18
Der geraubte Kuss
Das Winseln des Dämons, sich endlich Anders’ segensreicher Gabe zu überlassen, hatte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem schrillen Crescendo gesteigert, dem kaum ein Opernsaal, geschweige denn Adams Schädel standhielt. Mit Not reagierte er auf Anders’Worte, während er vollauf damit beschäftigt war, den verfluchten Dämon davon abzuhalten, die Kontrolle an sich zu reißen. Er musste fort von hier, sofort.
Er wollte sich gerade zum Gehen abwenden und diese Villa samt ihren Bewohnern, die ihm mit einem Mal allesamt zuwider waren, hinter sich lassen. Notfalls auf allen vieren, falls der vor Verzweiflung tobende Dämon ihn dazu zwingen sollte. Da schnippte Anders seine brennende Zigarette gegen die Glasscheibe. Seine Augen folgten nur für einen Sekundenbruchteil dem Funkenflug, doch genau diesen Moment nutzte Anders, um ihn niederzuringen.
Ehe Adam begriff, was geschah, schlug er hart auf den Steinboden. Mit einem dumpfen Pochen prallte sein Hinterkopf auf die Fliesen, und ihm wurde schwarz vor Augen. Das überdrehte Gelächter des Dämons brachte ihn wieder zu Bewusstsein, aber vielleicht war es auch der bittere Geschmack des eigenen Blutes im Mund.
Jetzt … endlich … Blut … gleich … alles meins, krakeelte der Dämon in einem vielstimmigen Chor.
Benommen versuchte Adam, sich auf den Unterarmen aufzurichten, was ihm jedoch nicht gelang. Anders hockte breitbeinig auf seinem Oberkörper und riss ihm das Hemd auf, um sogleich beide Hände auf seine nackte Brust zu legen. Adam schrie auf und wollte den Mann von sich stoßen, aber es war zu spät.
Während er noch vor Wut schrie, jubilierte ein Teil von ihm, der sich nach dem Frieden der Vereinigung sehnte, den Anders’ Berührung zu bieten hatte. Den aufliegenden Händen wohnte eine eigene Magie inne, die alle negativen Gefühle wie eine Welle fortspülte.
Von einer Sekunde zur anderen verlor sich Adams Ablehnung. Als Anders seinen Nacken umfasste und ihn zu sich hochzog, ließ er es nur allzu willig geschehen. Er wünschte den Augenblick herbei, in dem seine Lippen den Kuss erwidern konnten, der Einladung zu einem Leben war, das der Dämon regierte. Kein schwacher Dämon wie der, der jetzt in Adam hauste und seinen Herrschaftsanspruch mit List und Gewalt durchsetzen musste, sondern ein wahrer Herrscher, dem sich niemand entgegensetzen würde … weil dort niemand mehr war.Trotzdem zögerte Adam nicht, als Anders’ Mund nur noch einen Hauch von seinem entfernt war. Er wollte diesen Kuss wie nichts anderes zuvor.
Sehnsuchtsvoll lehnte er sich vor … doch im entscheidenden Moment wandte Anders den Kopf ab.
Adam gab einen enttäuschten Laut von sich, als verweigerte man ihm die Luft zum Atmen. Er wollte nach Anders greifen, doch der erhob sich bereits und hatte keinen weiteren Blick mehr für ihn übrig.
Hol ihn dir, er darf nicht gehen, nicht jetzt!
Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, sprang Adam auf. Als er jedoch die Hand ausstreckte, um Anders notfalls gewaltsam in seine Arme zurückzuholen, verflüchtigte sich die bezaubernde Wirkung der Berührung bereits.Verstört über das eigene Verlangen, stand Adam da. Dann erkannte er, warum ihm Anders’ Geschenk im letzten Augenblick verweigert worden war: Rischka vergrub gerade ihre Finger in Anders’ Haar und drückte seinen Kopf entschieden nieder, bis der Mann ihr zu Füßen lag, bezirzt von ihren Künsten, jeden Dämon zu verführen.
Sie warf Adam einen Blick zu, und ihre Lippen formten nur ein Wort: Lauf!
Mehr brauchte es für Adam nicht. Kaum Herr seiner Sinne, taumelte er hinaus, stolperte mehrmals auf dem Weg zu seinem Wagen. Er war wie betäubt durch das nicht enden wollende Lamento seines Dämons, der die Zurückweisung immer noch nicht akzeptieren wollte. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn seine Sinne gebrauchen.Trotzdem gelang es ihm irgendwie, den Wagen zu starten, und als er ins dunstige Abendlicht fuhr, registrierte er noch Benson, der neben der Ausfahrt stand und ihm interessiert nachblickte.
Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
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