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Die verborgene Wahrheit
Esther lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück.
Zu ihrem Erstaunen gelang es ihr sogar, Haydens Lächeln zu
erwidern. Es war das Lächeln, das sie fortan jeden Tag sehen würde:
morgens, wenn sie erwachte, am Esstisch oder beim Jäten ihrer
künftigen Blumenbeete, von denen sie möglichst viele anzulegen
gedachte. Kein Stück ihres Gartens sollte vernünftigen Dingen wie
Gemüse geopfert werden, nahm sie sich fest vor. Kletterrosen,
Türkischer Mohn und bunte Waldreben. Sie malte sich ein ganzes
Füllhorn von Blumen aus, einfach, weil es so viel leichter war,
über Blumen nachzudenken, als über das, was sie soeben getan
hatte.
Hayden legte seine Fingerspitzen gegeneinander und
sperrte sein Lächeln dahinter ein, fast so, als traue er seinem
Glück nicht wirklich über den Weg.
Auf den ersten Blick wirkte er wie ein Mann, der
bekommen hatte, was er wollte. Ein Mann, der mit sich zufrieden
sein konnte. Sein ganzes Büro strahlte diese Selbstsicherheit aus -
vom maskulin-strengen Mobiliar, den modernen Gemälden bis hin zu
der hervorragenden Aussicht auf die City, über die sich gerade der
Abend senkte. Hayden hatte alles bekommen, was er wollte …
einschließlich Esther, die an diesem schönen Januartag, der bereits
nach Frühling roch, zu ihm zurückgekehrt war.
Sie kannte Hayden jedoch gut genug, um den
resignierten Zug um seine Augen zu bemerken. Auch entsprang seine
Zurückhaltung
in Anbetracht seines Sieges nicht etwa Grandezza, sondern er war
sich durchaus darüber im Klaren, dass nur widrige Umstände die
Frau, die er liebte, zu ihm zurückgebracht hatten.
Genau dieses sensible Verhalten ermöglichte es
Esther überhaupt, sein Lächeln zu erwidern. Da saßen sie
voreinander wie zwei müde Krieger, die schon zu viel im Leben
gesehen hatten und sich nur noch aufeinander stützen wollten. Ich
sollte mich wirklich glücklich schätzen, dass es so gekommen ist,
sagte sie sich deshalb auch unentwegt selbst. In Haydens Armen mag
ich zwar nicht überschäumen vor Liebe und Lust, aber ich werde mich
geborgen fühlen … irgendwann wieder.
»Ich möchte noch einmal sagen, wie froh ich bin,
dass wir diese Angelegenheit aus derWelt schaffen konnten, mein
Freund.« Anders stand rauchend vor dem Bücherregal und spielte mit
dem Benzinfeuerzeug in seiner Hosentasche. »Auch wenn es nicht
untypisch ist, dass wir unsere Dienerschaft anderen unserer Art zur
Verfügung stellen, wenn wir es für notwendig erachten, so hätte ich
in diesem Fall mehr Vorsicht walten lassen sollen. Adam ist bekannt
dafür, ausgesprochen eigensinnige Wege zu beschreiten. Dass er
allerdings so weit gehen würde, Esther einfach in Beschlag zu
nehmen, anstatt sie nach Erledigung ihrer Aufgabe wieder an mich
zurückzugeben, ist nicht zu erwarten gewesen. Sehr unglücklich,
aber jetzt ist ja alles wieder gut.«
Diese dicke Lüge verbrauchte sämtlichen Sauerstoff
in dem großzügigen Büro, so dass Esther sich an die Kehle griff.
Haydens erstarrter Ausdruck bewies, dass es ihm ähnlich erging.
Anders mochte es noch so hartnäckig darstellen, als sei sie Adam
lediglich in ihrer Funktion als Dienerin gefolgt. Doch Hayden, das
war ihr klar, wusste es besser. Ihm war keineswegs entgangen, mit
welcher Intensität Adam auf sie reagiert hatte, als er vor ihrem
Apartment auf sie gewartet hatte.Wie ein Mann eben auf eine Frau
reagiert, die er begehrt. Nicht einmal jemand
wie Adam, dem es ansonsten hervorragend gelang, sein Gesicht in
eine Maske zu verwandeln, hatte so starke Gefühle verbergen
können.
