II.

Obwohl Lore häufig mit der Eisenbahn fuhr, war sie diesmal so aufgeregt, als sei es das erste Mal. Bei einem weiteren Besuch auf Klingenfeld hatte Rodegard von Philippstein erneut etliche Boshaftigkeiten von sich gegeben, die sie nicht mit Worten, sondern mit schönen Möbeln beantworten wollte. Diese hoffte sie von dem Gebrauchtmöbelhändler Dausend zu erstehen.

Nathalia und Dorothea verspotteten sie wegen ihrer Nervosität, während Mary sich zurückhielt. Jürgen hatte sein Notizheft aus der Tasche gezogen und fertigte Skizzen von den vier Damen an. Auf Bedienstete hatten sie verzichtet, da Lore nur kurz in Berlin bleiben wollte. Auch ihre Zofe Nele und Nathalias Zofe Christa waren deshalb auf Klingenfeld zurückgeblieben.

Nathalia versuchte nun, den jungen Mann in das Gespräch einzubeziehen. »Was meinen Sie, Herr Göde? Werden wir in Berlin die Möbel bekommen, die unsere liebe Gräfin Trettin sich so wünscht?«

Nachdenklich blickte Jürgen auf. »Ich hoffe es! Leider habe ich diesen Herrn Dausend nicht gesehen und ihn daher nicht über die Herkunft der Möbel befragen können. Auch kann ich es mir kaum vorstellen, dass ein Schlossbesitzer die alten, von seinen Ahnen ererbten Möbel verkauft, um sich neu einzurichten. Vielleicht hat ein weniger von Traditionen geprägter Herr ein Schloss gekauft und den alten Krempel, wie er es nennen dürfte, durch eine moderne Einrichtung ersetzt.«

»Jemandem wie Grünfelder würde ich das zutrauen, und Rendlinger gleich gar!« Lore lachte leise über die beiden Männer, die aus niederen Schichten aufgestiegen und zu Geld gekommen waren. Auch wenn sie sich jetzt Baron Rendlinger und Herr von Grünfelder nennen durften, merkte man ihnen immer noch den Parvenü an. Im nächsten Moment schämte sie sich ihrer boshaften Gedanken, denn diese beiden Männer hatten sich ihren Reichtum mit ihrer Hände Arbeit geschaffen und vermehrten ihn noch, während so mancher hochgeborene Herr sein stattliches Erbe mit Nichtstun verprasste.

»Ich wollte, wir wären schon da«, seufzte sie.

Jürgen blickte zum Fenster hinaus. »Es wird nicht mehr lange dauern, wir haben bereits die ersten Vororte von Berlin erreicht.«

»Hoffentlich erwartet Herr Dausend uns am Bahnhof! Ich würde die Möbel gerne so rasch wie möglich in Augenschein nehmen, um zu wissen, ob sich die Fahrt gelohnt hat.«

»Wenn er nicht wartet, suchen wir die Adresse auf, die er dir genannt hat. Wie war sie gleich wieder?« Nathalia sah Lore fragend an.

»Görlitzer Straße Nummer hundertvierunddreißig«, antwortete Lore.

»Bist du mir böse, wenn ich nicht mitkomme?«, fragte Mary. »Du weißt, mit Möbeln kenne ich mich nicht so gut aus. Außerdem will ich Dorotheas Besuch im Modesalon vorbereiten.«

»Wir kommen zu dir, sobald wir die Möbel besichtigt und das gekauft haben, was uns gefällt«, versprach Lore.

Sie wusste, dass ihre Freundin sie selbstverständlich begleiten würde, wenn es ihr wichtig wäre. Doch Mary hatte ihre Beine am Vortag über Gebühr angestrengt, und man sah ihr an, dass sie unter Schmerzen litt.

»Übrigens brauche ich ebenfalls ein … nein, besser zwei neue Kleider«, ließ Nathalia sich vernehmen.

