XVI
Javier spricht
Immer neue Armeen zogen über die ausgedörrte Erde, zwischen Getreidefeldern mit Mutterkorn sickerte das Blut in den Sand, als wollte es bis zur Mitte der Erde vordringen, durch unser Sträßchen und über die Segovia-Brücke fuhren immer wieder Kutschen, immer wieder reiche Damen in Karossen mit dicht verschlossenen Fenstern spazieren, hinter denen weder eine Schleife noch eine Haarsträhne, noch das kleinste Blitzen einer Diamantbrosche zu sehen war.
Nichts war imstande, ihn aus seiner Selbstzufriedenheit zu reißen. Er hatte seine Stellung als Hofmaler wiedererlangt, eine große Serie von Radierungen zum Stierkampf gemacht, Tag für Tag zeichnete er. Wenn er nicht zeichnete, dann ging er in den Garten und gab dem alten Felipe Befehle, der damals übrigens noch gar nicht so alt war, und dann ging er zu den Himbeersträuchern und den Artischocken, hob die Zweige hoch, herzte und küsste sie.
In die Rübe verliebt – ein Esel verbeugt sich vor dem Grünzeug.
Er war durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen. Irgendein Übereifriger beschuldigte ihn der Kollaboration mit den Franzosen, weil er auf Befehl von König Flasche geholfen hatte, aus den königlichen Sammlungen die wertvollsten Werke auszusuchen, die dann dem unersättlichen Knirps nach Paris geschickt wurden; es war ihm ein Leichtes, sich herauszureden, dass er außer ein paar Meisterwerken, die ohnehin von den Okkupanten bestimmt worden seien, nur den schlimmsten Kitsch aus den Kellern und Speichern geholt habe. Ein anderer denunzierte ihn, er habe von Pepe Botella die Aubergine erhalten – das hatte er, aber er trug sie nicht; er beschaffte einen Brief des Pfarrers, einige Zeugen, und es lief wie geschmiert. Irgendein Schreiberling kramte im Hauptdepot der beschlagnahmten Gegenstände Bilder heraus, die aus dem Palast von Godoy stammten, und lief zur Geheimkammer des Inquisitionsgerichts, der Sowieso habe eine nackte Frau gemalt – er sollte sogar vor das Tribunal berufen werden, aber nichts geschah. Es verlief im Sand. Schließlich hingen vier Bilder von ihm an dem Triumphbogen, durch den der König nach Madrid kam. Und obwohl der neue König ihn nicht ausstehen konnte, was auf Gegenseitigkeit beruhte, so floss das Gehalt des ersten Hofmalers doch ununterbrochen. Man verlangte nicht viel von ihm; zwar schluderte er ein gigantisches Gemälde von der Ratsversammlung der Philippinen hin, auf dem der Teppich und die Wand interessanter sind als die Gesichter des Königs und der Beamten; aber dauerhaft am Hof arbeitete ein anderer, ein anderer malte die langweiligen Feiern und die Minister in Fräcken, an denen man jeden Faden der goldenen Galonstreifen sieht. Klienten gab es ohnehin genug. Es kamen Engländer und Franzosen, die seine Bilder sehen wollten. Er blähte, blies und plusterte sich auf, ließ alte und neue Gemälde bringen und sparte nicht an Komplimenten für sich selbst. Kein gutes Wort, das er nicht über sich gesagt hätte.
Dieser ganze Reigen zog vor meinen Augen vorbei wie im Traum: Das Zimmer vor dem Atelier war zum Antichambre umfunktioniert worden, man sprach leise und andächtig. Als stünde an der Staffelei nicht ein alter Lüstling, verschwitzt und stocktaub, der auf eine junge Frau geil ist und ihr Kinder macht, sondern ein Erlöser, ein Magier, bei dem man sich Rat holt.
Er verstand es, sich die Bewunderung aller zu sichern, ausnahmslos. Kann man sich etwas Ekelhafteres vorstellen?