Das Gleiche galt allerdings auch für sie selbst,
wie Esther sich eingestehen musste. Auch ihr hatte Hayden gewiss
angemerkt, wie es um ihre Gefühle für Adam bestellt war.
Schließlich brauchte sie nur an Adam zu denken, dann baute sich ein
innerer Sturm auf, den sie niemals würde bezähmen können.
Aber du kannst deine Empfindungen verstecken, so
wie Hayden seine Enttäuschung und Eifersucht wegsperrt, ermahnte
Esther sich. Das bist du ihm schuldig. Sie kannte Hayden gut genug,
um sicher zu sein, dass er ihr gegenüber niemals auch nur ein Wort
darüber verlieren würde. Und er würde ihr auch auf keine andere
Weise wegen ihrer Affäre zusetzen. Sei froh, dass du ihn hast,
forderte sie sich ein ums andere Mal auf. Er ist ein großartiger
Mann, mehr, als du jemals hättest erwarten dürfen. Mehr, als du
verdient hast.
»Ich bin genauso erleichtert wie du darüber, dass
sich letztendlich alles zum Guten gewendet hat«, bestätigte Hayden
Anders’ Worte. »Allerdings will ich noch einmal über deine
Erwartung reden, dass Esther ihre Aufgaben bei dir abwickelt, bevor
wir beide auf eine längere Hochzeitsreise gehen. Das kann ich nicht
gutheißen, nicht nach dem, was passiert ist. Esther und ich sollten
die Stadt für eine Zeit lang verlassen, und zwar möglichst
schnell.«
Hayden war aufgestanden und hinter Anders getreten,
dessen Aufmerksamkeit weiterhin scheinbar ganz den Regelwerken der
Juristerei gewidmet war.
»Ach, Hayden, jetzt übertreibst du aber. Die
Angelegenheit ist unangenehm, einverstanden. Aber deshalb kann ich
doch nicht einfach von heute auf morgen auf Esthers Dienste
verzichten. Schließlich war sie jahrelang nicht nur meine rechte
Hand, sondern in vielen Dingen quasi mein Gehirn. Ein paar
Tage Zeit solltest du mir da schon zugestehen.« Anders wirkte so
locker wie immer, wenn auch ein wenig angesäuert, weil er dieses
Thema ein weiteres Mal durchsprechen musste. Für gewöhnlich hätte
er es Esther überlassen, die Nacharbeit bei einer Verhandlung zu
übernehmen, aber heute musste er sich selbst damit
herumquälen.
»Warum überhaupt diese Eile? Du hast Esther doch
unversehrt zurückbekommen.«
»Ja, das habe ich. Und ich möchte verhindern, dass
sich daran etwas ändert. Du magst zwar daran zweifeln, dass dieser
Adam in die Stadt zurückkehren wird. Auf mich hat er, ehrlich
gesagt, jedoch den Eindruck eines Mannes gemacht, der unter keinen
Umständen etwas aufgibt, das er haben will. Und dass er Esther
will, war bei unserem Treffen vor ihrem Apartment nicht zu
übersehen.«
»Aber ich will ihn nicht«, fuhr Esther
dazwischen.
Die beiden Männer sahen sie erstaunt an, nachdem
sie sich während der gesamten Unterhaltung zurückgehalten hatte.
Dann blickten sie zeitgleich auf etwas in ihrem Rücken.
»Ist das so?«, fragte eine schmerzlich vertraute
Stimme.
Esther wagte es nicht, über ihre Schulter zu
blicken. »Ja«, sagte sie tonlos, während der Stoff ihres Rockes
unter dem Zerren ihrer Hände nachzugeben drohte.
Unterdessen hatte sich Anders von dem Schrecken
erholt. »Sieh an, Adam. Diese Anschleichnummer hättest du lieber in
dem Dschungel lassen sollen, aus dem Rischka dich rausgelockt hat.
In der Zivilisation unterlässt man nämlich nicht nur das Lauschen
an fremden Türen, sondern klopft auch an, bevor man ein Zimmer
betritt.«
»Die Zivilisation gehört den Menschen, also
solltest du dich besser nicht hinter ihren Regeln verstecken.«
Dabei klang Adam so kühl, als hätte zwischen Anders und ihm nie
eine Verbindung existiert.