Dieser Wunsch kam für Lore überraschend, denn ihre junge Freundin hatte sich bereits im Frühjahr großzügig mit neuer Garderobe eingedeckt. Sie musterte Nathalia und stellte fest, dass diese zwar noch immer einen störrischen Zug um den Mund hatte, ihre Augen aber in einem Licht leuchteten, das sie bisher noch nie bei ihr entdeckt hatte. Wollte Nathalia mit den neuen Kleidern einem Mann imponieren?

Lore richtete ihren Blick unwillkürlich auf Jürgen. Dieser hatte in der kurzen Zeit, seit sie ihn kennengelernt hatte, viel an Selbstsicherheit gewonnen und sich bei der Einrichtung von Klingenfeld als unentbehrlicher Helfer entpuppt. Auch wenn er nicht der Mann war, den sie Nathalia gewünscht hätte, so schien er weitaus besser zu ihr zu passen als Leutnant von Bukow oder Edgar von Gademer, der ständig beweisen wollte, wie überlegen er anderen Menschen war, seinem Großonkel aber um den Bart ging.

»Worüber denkst du gerade nach?«

Mit dieser Frage brachte Nathalia Lore in Verlegenheit. Sie hüstelte, um Zeit zu gewinnen, und setzte dann ein verkrampftes Lächeln auf. »An Herrn Dausend und seine Möbel!«

Nathalia ahnte, dass dies nicht stimmte, wollte aber in Gegenwart der anderen nicht nachfragen. Daher wies sie durch das Fenster auf die Häuser, an denen sie vorbeifuhren, und erklärte, dass sie ihr Ziel gleich erreicht hätten.

Jürgen stand auf, weil er sich um das Gepäck kümmern wollte, während Lore sicherheitshalber den Zettel aus ihrer Handtasche holte, auf dem der Möbelhändler seine Adresse notiert hatte. Sie atmete tief durch und sagte sich, dass sie ihn schelten würde, wenn er sein Versprechen vergessen hatte und nicht auf sie warten würde.

Das war jedoch nicht der Fall. Kaum hatte der Zug den Lehrter Bahnhof erreicht, sah Lore Laabs auf dem Bahnsteig auftauchen und auf die Waggons der ersten Klasse zueilen. Sie stieg als Erste aus und hob die Hand, um sich ihm bemerkbar zu machen. »Hier sind wir, Herr Dausend! Es freut mich, dass Sie gekommen sind.«

»Aber das war doch selbstverständlich, gnädige Frau. So ein gutes Geschäft lasse ich mir ungern entgehen.«

Bei diesen Worten stellte Laabs sich die Belohnung vor, die Ottwald von Trettin ihm versprochen hatte, und er atmete erleichtert auf, als nach Lore eine junge Dame den Zug verließ, die der Beschreibung des Freiherrn nach nur Komtess Nathalia sein konnte. Es handelte sich um ein hübsches, zierlich gewachsenes Mädchen, das ihm unter anderen Vorzeichen als Hure ein Vermögen hätte einbringen können. Viele Männer, die in die Bordelle kamen, mochten Mädchen, die ihnen körperlich so offensichtlich unterlegen waren.

Er schob diesen Gedanken rasch beiseite und verbeugte sich erst einmal vor den Damen. Unterdessen winkte ein junger Mann mehrere Dienstmänner heran und befahl ihnen, sich der Koffer der Gräfin und ihrer Begleiterinnen anzunehmen. Laabs musterte ihn verstohlen und ordnete ihn als harmlos ein. Der Kerl würde Ottwald von Trettins Pläne nicht durchkreuzen.

»Wenn Sie bitte mitkommen wollen!« Laabs winkte, als wären Lore und ihre Begleiterinnen Schulkinder, die ihm anvertraut waren, und ging voraus. Dabei sah er sich immer wieder um, als wolle er sichergehen, dass sie ihm auch folgten.

Auf dem Vorplatz des Bahnhofs blieb Lore stehen und wollte eine Droschke heranwinken.

