warten. Dies ist ein Gespräch unter vier Augen!«

»Scheiße«, sprach der Arnusch Franzl, »in drei Zügen wären Sie matt gewesen, Herr Gloggnitz. Na ja, wie es eben so geht im menschlichen Leben.« Die Redensart liebte der Franzl und gebrauchte sie häufig. Seine Zellentür fiel zu. Der Schlüssel drehte sich wieder. Dort, wo der Gauredner gesessen hatte, saß jetzt der Schlotterzivilist. Er sah sich das Schachbrett an und schüttelte den Kopf.

»Wie kann der Trottel seinen König derartig bloßstellen?«

»Nicht wahr? Und so was war Gauredner! Wundert es Sie da, daß wir den Krieg verloren haben? Übrigens, mit wem habe ich die Ehre?«

»Doktor Schostal«, sagte der Abgemagerte.

»Aha«, sagte Franzl.

»Von der österreichischen Zollbehörde! Ich komme im Auftrag des Alliierten Kontrollrats!«

»Aha«, sagte der Franzl zum zweitenmal.

»Ich komme ohne jeden Umschweif zur Sache«, versprach Dr. Schostal. »Sie«, er stach mit einem Finger nach Franzl, »Sie kennen doch alle prominenten Schieber in Österreich und in Deutschland. Die Großen und die Kleinen. Die Devisenschieber! Auf dem Gebiet sind Sie doch ein Genie!«

»Was ist los? Wollen Sie mir Komplimente machen?«

»Genau das will ich. Wir suchen sie, diese ganz großen Schieber! Merken Sie noch immer nichts?«

»Ich glaube schon«, sagte der Franzl.

»Na also! Dann kommen Sie doch zu uns, Herr Arnusch! Wir brauchen Sie!«

Eine halbe Stunde später (es mußten noch gewisse Bedingungen festgelegt werden, die Franzl stellte), verließ Jakobs Schulfreund in Begleitung Dr. Schostals die Zelle.

»Auf Wiedersehen«, sagte der freundliche Wärter aus purer Gewohnheit. Das irritierte den Franzl ein wenig.

Er wurde (als Tarnung) Chef eines Teams zur Bekämpfung des Zigaretten-Schwarzhandels. Daneben hatte er Spezialaufträge, die ganz großen Devisenschieber betreffend. Zu diesem Zweck erhielt er Pässe, Ausweise, Visa, die Erlaubnis zu reisen und Geld.

Nun reiste der Franzl. Viel und weit!

Er kümmerte sich aber auch um die nicht so Großen, zum Exempel eben um die Zigarettenschieber. Mit drei echten Zollbeamten ging er auf Pirsch. Bei Schwechat, in der Nähe von Wien, wo dreißig Jahre später ein gewaltiger Flughafen stehen sollte, machten sie einen fetten Fang: Sie erwischten einen Lastwagen mit zwei Millionen Zigaretten. Die drei echten Zollbeamten freuten sich und dachten an Beförderung. Der Franzl klärte sie auf: »Unter- oder Oberbeamter, das ist doch alles Unsinn! Titel sind leerer Wahn. Geld allein macht glücklich. Eine Million behalten wir uns, die andere liefern wir ab.«

So geschah’s. Alle waren zufrieden.

Einen zweiten Laster erwischten sie bald danach, als dessen Motor, mit der schweren Fracht den Riederberg heraufkeuchend, streikte und der Fahrer aussteigen mußte. Das Team war rasch zur Stelle und beschlagnahmte drei Millionen Zigaretten. Franzl teilte brüderlich. »Glatte Rechnung, gute Freunde«, sagte er. »Der Staat kriegt nichts, denn der Staat ist nicht unser Freund …«