Allein an der Verdichtung der Atmosphäre in ihrem
Rücken spürte Esther, dass Adam näher an sie herangetreten war.
Dazu brauchte sie nicht in Anders aufeinandergepressten Lippen oder
Haydens zu Fäusten geballten Händen zu lesen.
»Ich glaube dir dieses Ja nicht«, sagte er
leise, kaum noch hörbar.
Esther spürte eine flüchtige Berührung ihres
Haares, die sie beinahe ihre Beherrschung kostete.Alles, wonach sie
sich sehnte, war zum Greifen nah. Aber eine Fessel, die ihr mit den
von Adalbert überbrachten Sätzen angelegt worden war und die
Anders, bevor sie beide gemeinsam Haydens Büro betreten hatten, mit
einigen Andeutungen noch fester angezogen hatte, ließ sie
innehalten.
»Das genügt jetzt!«
Außer sich vor Rage wollte Hayden vorstürzen. Im
letzten Moment packte Anders ihn, und selbst als Hayden sich
gewaltsam befreien wollte, gab er nicht nach.
Obwohl jeder Millimeter ihrer Drehung sie
schmerzte, wandte Esther sich Adam zu. Er stand ein Stück hinter
ihrem Stuhl, reglos, mit herabhängenden Armen. Als habe er bereits
aufgegeben. Mehr noch setzte ihr jedoch der Ausdruck auf seinem
Gesicht zu, denn zu ihrem Leidwesen gab er sich keineswegs die
Mühe, seine Verletztheit zu verbergen. Er weigert sich tatsächlich,
bei dem lächerlichen Schauspiel, das wir hier veranstalten,
mitzumachen. Unser Kartenhaus wird über uns zusammenbrechen, und
Anders wird mich dafür bestrafen, stellte sie mit einem Anflug von
Panik fest. Sie musste Adam zum Gehen bewegen, koste es, was es
wolle.
»Ich weiß nicht, warum du hierhergekommen bist.
Falls es dir dabei um mich gehen sollte, muss ich dich bitten,
gleich wieder zu gehen. Vielleicht war die Nachricht, die ich dir
hinterlassen habe, nicht deutlich genug, aber spätestens jetzt
solltest du doch eigentlich begriffen haben, dass es mit uns beiden
vorbei ist.«
»Meinst du die Nachricht, in der stand, dass unser
Zusammensein es dir wert gewesen ist? Das habe ich durchaus
begriffen. Was ich nicht akzeptieren kann, ist der zweite Part, der
sagt, dass es vorbei ist. Denn wenn ich mir dieses Schmierentheater
hier so ansehe, möchte ich behaupten, dass es gerade erst richtig
losgeht.«
Ohne sichtliche Anstrengung hielt Anders den
aufgebrachten Hayden im Zaum, während er Adam gereizt anstierte.
»Das ist doch alles vollkommen überflüssig. Du hättest dir diesen
Auftritt wirklich sparen sollen, Adam. In deinem eigenen Interesse.
Fällt es deinem Ego wirklich so schwer, ein deutliches Nein zu
akzeptieren?«
»Das fragst ausgerechnet du?« Adam stieß ein
trockenes Lachen aus. »Wenn ich mich recht erinnere, ist es dir das
letzte Mal ausgesprochen schwergefallen, meine Absage hinzunehmen.
Ich kann dir allerdings versichern, dass du bald mehr mit mir zu
tun bekommst, als dir vermutlich lieb ist. Adalbert nach Esther
auszuschicken, war keine gute Idee.«
»Willst du mir etwa drohen?«
»Kommt darauf an, warum und mit welchem Mittel du
Esther erpresst. Denn dass es sich hierbei um Erpressung handelt,
steht ja wohl außer Zweifel. Vielleicht kannst du den liebeskranken
Hayden davon überzeugen, dass du Adalbert nur aus reiner
Nächstenliebe losgeschickt hast, damit seine Verlobte in seine Arme
zurückkehrt. Aber ich weiß nur zu gut, dass deine Sorte
ausschließlich aus Eigennutz heraus handelt.«
»Unsere Sorte«, korrigierte Anders
ihn.
»Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so
sicher.Wenn ich so wäre wie alle anderen, könnte ich dann wirklich
einfach hier stehen, anstatt mich deiner süchtig machenden Gabe zu
unterwerfen? Das ist es doch, was dich wirklich herausfordert. Du
wolltest, dass ich zurückkehre. Es ging dir ausschließlich darum,
mich erneut in deine Reichweite zu bringen. Esther war nur ein
Köder, richtig?«
Anstelle einer Antwort verzog Anders das Gesicht zu
einer Grimasse. Plötzlich löste er den Griff um Haydens Oberarme,
doch der Mann nutzte die Gelegenheit nicht, um sich - wie erwartet
- auf Adam zu stürzen, sondern legte nachdenklich die Stirn in
Falten. »Stimmt das, was Adam da behauptet?«, fragte Hayden in
einer Mischung aus Unglauben und langsam einsetzender
Erkenntnis.
Doch Anders beachtete ihn nicht länger. Seine ganze
Aufmerksamkeit war auf Adam gerichtet, als würde er das
Kräftemessen auf einer mentalen Ebene fortführen. Als wolle er ihn
rein mit seinem Willen dazu zwingen, auf ihn zuzugehen. Adams
Schultern begannen zu beben, als wäre er ein Stück Metall, das von
einem Magneten angezogen wurde. Die Anstrengung, nicht nachzugeben,
war ihm deutlich anzusehen. Trotzdem rührte er sich kein Stück von
der Stelle.
Schließlich sagte Anders mit einem Achselzucken:
»Gut, du vermagst dich also meinem Einfluss zu entziehen, damit
kann ich leben.Trotzdem musst du L.A. verlassen, schließlich
garantiert meine Gabe ein friedliches Zusammenleben. Es wäre
falsch, dich wie ein Raubtier in meinem Revier umherschleichen zu
lassen. Falls du also nicht freiwillig gehen solltest … dass unsere
Gemeinschaft groß genug ist, dich zum Gehen zu bewegen, muss ich ja
wohl nicht extra betonen.«
»Ich befürchte, eure Gemeinschaft hat mit einem
viel größeren Raubtier als mit mir zu kämpfen. Darum solltest du
dir besser Sorgen machen, ansonsten ist bald nicht mehr viel von
deiner Gemeinschaft übrig.«
Eine Pause trat ein, während der Anders sämtliche
Farbe aus dem Gesicht wich. Wie es aussah, ahnte er zumindest,
worauf Adam anspielte. Auch Esther verspürte ein Schaudern bei der
Erinnerung an Nias Leiche. Ein Raubtier, das Dämonen jagt …
Adam beobachtete Anders’ Reaktion mit der
distanzierten Haltung eines Außenstehenden, als würde ihn diese
Nachricht nicht betreffen, da er ohnehin nur auf der Durchreise
war.
»Wie auch immer«, fuhr er fort, »unsere Abrechnung
wird warten müssen, bis ich mit Esther gesprochen und sie vor allem
in Sicherheit gebracht habe.«
Als würde er ihr ein einmaliges Angebot
unterbreiten, hielt Adam Esther die Hand hin.
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich kann
nicht.«
»Wegen Hayden oder wegen Anders? Wenn es
tatsächlich allein wegen Hayden sein sollte, gehe ich, das
verspreche ich dir.«
Esther versagte sich eine Entgegnung, aus Furcht,
einen Verrat zu begehen, ganz gleich, was sie sagte. An ihren
Gefühlen für Adam, ihrer Verbindung zu Hayden oder, was am
schlimmsten wäre, an Anders. Ehe sie sich’s jedoch versah, huschte
ihr Blick zu Anders. Nur für einen Sekundenbruchteil, doch für
Adams scharfe Augen reichte es aus.
»Verstehe, es liegt also an Anders«, sagte Adam nur
für ihre Ohren bestimmt, um daraufhin mit laut dröhnender Stimme
mitzuteilen: »Wenn du nicht freiwillig mitkommen willst, dann eben
mit Gewalt.Wir beide werden gehen, und zwar jetzt.«
»Du wirst nirgendwohin gehen!«, brüllte Anders. »Du
gehörst mir,Adam, ob du willst oder nicht.« Er preschte mit einer
erschütternden Willenskraft voran, um sogleich mitten in der
Bewegung zusammenzubrechen.