Da trat Laabs eilig auf sie zu. »Ich habe bereits eine Droschke organisiert, die Sie zu meinem Lager bringen wird!«

Lore wandte sich mit einem Lächeln zu ihm um. »Es geht nicht um mich, sondern um Mrs. Penn. Sie wird nicht mit uns kommen, sondern in ihr Modeatelier fahren, um alles für unseren Besuch dort vorzubereiten.«

Noch während sie es sagte, hielt Jürgen eine Droschke auf und half Mary hinein. Sie hatte nur ihren kleinen Reisekoffer bei sich, denn das Gepäck ihrer Freundinnen würde mit dem Wagen, den die Dienstmänner organisiert hatten, zum Palais Trettin gebracht werden.

Für Laabs war dies eine unliebsame Entwicklung, denn ihm wäre es lieber gewesen, die gesamte Reisegruppe mitzunehmen. So bestand die Gefahr, dass Mrs. Penn sich an die Behörden wandte, wenn die anderen Damen zu lange ausblieben, und nach ihnen forschen ließ. Er wusste jedoch selbst, dass er die Frau nicht dazu zwingen konnte, mit ihnen zu fahren.

Daher machte er einen Witz über die Putzsucht der Damen, die andauernd neue Kleider bräuchten, und sah zu, wie Marys Droschke und der Frachtwagen anrollten. Diejenigen, die ihn begleiteten, führte er ums Karree zu dem Wagen, den der alte Klaas lenkte. Dieser Kutscher hatte auch Anno von Klingenfeld geholfen, die Koffer mit dem Schmuck zu vertauschen, und Ottwald von Trettin und Maxe nach dem Einbruch in Lores und Fridolins Haus gefahren.

Klaas saß mit mürrischer Miene auf seinem Bock und dachte nicht daran, den Frauen in den Wagen zu helfen. Dies blieb Jürgen überlassen, der anschließend mit Laabs zusammen gegen die Fahrtrichtung Platz nahm, währen Lore, Dorothea und Nathalia sich auf der anderen Seite drängen mussten. Dorothea rümpfte die Nase, denn der Wagenkasten roch modrig und war auch nicht besonders sauber.

Nach Lores Meinung war der Gebrauchtmöbelhändler ein sehr sparsamer Mann, weil er einen so herabgekommenen Einspänner gewählt hatte, und sie hoffte, nicht von Bekannten darin gesehen zu werden. Ihre Freude, passende Möbel zu bekommen, hatte einen ersten Dämpfer erhalten. Hoffentlich sehen die Stühle und Tische nicht genauso aus wie dieser Wagen, dachte sie, als die Droschke Fahrt aufnahm und der Kutscher sich zwischen zwei Wagen auf der Siegesallee einreihte.

Ein paar Querstraßen weit ging es nach Süden, doch dann bog der Kutscher nach Westen in die Charlottenburger Chaussee ab, verließ diese bald wieder südwärts, um kurz darauf erneut eine andere Richtung einzuschlagen. Obwohl Lore Berlin kannte, verlor sie bald die Orientierung und wandte sich an Laabs.

»Wo fährt der Mann mit uns hin, Herr Dausend? Fast hat man das Gefühl, er kennt seinen Weg nicht.«

Laabs hob in einer beruhigenden Geste die Hand. »Keine Sorge, gnädige Frau. Er weiß sehr wohl, wo sich mein Lager befindet, meidet aber ein paar Straßen, in denen die Stadtverwaltung den Boden hat aufreißen lassen. Dort staut sich nämlich der Verkehr und wir würden weitaus länger brauchen.«

»Ich wusste gar nicht, dass in Berlin so viel gebaut wird«, sagte Dorothea, als der Wagen schon wieder die Richtung änderte.

Lore nahm an, dass der Kutscher glaubte, drei unbedarfte Provinzlerinnen vor sich zu sehen, bei denen er die Fahrt ausdehnen konnte, um seinen Verdienst zu erhöhen. Allmählich bedauerte sie, diese Reise überhaupt angetreten zu haben. Stellten sich die Möbel nun als Ramsch heraus, würde sie diesem Dausend ein paar deutliche Worte an den Kopf werfen.

