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»Niggerlover! Niggerlover! Niggerlover!«
Im Eingang des Leichenschauhauses stürzten sie sich dann auf Jakob, zehn, zwölf, fünfzehn. Sie hatten ihn kommen sehen mit den beiden Leibwächtern. Sie hatten gewartet.
»Kill him! Kill him! Kill him!«
Sie fielen über ihn her. Es war ein Kräfteverhältnis, das ihnen Vertrauen verlieh. Jakob bekam eine Fahrradkette quer über das Gesicht. Dem Schlag mit einer Eisenstange auf seinen Schädel entging er durch eine blitzschnelle Bewegung. Er ließ sich über den dreckigen Boden rollen. Er erwischte eine andere Eisenstange. Er sprang hoch, den Rücken zur Wand. Und nun verlor er jede Beherrschung. Sein Haß, seine Trauer, sein Zorn brachen durch. Jakob schlug mit der Eisenstange zu – auf Schädel, Schultern, Arme. Wie ein Rasender kämpfte er.
Die Stange wirbelte durch die Luft. Blut rann über Jakobs Stirn. Blut spritzte von anderen Stirnen. Die ersten vom ›White trash‹ (›Weißen Abschaum‹) lagen bereits zu seinen Füßen. Aber er schlug weiter und weiter und weiter, wie eine Maschine, er wollte nun selber töten, töten, töten!
Er war von Sinnen. Sie versuchten zu flüchten. Er rannte ihnen nach. Er schlug sie im Laufen zusammen.
Eine Sirene erklang ganz laut.
Ein Laster mit schwerbewaffneten Soldaten hielt neben ihm. Der Mob raste davon. Soldaten sprangen vom Verdeck. Fünf Mann waren nötig, um Jakob festzuhalten, um ihm die Eisenstange zu entwinden, um ihn auf das Verdeck zu werfen. Der Schmerz, den er dabei empfand, brachte ihn wieder ein wenig zu sich. Er sah sich um. Rauch. Flammen. Die ganze Stadt schien zu brennen. Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern rasten vorbei.
»Was wollt ihr von mir?« brüllte Jakob.
»Wir bringen Sie ins Hotel! Da sind Sie sicher! Da ist ein Arzt! Der muß Sie behandeln! In das Hotel kommt keiner rein …«
»Ich will nicht ins Hotel!« schrie Jakob. »Ich will … Ich will … Laßt mich los!« Sie ließen ihn nicht los. Der Motor des Lasters heulte auf, er schoß vorwärts über die verwüstete Straße, vorbei an brennenden Häusern und geplünderten Läden.
»Wo sind die beiden Männer, die mit mir ins Leichenschauhaus fuhren?«
»Ihre Leibwächter?«
»Ja. Wo sind die?«
»Die haben wir schon vor einer Viertelstunde ins Krankenhaus gebracht.«
»Krankenhaus?«
»Sie wurden zusammengeschlagen … schwer verletzt … alle beide … Der ›White trash‹ hat sie zuerst überfallen …«
Meine Leibwächter im Krankenhaus. Ich habe doch gleich gesagt, ich brauche keine.
O Jesus, Jesus, Jesus.
Die Sirene des Armeelasters heulte.