Hurra, wir leben noch
cover.html
haupttitel.html
navigation.html
chapter1.html
chapter2.html
chapter3.html
chapter4.html
chapter5.html
chapter6.html
chapter7.html
chapter8.html
chapter9.html
chapter10.html
chapter11.html
chapter12.html
chapter13.html
chapter14.html
chapter15.html
chapter16.html
chapter17.html
chapter18.html
chapter19.html
chapter20.html
chapter21.html
chapter22.html
chapter23.html
chapter24.html
chapter25.html
chapter26.html
chapter27.html
chapter28.html
chapter29.html
chapter30.html
chapter31.html
chapter32.html
chapter33.html
chapter34.html
chapter35.html
chapter36.html
chapter37.html
chapter38.html
chapter39.html
chapter40.html
chapter41.html
chapter42.html
chapter43.html
chapter44.html
chapter45.html
chapter46.html
chapter47.html
chapter48.html
chapter49.html
chapter50.html
chapter51.html
chapter52.html
chapter53.html
chapter54.html
chapter55.html
chapter56.html
chapter57.html
chapter58.html
chapter59.html
chapter60.html
chapter61.html
chapter62.html
chapter63.html
chapter64.html
chapter65.html
chapter66.html
chapter67.html
chapter68.html
chapter69.html
chapter70.html
chapter71.html
chapter72.html
chapter73.html
chapter74.html
chapter75.html
chapter76.html
chapter77.html
chapter78.html
chapter79.html
chapter80.html
chapter81.html
chapter82.html
chapter83.html
chapter84.html
chapter85.html
chapter86.html
chapter87.html
chapter88.html
chapter89.html
chapter90.html
chapter91.html
chapter92.html
chapter93.html
chapter94.html
chapter95.html
chapter96.html
chapter97.html
chapter98.html
chapter99.html
chapter100.html
chapter101.html
chapter102.html
chapter103.html
chapter104.html
chapter105.html
chapter106.html
chapter107.html
chapter108.html
chapter109.html
chapter110.html
chapter111.html
chapter112.html
chapter113.html
chapter114.html
chapter115.html
chapter116.html
chapter117.html
chapter118.html
chapter119.html
chapter120.html
chapter121.html
chapter122.html
chapter123.html
chapter124.html
chapter125.html
chapter126.html
chapter127.html
chapter128.html
chapter129.html
chapter130.html
chapter131.html
chapter132.html
chapter133.html
chapter134.html
chapter135.html
chapter136.html
chapter137.html
chapter138.html
chapter139.html
chapter140.html
chapter141.html
chapter142.html
chapter143.html
chapter144.html
chapter145.html
chapter146.html
chapter147.html
chapter148.html
chapter149.html
chapter150.html
chapter151.html
chapter152.html
chapter153.html
chapter154.html
chapter155.html
chapter156.html
chapter157.html
chapter158.html
chapter159.html
chapter160.html
chapter161.html
chapter162.html
chapter163.html
chapter164.html
chapter165.html
chapter166.html
chapter167.html
chapter168.html
chapter169.html
chapter170.html
chapter171.html
chapter172.html
chapter173.html
chapter174.html
chapter175.html
chapter176.html
chapter177.html
chapter178.html
chapter179.html
chapter180.html
chapter181.html
chapter182.html
chapter183.html
chapter184.html
chapter185.html
chapter186.html
chapter187.html
chapter188.html
chapter189.html
chapter190.html
chapter191.html
chapter192.html
chapter193.html
chapter194.html
chapter195.html
chapter196.html
chapter197.html
chapter198.html
chapter199.html
chapter200.html
chapter201.html
chapter202.html
chapter203.html
chapter204.html
chapter205.html
chapter206.html
chapter207.html
chapter208.html
chapter209.html
chapter210.html
chapter211.html
chapter212.html
chapter213.html
chapter214.html
chapter215.html
chapter216.html
chapter217.html
chapter218.html
chapter219.html
chapter220.html
chapter221.html
chapter222.html
chapter223.html
chapter224.html
chapter225.html
chapter226.html
chapter227.html
chapter228.html
chapter229.html
chapter230.html
chapter231.html
chapter232.html
chapter233.html
chapter234.html
chapter235.html
info_autor.html
info_buch.html
impressum.html
hinweise.html