Es ging immer weiter stadtauswärts, und zwar, wie Lore feststellte, beileibe nicht durch die besten Viertel. Schon bald waren die Straßen nicht mehr gepflastert, und die großen Räder der Droschke wirbelten so viel Schmutz auf, dass es nach innen spritzte. Böse Blicke streiften Laabs, der zufrieden lächelnd neben Jürgen saß und die Hände vor der Brust verschränkte.

Eine Weile fuhren sie an rasch hochgezogenen, aber bereits schmuddelig aussehenden Häusern vorbei, dann fanden sie sich zwischen alten Fabrikhallen wieder, die längst nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck dienten, sondern als Werkstätten, Lagerräume und teilweise sogar als Wohnungen für diejenigen verwendet wurden, die sich nicht einmal mehr ein Zimmer in einer der Mietskasernen weiter drinnen in der Stadt leisten konnten.

Endlich hielt der Kutscher vor einem verfallen aussehenden Schuppen an, bei dem Lore keinen Pfifferling darauf gewettet hätte, dass er den nächsten Sturm überstand. Sie war entsetzlich enttäuscht und überlegte schon, ob sie den Kutscher nicht auffordern sollte, sie und ihre Begleiterinnen umgehend in eine belebtere Gegend zu bringen, um dort eine andere Droschke zu nehmen und nach Hause zu fahren.

Laabs ließ ihr jedoch keine Zeit zum Nachdenken, sondern öffnete den Schlag. »Wenn die Damen aussteigen wollen? Bitte ein wenig die Röcke anheben, denn der Boden ist matschig. Drinnen in der Halle können Sie sich erst einmal setzen und eine Erfrischung zu sich nehmen, bevor wir uns die Möbel ansehen.«

»Ich glaube nicht, dass ich hier etwas essen oder trinken möchte«, antwortete Lore mit herabgezogenen Mundwinkeln. Auch ihre Freundinnen sahen nicht aus, als fühlten sie sich hier wohl.

Es kostete Laabs einiges an Überredung, bis die Damen das Gebäude betraten. Lores Forderung, sofort die Möbel sehen zu wollen, bereitete ihm jedoch Probleme. Zwar hatte Rudi Pielke in seinem Lager einzelne Möbelstücke stehen, doch keines davon war auch nur im Entferntesten geeignet, den Damen vorgeführt zu werden.

»Hier bitte durch diese Tür!« Laabs eilte voraus, öffnete und wartete, bis die drei Damen samt ihrem Begleiter eingetreten waren. Da die Fensterläden geschlossen waren, war es in dem Raum so düster wie in einer Gruft. Lore schauderte es unwillkürlich, und sie blieb so abrupt stehen, dass Dorothea gegen sie prallte.

»Hier müsste Licht gemacht werden«, sagte sie in die Richtung, in der sie den Gebrauchtmöbelhändler vermutete.

»Das wird gleich geschehen, gnädige Frau«, hörte sie ihn antworten und sah, wie ein Patenthölzchen aufflammte.

Laabs entzündete eine Petroleumlampe und stellte sie auf den Tisch. Sie fanden sich in einem etwa fünf auf fünf Meter großen Zimmer wieder, das halbwegs sauber gehalten wurde. Um den Tisch herum standen vier unterschiedliche Stühle, und auf einer verschrammten Anrichte warteten eine Flasche mit einem leichten Likör, wie er für Damen geeignet war, und einige recht große Gläser.

Ohne auf die abwehrenden Mienen seiner Gäste zu achten, füllte Laabs fünf Gläser und reichte sie herum. »Trinken Sie ruhig. Es ist guter Likör«, sagte er und hob sein Glas. »Auf die Möbel, die Sie kaufen werden! Es dauert noch einen Moment, bis mein Lagerverwalter hier ist. Lassen Sie uns trinken, und dann sehen wir uns meine Prachtstücke an.« Laabs lachte, tat dann so, als tränke er, ließ die grünliche Flüssigkeit jedoch den rechten Ärmel hinabfließen.

