XII.
Kaum hatte sich die Tür hinter Philomena geschlossen, fuhr Ermingarde wie von der Tarantel gestochen hoch. »Was bildet sich dieses Miststück ein, uns schurigeln zu wollen? Der werde ich …« Sie brach ab, denn ihr fiel beim besten Willen nicht ein, was sie der anderen antun könnte. Da Philomena oben bei Friederike Fabarius wohnen würde, besaß sie auch das Ohr der Hausherrin und konnte diese jederzeit gegen sie aufhetzen.
Mit einer energischen Bewegung wandte sie sich Ottwald von Trettin zu. »Sie müssen Nathalia unbedingt heiraten! Sonst sind meine Kinder und ich dieser impertinenten Person hilflos ausgeliefert.«
Ottwald von Trettin lächelte sanft. »Dafür muss Laabs erst herausfinden, wie wir uns der Komtess bemächtigen können.«
»… und dieser unsäglichen Lore!«, setzte seine Mutter düster hinzu. »Hast du einen Fotografen gefunden, der bereit ist, die Bilder zu machen?«
Ihr Sohn nickte. »Laabs hat ihn mir besorgt. Der Mann hat schon öfter Aufnahmen von nackten Frauen gemacht.«
»Dann ist ja alles bestens vorbereitet, sowohl das Zimmer im Bordell als auch der Fotograf und unsere Helfer. Jetzt muss nur noch die Falle aufgestellt werden. Aber wir benötigen einen Köder, und das Ganze sollte sehr rasch über die Bühne gehen.« Malwines Stimme klang mahnend, denn die letzten Nachrichten, die ihr der Inspektor aus Trettin hatte zukommen lassen, deuteten darauf hin, dass das Gut wahrscheinlich noch vor dem Herbst den Banken zufallen würde.
»Ich hoffe auch, dass es schnell geht!« Gerhard Klampt hatte den Schock über Philomenas Aussehen und Auftreten noch nicht überwunden und sehnte sich nach einer aufmunternden Ablenkung. »Ich werde zum Hoppegarten fahren und den Pferden beim Training zusehen. Kommen Sie mit, Herr von Trettin?«
Ottwald schüttelte den Kopf. »Nein, Gäule sehe ich zu Hause auf dem Gut genug. Ich muss nachdenken!«
Insgeheim verfluchte er Klampt, der den Problemen des Lebens immer wieder aus dem Weg ging und nur jammerte, wenn etwas nicht so lief, wie er es wollte. Eine große Hilfe war der Mann ihm nicht. Weder konnte Klampt ihn dabei unterstützen, Nathalias habhaft zu werden, noch vermochte er ihm Geld zu leihen. Dabei nahm die Summe, die seine Mutter ihm gegeben hatte, mit jedem Tag mehr ab. Wenn es schlecht lief, würde er sich nicht einmal mehr die Reise nach Ostpreußen für sich und Nathalia leisten können. Als frisch verlobtes Paar war es jedoch unumgänglich, dass sie in einem Abteil erster Klasse fuhren, und sie durften auch bei den Mahlzeiten nicht kleinlich sein.
Einen Augenblick lang fragte sich Ottwald, wie es sein würde, mit einer Frau zusammenzuleben, die er dazu gezwungen hatte. Seine hohe Meinung über sich selbst ließ ihn jedoch zu der Überzeugung kommen, Nathalias Zuneigung innerhalb kürzester Zeit erringen zu können.
Während Gerhard Klampt das Haus verließ, um seinen Neigungen nachzugehen, zog Ottwald von Trettin sich ins Schlafzimmer zurück. Er war gerade dabei, seine Barschaft zu zählen, als seine Mutter hereinkam.
Malwine blickte noch einmal nach draußen, schloss dann sorgfältig die Tür und sah ihren Sohn stirnrunzelnd an. »Hast du wirklich die Absicht, diesen Leuten ein Drittel des Vermögens zu überlassen, welches Nathalia von Retzmann in die Ehe mitbringen wird?«
»Das war die Bedingung für ihre Hilfe«, antwortete Ottwald zögernd.
»Ich kenne Ermingarde und ihre Tochter. Schon bald wird ihnen dieser Anteil zu gering sein, und sie werden wie Blutegel an uns hängen und uns aussaugen.«
Malwines Prophezeiung mochte vielleicht etwas übertrieben sein, doch ihr Sohn konnte ihr nicht widersprechen. »Die Klampts sind ein gieriges Pack, und wir werden ein Auge auf sie haben müssen. Aber mehr Sorge bereiten mir die Ganoven, die mir helfen sollen. Die könnten ebenfalls versuchen, uns zu erpressen.«
Malwine wischte den Einwand beiseite. »Wenn einer von diesem Diebsgesindel aufdringlich wird, gehst du zur Polizei und zeigst ihn wegen Verleumdung an. Jeder Richter wird dir recht geben. Anders ist es jedoch bei den Klampts. Sie sind immerhin Verwandte der Komtess und könnten uns schaden.«
Darüber hatte Ottwald ebenfalls schon nachgedacht, und sein Blick streifte unwillkürlich die Gaslampe, die von der Decke hing. Mit einem selbstgefälligen Lächeln sah er seine Mutter an. »Ich werde mich vorsehen, liebste Mama. Jetzt aber würde ich gerne wissen, mit wie viel Geld du unsere gemeinsame Sache unterstützen kannst. Unser betrügerischer Verwalter hat dir doch gewiss eine höhere Summe angewiesen. Ich werde einiges brauchen, um Komtess Retzmann an mich zu binden und standesgemäß mit ihr auftreten zu können.«