Voller Unglauben starrte Esther auf einen gläsernen
Griff, der aus seiner Augenhöhle herausragte. Der Länge nach lag
Anders ausgestreckt auf dem Holzboden, vollkommen reglos. Dann
begannen Anders’ Finger bereits wieder zu zucken, durchströmt von
einer dunklen Kraft. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich
seine Hände um den Griff legen und die tief in Auge und Hirn
eingedrungene Klinge befreien würden.
»Nein, er darf nicht wieder aufstehen … niemals
mehr«, wollte Esther hervorbringen, doch ihre Stimme versagte.
Anders würde sie dafür zahlen lassen, wenn Adam ihm entkam … O
Gott, viel schlimmer noch: Er würde jemand anders dafür zahlen
lassen, und sie würde nichts dagegen tun können.
»Schade um Rischkas Klinge«, erklärte Adam
ungerührt, wobei er die erstarrte Esther am Arm nahm. »Aber jemand
wie Anders lässt man im Kampf besser nicht zu dicht an sich
herankommen.«
»Lassen Sie Esther los«, forderte Hayden ihn mit
Nachdruck auf. Jeden einzelnen Schritt bewusst langsam setzend, um
Adam auf keinen Fall zu einem Angriff herauszufordern, kam er auf
ihn zu. »Wenn Ihnen wirklich etwas an Esther liegen sollte, lassen
Sie sie mit mir fortgehen. Ich verspreche Ihnen, dass ich alles
Erdenkliche tun werde, damit sie glücklich wird.«
Tatsächlich zögerte Adam. »Das glaube ich Ihnen,
aber ich kann nicht … noch nicht.«
Nun doch von Wut übermannt, stürzte Hayden sich auf
Adam, der den Aufprall des schweren Mannes ohne zu wanken hinnahm.
Als Hayden zum Schlag ausholte, glitt Adam zur Seite, trat ihm ein
Bein weg und rammte ihm, während er zusammensackte, den Ellbogen in
den Nacken. Mit einem dumpfen Stöhnen ging Hayden zu Boden.
Endlich gelang es Esther, ihre Starre
abzuschütteln, und sie fiel schreckensbleich neben dem Bewusstlosen
auf die Knie. Doch kaum hatte sie einen Blick auf Hayden geworfen,
zog Adam sie bereits in seine Arme.
»Wag es ja nicht, mich anzufassen, du Monster!«,
schrie sie außer sich. »Wie konntest du Hayden nur etwas
antun?«
»Beruhige dich. Außer einem geschwollenen Knie und
Kopfschmerzen wird er keinen Schaden davontragen. Wäre es dir
vielleicht lieber gewesen, er hätte uns brüllend und tobend bis zum
Wagen verfolgt, um dann in einer Abgaswolke zurückzubleiben?
Das wäre wohl kaum mit seinem Stolz vereinbar gewesen.«
»Willst du etwa behaupten, ihm mit diesem Schlag
einen Gefallen getan zu haben?«
»Ja«, erwiderte Adam trocken, während er Esther zur
Tür hinausschob.
Auf dem Flur hatte sich eine bunte Mischung aus
Sekretärinnen und anzugtragenden Herren, bei denen man Haydens
Anwaltskollegen nicht von ihrer Klientel unterscheiden konnte,
versammelt und sah sie verwundert an.
»Die Polizei wird gleich hier sein«, verkündete ein
älterer Herr, der eine alteingesessene Autorität ausstrahlte.
Trotzdem wagte auch er es nicht, sich Adam in den Weg zu
stellen.
»Und wem, zum Teufel, soll das helfen?«, erwiderte
Adam, dem Esther gerade ihre Fingernägel ins Gesicht grub. Ein
Fluchen ausstoßend, packte er sie bei den Hüften und legte sie sich
über die Schulter.
Ganz gleich, was eben geschehen war - diese uralte
Geste männlicher Überlegenheit nahm Esther ihm wirklich übel.
Ausrichten konnte sie dagegen trotzdem nichts.