Lore zögerte ein wenig, trank dann aber doch einen Schluck. Der Likör schmeckte süß und hatte einen eigenartigen Nachgeschmack, der sich erst hinterher auf der Zunge breitmachte. Kurz entschlossen stellte sie das Glas ab und sah, dass Dorothea, Nathalia und Jürgen die ihren geleert hatten.

»Trinken Sie doch!«, forderte Laabs sie auf.

Dies erschien Lore als zu aufdringlich, und sie hob abwehrend die Hand. »Ich bedauere, aber der Likör schmeckt mir nicht!«

Verärgert musterte Laabs sie und warf dann einen Blick auf Nathalia, Dorothea und Jürgen. Nach den Angaben des Apothekers, von dem er das Betäubungsmittel erstanden hatte, war dieses besonders stark und sollte rasch wirken. Und tatsächlich taumelte Dorothea bereits, setzte sich auf einen Stuhl und rieb sich mit einer mühsamen Bewegung über die Augen. »Irgendwie wird mir schummrig«, murmelte sie noch, dann sank ihr Kopf auf die Tischplatte, und sie dämmerte weg. Nathalia schaffte es nicht einmal mehr zu einem Stuhl, sondern brach an Ort und Stelle zusammen. Jürgen gelang es noch, sie aufzufangen und auf einen Stuhl zu setzen. Dann wurde auch er von dem Betäubungsgift überwältigt und stürzte zu Boden.

Lore war dem Ganzen fassungslos gefolgt und versuchte zu begreifen, was um sie herum geschah. Obwohl sie nur wenig von dem vergifteten Likör getrunken hatte, fühlte sie sich wie in Watte gebettet und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Verzweifelt versuchte sie zur Tür zu kommen, doch da stellte Laabs sich ihr in den Weg.

»Sie wollen uns doch nicht etwa schon verlassen?«, spottete er, packte sie und schleppte sie zum Tisch. Dort hielt er ihr mit einer Hand den Kopf fest, nahm mit der anderen das noch drei viertel volle Glas und goss ihr den Inhalt in den Mund.

Spuck es aus, befahl Lore sich, musste aber den größten Teil dieses ekelhaften Zeugs schlucken, weil es ihr sonst in die Luftröhre geraten wäre. Innerhalb kurzer Zeit fielen auch ihr die Augen zu, und sie sank bewusstlos in sich zusammen.

Laabs atmete erleichtert auf und trat zu der hinteren Tür des Raumes, die in die Halle hineinführte. Als er öffnete, sahen ihm Mutter und Sohn Trettin, Gerhard Klampt sowie Pielke und dessen Kumpane gespannt entgegen.

»Ist alles gutgegangen?«, fragte Ottwald von Trettin.

»Es ging wie geflutscht!«, antwortete Laabs grinsend. »Unsere lieben Damen und ihr Reisemarschall sind mir gefolgt wie Entchen ihrer Mutter, und jetzt sind sie alle im Traumland angelangt.«

»Aus dem es für Lore ein schreckliches Erwachen geben wird!« Malwine lachte gepresst und schob sich an den anderen vorbei nach vorne.

In dem Zimmer angekommen, in dem die vier Überrumpelten lagen oder saßen, gönnte sie Jürgen nur einen kurzen Blick und beachtete auch das Mädchen nicht, das nach dem Willen ihres Sohnes ihre Schwiegertochter werden sollte, sondern blieb vor Lore stehen. »So sehen wir uns wieder. Doch diesmal bin ich die Siegerin, und du wirst es für immer bereuen, meine Feindin geworden zu sein!«

Dann starrte sie auf Dorothea Simmern herab und lachte triumphierend auf. »Das ging ja noch besser als erwartet. Ich hätte niemals zu hoffen gewagt, dass uns auch noch Thomas Simmerns Ehefrau in die Hände fällt. Damit haben wir auch diesen impertinenten Kerl in der Hand. Unser Sieg ist vollkommen!«

