III.

Unterdessen hatten auf Gut Steenbrook die Ferien so richtig begonnen. Als Mary mit ihren Kindern eingetroffen war, hatte Nathalia neben Tinke ein Mädchen aus dem Dorf als zweite Helferin für Fräulein Agathe engagiert, damit sich Lores Atelierpartnerin, deren Kindermädchen in Berlin geblieben war, nicht selbst um Jonny und die kleine Prudence kümmern musste. Allerdings zeigte sich rasch, dass der Junge ebenso wie Wolfi mehr hinter den Gutsknechten herlief, als sich von seinen Hüterinnen am Gängelband führen zu lassen. Marys Sorgen, was ihrem Jungen auf dem Gutshof alles zustoßen könnte, versuchte ihr der Verwalter zu nehmen. »Da müssen Sie keine Angst haben. Meine Leute achten schon auf die beiden Jungs.«

»Ich weiß nicht so recht. Wenn ich da an die scharfen Sensen denke und an die Pferdegespanne …«

»Meine liebe Frau Benecke, Sie tun ja gerade so, als gäbe es in ganz Berlin nur Fußgänger. In der Stadt ist es auf den Straßen viel gefährlicher. Die Droschkenkutscher fahren dort, als erhielten sie für jeden, der ihnen unter die Räder kommt, eine Belohnung. Aber wenn es Sie beruhigt, werde ich die Kleinmagd beauftragen, sich um die Knaben zu kümmern.«

Da das Mädchen gerade ihr zwölftes Lebensjahr vollendet hatte, war Marys Vertrauen in diese Person gering, wie in ihrer Miene eindeutig zu lesen war.

Da mischte sich Nathalia ein. »Das Mädchen wird die Kinder wie ihren Augapfel hüten, Mary. Denn sonst müsste sie fest mit anpacken, und dafür ist sie eigentlich noch zu jung. So aber hat sie vier Wochen vor sich, in denen sie nur leichte Arbeit tun muss.«

Noch nicht ganz überzeugt, wandte Mary sich an Lore. »Und was sagst du dazu?«

»Ich bin überzeugt, dass wir die Knaben ein paar Stunden am Tag in der Obhut der Gutsleute lassen können. Natürlich werden auch wir uns um sie kümmern, denn du Glucke könntest doch nicht ohne deinen Jonny bleiben, und ich will Wolfi und Doro auch eine gewisse Zeit um mich haben. Außerdem geht es mir um Fräulein Agathe. Sie hat Erholung ebenso nötig wie wir, und die bekäme sie nicht, wenn sie sich den ganzen Tag auch um unsere Jungen kümmern müsste. Bei den Mädchen können ihr Tinke und Käthe helfen.«

»Das hast du gut gesagt«, lobte Nathalia ihre Freundin und zwinkerte Zeeb zu. »Die Jungen können also mit aufs Feld. Ich verlasse mich auf Sie, dass nichts passiert. Ich könnte unserer lieben Mary sonst nicht mehr in die Augen sehen, und Lore ebenfalls nicht.«

»Komtess können mir vertrauen.« Der Verwalter wollte sich bereits abwenden, als ihm noch etwas einfiel. »Wann will Graf Trettin Gut Klingenfeld übernehmen?«

»Er wird heute nach Hoya fahren, um bei den Behörden die letzten Formalitäten zu klären. Morgen fahren wir alle nach Nehlen, bleiben dort über Nacht und wagen uns tags darauf in die Höhle des Löwen. Allerdings hat Fridolin sich ausbedungen, dass wir Frauen Klingenfeld erst betreten, wenn es vom Feind gesäubert ist. Er will nicht riskieren, dass noch einmal auf uns geschossen wird!«

Nathalia sagte das so leichthin, als wäre es damals ein amüsanter Ausflug gewesen, doch im Grunde zitterte sie noch immer bei dem Gedanken, was alles hätte geschehen können. »Ich werde froh sein, wenn das erledigt ist«, setzte sie hinzu und fragte anschließend Lore, ob diese mit ihr ausreiten wolle. »Keine Sorge, ich passe mich Sofas Tempo an«, sagte sie lächelnd.

Lore wies auf Mary. »Es wäre sehr unhöflich von uns, unsere liebe Freundin allein zu lassen, findest du nicht auch?«

»Aber Laurie!«, rief Mary aus. »Du tust ja gerade so, als wäre ich ein kleines Kind, das man die ganze Zeit im Auge behalten muss. Ich werde ganz gemütlich auf mein Zimmer gehen und meine Sachen einräumen, ein wenig mit Fräulein Agathe plaudern und mich danach in dem herrlichen Park des Gutes ergehen.«

»Bis dorthin sind wir ohnehin wieder zurück«, erklärte Nathalia lachend. »Länger als eine Viertelstunde hält Lore es noch nicht im Sattel aus. Und so etwas ist die Enkelin eines Freiherrn Trettin auf Trettin!«

»Spotte nur, du …« Lore fiel kein Ausdruck ein, der ihr passend erschien, und musste über sich selbst lachen.

»Was ist denn jetzt so amüsant?«, fragte Nathalia verblüfft.

»Nichts! Ich freue mich einfach nur, dass wir drei wieder einmal zusammen sind und vier herrliche Wochen erleben können. Und nun komm, sonst ist Mary von ihrem Spaziergang zurück, bevor du dein Reitkleid angezogen hast.«

»Wir werden sehen, wer von uns beiden schneller ist«, rief Nathalia und lief ins Haus.

Juliregen
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