Francisco spricht
Diesmal war es knapp. Doktor Arrieta zog mich an den Ohren aus der klebrigen Schmiere, in der ich versunken war. Das Fieber in gelbem Gewand, dafür mit schwarzem Erbrechen, und hinter dem Fieber sein alter Bekannter, der Sensenmann. Mach dich bereit, Alter, sagte ich mir, in diesem Jammertal ist es vorbei mit dem Bumsen, du wirst keinen Strich mehr machen, keine Artischocke mehr setzen. Aber ich wurde geheilt. Ich lag im Bett, in den Rock gehüllt, darüber meine rote Decke, denn ich zitterte vor Kälte, und kurz darauf war ich in Schweiß gebadet, und sagte mir: Es reicht. Ich gelobte, falls ich wieder auf die Beine käme, würde ich mich aus dem Staub machen und soweit wie möglich wegfahren aus dieser verfluchten Gegend.
Im Fieber sah ich noch einmal all das, was sich in den vergangenen Jahren vor meinen Augen abgespielt hatte, und auch das, was ich nicht gesehen hatte: aufgeschlitzte Körper, hungrige Dämonen, Verurteilte, die bei lebendigem Leib in den Kerkern der Inquisition verreckten … Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte auch dort gesessen, an Eisenreifen gekettet, fern von allem, was ich liebe. Durch ein Wunder wurde ich gerettet, durch ein Wunder wurde ich geheilt, ein drittes Wunder wird es nicht geben.
Als ich die Votivgabe für den Doktor malte und mir – mit einem Blick in den Spiegel – vorstellte, wie mein vom Fieber gezeichnetes Gesicht ausgesehen haben könnte, als ich die Farben auf der Palette mischte und die richtige Nuance für die fahle Blässe zu finden versuchte, führte man unter meinen Fenstern gerade ein paar Liberale zum Galgen; an einem anderen Tag öffnete ich ein Stück den Laden, weil ich mehr Licht für die Arbeit brauchte, und sah, wie da unten wieder Franzosen marschierten, die den Aufstand von del Riego niederschlagen sollten. Leocadia war mit den Nerven am Ende, weil ihr älterer Sohn, gerade mal dreizehn, sich von den Aufständischen hatte anwerben lassen – aber was hätte er auch sonst tun sollen? Schüler und Studenten können sowieso nicht zum Unterricht gehen, wenn sie kein Zeugnis antiliberaler Gesinnung erhalten. Irgendwelche Trottel haben die Tafel mit den Artikeln der Verfassung von der Mauer abgerissen und in Stücke geschlagen, und auf den Straßen singen sie angeblich: »Hoch leben die Schikanen, die Fesseln, hoch lebe König Ferdinand, Tod dem Volk!« Der König, der gerade erst aus Madrid fliehen musste, ist zurückgekehrt und hat sofort angefangen, neue Titel zu verleihen: Marquis der Loyalität, Marquis der Treue, Marquis der Beständigkeit. Angeblich hat man ihn in einem triumphalen Streitwagen hergebracht, von vierundzwanzig jungen Männern gezogen – seitdem wird auf den spanischen Straßen viel gesoffen. Und del Riego wurde gar nicht erschossen: Er wurde in einen Korb gepackt, bekam eine grüne Mütze auf den Kopf und wurde von einem Esel durch die Straßen geschleift, bis ihm schließlich die Innereien herauskamen. El Empecinado, ein kastilischer Raufbold, Bezwinger der französischen Truppen, den ich vor gar nicht langer Zeit in einer ziegelroten Jacke mit goldenen Verzierungen gemalt habe, ein aufrichtiger Schnauzbart, wurde in Roa in einem Eisenkäfig gefangen gehalten; als man ihn zum Galgen führte, versuchte er sich loszureißen, aber er stolperte über den Rand des Todeshemdes und fiel hin. Sie zogen ihn so lange am Hals, bis er den Geist ausgehaucht hatte. Durch die Häuser gehen Schlägertrupps, die alle illegalen Bücher vernichten – seien es französische oder solche, die gedruckt wurden, während die Verfassung in Kraft war. Man braucht sich nicht zu wundern – der König, sein Bruder und sein Onkel sind während der Gefangenschaft in Talleyrands Schloss angeblich nur in die Bibliothek gegangen, um Schweinereien aufzuspüren, die Bilder von den Umschlägen zu reißen oder mit Messern zu zerschneiden; als sie sich daranmachten, Voltaire und Rousseau zu verbrennen, setzten sie fast die ganze Bibliothek in Brand; statt zu lesen, beteten sie lieber oder stickten an einem Gewand für die Muttergottes in der Kapelle – kein Wunder also, dass sie jetzt solche Helfer haben. Zum Glück haben wir alles, was sich zu lesen lohnt, an den Manzanares mitgenommen, in Madrid ist nur das Langweiligste geblieben. Wer wollte das hinausschaffen und verbrennen? Na ja, wenn man dafür Marquis werden kann? Andere haben eine Geheimgesellschaft gegründet, den Engel der Vernichtung, und verfolgen jeden, der ketzerische Gedanken hat, gehabt hat oder haben könnte. Leocadia hat gesehen, wie sie auf dem Markt einem Mann den Backenbart und den Schnurrbart ausrissen, weil er ein gelbes Taschentuch besaß; danach führte man ihn blutend ab mit einer Kuhglocke am Hals. Eine Frau hat man völlig kahlrasiert, weil sie ein gelbes Band trug, und dann teerte und federte man sie. Den Lehrer Ripolla hat man gehenkt, weil er sonntags nicht in die Messe ging; unter das Schafott stellte man ein brennendes Fass, um an die guten alten Zeiten der Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen zu erinnern. Ich versuche, an all das nicht zu denken, versuche, die Bewegung des Stichels zu verfolgen. Aber selbst dann sehe ich sie alle, wie sie sich in dem glänzenden, orangeroten Kupfer spiegeln.