»Noch nicht ganz, liebste Mama«, wandte ihr Sohn ein. »Erst müssen wir dafür sorgen, dass die Damen so fotografiert werden, dass wir sie und ihre Männer mit den Bildern unter Druck setzen können. Außerdem will ich Komtess Nathalia so rasch wie möglich heiraten. Ist das geschehen, kann sie vor Gericht nicht mehr gegen mich aussagen. Die anderen Frauen werden allein schon aus Angst schweigen, gewisse Bilder könnten ans Licht der Öffentlichkeit geraten.«

Malwine fuhr wütend herum. »Du weißt, was ich für Lore bestimmt habe. Davon lasse ich mich nicht abbringen. Ich will sie und Fridolin vernichten!«

Ottwald von Trettin war es sehr viel klüger erschienen, die beiden zu erpressen. Dann aber sagte er sich, dass die Ehe mit Nathalia von Retzmann ihm genug einbringen würde, um auf Fridolins Geld verzichten zu können.

»Tu, was du nicht lassen kannst!«, sagte er zu seiner Mutter und wies dann auf Jürgen Göde. »Was machen wir mit dem? Ins Bordell würde ich ihn ungern mitnehmen.«

»Das erledigt Maxe auf seine Art«, erklärte Pielke. »Er wird den Kerl mit der Schubkarre zum nächsten Schrottplatz fahren. Dort wird der Bursche schlafen, bis er irgendwann aufwacht und dann merken wird, dass ein Mann ohne Papiere hier in Preußen erst einmal als Landstreicher gilt und einen Anspruch auf staatliche Unterkunft hat.«

»Und zwar mit echten schwedischen Gardinen!«, setzte Maxe feixend hinzu.

Gerhard Klampt hatte bisher stocksteif dagestanden. Nun aber zerrte er an seinem Hemdkragen und versuchte, seine aufgepeitschten Nerven zu beruhigen. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist, was Sie vorhaben, Herr von Trettin. Ich meine nicht die Heirat mit Nathalia! Die ist ganz in meinem Sinn. Aber ich bin der Meinung, wir sollten die verfänglichen Aufnahmen gleich hier machen und die anderen Damen anschließend an eine Stelle bringen, wo sie gefunden und in Sicherheit gebracht werden können.«

Malwine drehte sich aufgebracht zu ihm herum. »Das werde ich niemals zulassen! Sie müssen alle ins Bordell, um dort fotografiert zu werden. Anschließend werden mein Sohn und ich Komtess Nathalia nach Ostpreußen bringen. Dorothea Simmern aber wird erst freigelassen, wenn meine Rache an Lore vollendet ist. Wie gerne würde ich zusehen, wie sie nackt auf einem Bett liegt und einen Mann nach dem anderen ertragen muss!«

»Meine Mutter hat recht. Wir können die drei nicht hier fotografieren. Wenn es in dieser tristen Umgebung geschähe, würde jeder Richter ihnen Glauben schenken, wenn sie behaupten, entführt worden zu sein. Das ist mir zu gefährlich. Wenn sie sich jedoch nackt auf den Ottomanen des Le Plaisir räkeln, sieht die Sache anders aus.«

Ottwald von Trettins Worte entschieden die Sache. Ihm ging es dabei jedoch nicht um die mögliche Gefahr, von einem ihrer Opfer angezeigt zu werden, denn die Frauen würden sich viel zu sehr schämen und zudem Angst haben, Abzüge dieser Bilder könnten die Runde machen. Er wollte jedoch keinen Streit mit seiner Mutter, und der wäre unausweichlich, wenn er Lore verschonte.

»Ist der Wagen bereit?«, fragte er und sah zu seiner Erleichterung Rudi Pielke nicken. »Dann bringt die Frauen ins Le Plaisir!«

Juliregen
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