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»Aaaaaahhh!«
Mit einem Entsetzensschrei fuhr die Edle in ihrem Bett im Schlafzimmer ihrer schönen Villa im Münchner Prominentenviertel Bogenhausen in die Höhe. Es war noch früh am Morgen – genau 6 Uhr 32.
»Wie kommen Sie hierher, Formann?«
»Mit dem Fahrrad.«
»Ich meine: Wie kommen Sie hier herein, Formann?«
»Durchs Fenster, Baronin. Es war offen.«
»Aber ich schlafe im zweiten Stock!«
»Draußen sind Streben mit Weinlaub, und ich bin ein sehr guter Kletterer.«
»Was wollen Sie eigentlich von mir? Sind Sie irre geworden?«
»Das werden Sie gleich sehen, Baronin.« Weiß Gott, das wird sie, dachte Jakob, aus den Hosen steigend. Den ganzen Weg von Frankfurt bis München über hatte er seine Wut auf die Edle am Kochen gehalten. Jetzt war sie am Überkochen. Weg mit dem Hemd! Raus aus der Unterhose! Und rauf auf die Edle!
Sie kreischte (bis Jakob ihr den Mund zuhielt) und kratzte und trat und schlug, doch es half alles nichts.
Jakob war stärker.
»Jetzt bist du dran«, sagte er, während er ihren letzten Widerstand brach (der schon keiner mehr war – Jakob merkte, wie sie nachgab, mehr und mehr). »Jetzt zahle ich’s dir heim. Deine ganze Scheißerziehung, die keine gewesen ist, und das Gesindel, mit dem du mich verrückt gemacht hast!«
Keuchend, den Kopf hin und her werfend (es war das einzige, das sie noch werfen konnte), erlebte die Edle, was sie noch niemals erlebt hatte. Es brachte sie fast um den Verstand. Man bedenke: Eine Frau mit der Veranlagung dieser Edlen! Ein Mann! Und dieser Mann macht mit ihr, aus kaltem Haß und siedend heißem Zorn, die wüsteste Chinesische Schlittenfahrt seines Lebens!
So wüst war diese Fahrt, daß selbst Jakob, der Sportgestählte, eine Stunde später mit schlackernden Knien wieder in seine Hosen fuhr.
Die Edle aber lag zitternd vor völlig ungewohntem Entzücken und in totaler Schwäche auf dem Bett, unfähig, ein Glied zu rühren, unfähig, eine Silbe hervorzubringen, und so lauschte sie denn hilflos dem, was Jakob ihr noch zu sagen hatte, nämlich dieses: »Also. Sehr Edle und Sehr Mächtige Frau Baronin« (rein ins Hemd, die Knöpfe schließen können wir später) »von Lardiac, Edle Frau und Gerichtsherrin von Valtentante« (Jacke), »erbliche Palastdame am Hof« (linker Socken, linker Schuh), »von Jerusalem zufolge des Privilegs, verliehen der sehr ruhmreichen« (rechter Socken, rechter Schuh) »Familie Lardiac durch Kaiser Friedrich den Zweiten, späterhin König von Jerusalem« (tiefes Atemholen) – »ist Ihnen das jetzt obszön genug gewesen?«