II.

Anton öffnete Rendlinger und Grünfelder die Tür und deutete einen militärischen Gruß an, obwohl die beiden Herren während ihrer Dienstzeit bei der Armee nicht über den Stand eines gemeinen Soldaten hinausgekommen waren. Mittlerweile konnten sie über die Offiziere lachen, die zumeist mit ihrem kargen Sold nicht auskamen. Ihr eigener Reichtum bot ihnen im neuen Deutschen Reich mehr Möglichkeiten als jenen Herren mit alten adeligen Namen, welche nicht durch ein nennenswertes Vermögen unterfüttert waren.

Dieses Selbstbewusstsein strahlte Rendlinger aus, als er ins Le Plaisir trat. Sein Blick glitt über Anton hinweg wie über einen Gegenstand, der zwar dazugehört, aber den man selbst nicht mehr wahrnimmt. Als er in den Empfangssalon kam, krauste sich seine Stirn, da er nur die beiden Mädchen sah. Bevor er jedoch seinen Unmut äußern konnte, knickste Hilma vor ihm und gönnte ihm einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté.

»Willkommen, Herr Baron. Ich habe bereits alles für Sie vorbereitet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen!«

Rendlinger sträubte sein Gefieder, als er das hörte. »Warum glaubst du, dass ich dich auswählen würde? Ich kann mir jede Hure in diesem Bordell leisten. Wenn es sein muss, auch alle zusammen!«

»Wenn Sie das wünschen, werde ich Madame sagen, dass sie dies in die Wege leiten soll. Wir sollten dann allerdings Kostüme tragen, besonders Sie, Herr Baron, und zwar das eines osmanischen Paschas oder gar Sultans. Wir wären dann Ihre Haremsdamen.«

Hilmas flinke Antwort besänftigte Rendlingers Unwillen, und er lachte. »Bei Gott, das wäre wirklich ein Spaß. Aber ein scharfes Kartenspiel wäre mir lieber!«

Wie von Zauberhand tauchte ein Stapel Spielkarten zwischen Hilmas Fingern auf. »Auch darauf bin ich vorbereitet, Herr Baron. Um was wollen Sie spielen? Um die Kleidungsstücke, die ich dabei ausziehen soll?«

Jetzt musste Rendlinger lachen. »Warum soll ich um etwas spielen, was sowieso im Preis inbegriffen ist? Nein, ich spiele nur um harte Mark. Oder traust du dich nicht?«

Einen Augenblick schwankte Hilma. Sie hatte sich zwar ein bisschen Geld gespart, doch wenn sie das jetzt im Kartenspiel an Rendlinger verlor, war sie hinterher schlimmer dran als zuvor. Dann aber straffte sie sich und nickte. »Und ob ich mich traue!«

»Du wirst aber nackt sein, wenn wir spielen. Ich will nicht, dass unter Umständen Karten in deinem Ärmel verschwinden!« Rendlinger sagte es mehr im Scherz, doch Hilma nickte eifrig.

»Gerne, Herr Baron!« Für sich sagte das Mädchen, dass Rendlinger wohl kaum auf seine Karten achten würde, wenn sie unbekleidet vor ihm saß und ihre Reize wirken ließ.

Fröhlich lachend folgte der Industrielle dem Mädchen in das größte und am besten ausgestattete Séparée des Le Plaisir, in dem bereits gekühlter Champagner und auf Eis gepackte Austern bereitlagen, und sah mit leuchtenden Augen zu, wie Hilma sich in einem orientalischen Tanz wiegend auszog. Als sie im Schneidersitz auf dem Bett Platz nahm und die Karten mischte, verspürte er eine so starke sexuelle Anspannung, dass er sie beinahe auf der Stelle genommen hätte.

Hilma war jedoch viel zu geschickt, um dies zuzulassen. Sie teilte die Karten aus, verlor zwanzig Mark mit lächelnder Miene und gewann daraufhin fünfzig, um diese umgehend wieder an Rendlinger zu verlieren. So ging es eine ganze Weile hin und her, bis Rendlinger ein unschlagbares Blatt bekam, gegen das Hilma auch mit ihren guten Karten nicht ankam. Jetzt wurde der Stapel Münzen, den sie vor sich aufgebaut hatte, ziemlich klein, und für Augenblicke erfasste sie Panik. Da schob Rendlinger alles Geld zu ihr hinüber und lachte über ihre verblüffte Miene.

»Das hast du dir verdient! Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß wie eben. Wenn du im Bett genauso gut bist, werden wir beide uns noch häufig in diesem Séparée treffen.«

»Im Bett bin ich noch viel besser«, erklärte Hilma mit einem schmelzenden Blick und machte sich daran, ihren Gast zu entkleiden. Sie ging dabei so geschickt vor, dass Rendlinger glaubte, vor Lust zu vergehen.

Doch er kam noch immer nicht zum Zug, denn Hilma schenkte ihm Champagner ein und stieß mit ihm an. »Auf noch viele Male in diesem Séparée!«

»Dafür musst du aber gut sein«, sagte er noch und wälzte sich auf sie. Er wog gut zweihundertfünfzig Pfund und presste sie tief in die Matratze. Ein anderes Mädchen hätte sich vielleicht beschwert, doch Hilma feuerte ihn an und krallte dabei ihre langen, scharfen Fingernägel in seinen Rücken.

Rendlinger stöhnte auf, hielt aber nicht inne, sondern verlor sich in einem Taumel der Lust, aus dem er erst nach etlicher Zeit wieder erwachte. Als er keuchend auf dem Bett lag, hob Hilma den Kopf und flößte ihm Champagner ein, so als wäre sie eine Krankenschwester und er ein schwerkranker Mann. Den Rest des Glases goss sie über ihn aus, und was dann folgte, war für Rendlinger wie ein Eintauchen in ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, in dem er Wonnen erlebte, von denen er bislang nicht einmal zu träumen gewagt hatte.

Juliregen
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