_68_

Sie hatten Archie in ein anderes Zimmer verlegt, während die Jungs von der Spurensicherung das Hirn des Bürgermeisters von der Wand kratzten.

Henry hatte sechs Stunden geschlafen. Er hatte sich den Schädel rasiert und trug frische Kleidung. Archie lebte noch. Die Morde im Park waren aufgeklärt. Bennett sah aus, als könnte er zu sich kommen und lernen, wie er im Gefängnis zurechtkam.

Es ging bergauf.

Fergus war bei Archie, deshalb stand Henry draußen im Flur. Er sah Debbie aus dem Aufzug steigen und zu ihm gehen. Ihr Gesicht war von Gram zerfurcht. »Ich habe gehört, was passiert ist«, sagte sie. »Großer Gott, Henry.«

»Archie geht es gut«, sagte Henry. »Wir können gleich zu ihm hineingehen.«

Debbies Augen füllten sich mit Tränen. »Ich gehe nicht hinein«, sagte sie. »Ich kann ihn nicht mehr sehen. Du weißt das, oder? Ich liebe ihn, ich liebe ihn wirklich. Aber ich kann das nicht mehr. Er will mich nicht haben. Er ist mit mir fertig.«

»Er braucht dich«, sagte Henry.

Sie lächelte und berührte Henrys Gesicht. Ihre Augen waren nass. »Er braucht dich«, sagte sie.

Er sah ihr nach, als sie zum Aufzug zurückging. Während sich die Türen schlossen, winkte sie kurz.

Fergus hatte die Hände in den Taschen und die Augen auf den Boden gerichtet, als er aus Archies Zimmer kam. Und direkt in Henry lief.

»Entschuldigung«, sagte Fergus.

»Wie geht es ihm?«, fragte Henry.

»Er ist noch nicht über den Berg«, sagte Fergus. Er zupfte an einem seiner dicken, krausen Ohrläppchen. »Sie müssen dafür sorgen, dass er clean wird und clean bleibt.«

»Er ist bereit«, sagte Henry.

Fergus legte Henry die Hand auf die Schulter. Es war eine unbeholfene Geste. »Sie können niemanden dazu bringen, am Leben zu bleiben, der es nicht will.«

Henry beobachtete den schlafenden Archie.

Er war schon einmal so bei ihm gesessen, nach Archies erstem Aufenthalt bei Gretchen. Damals hatte Archie drei Wochen im künstlichen Koma verbracht. Sie hatten geglaubt, ihn befreit zu haben. Aber jetzt begriff Henry, dass er immer ihr Gefangener geblieben war.

»Willst du nicht ans Telefon gehen?«, sagte Archie, ohne die Augen zu öffnen.

Henry holte sein läutendes Handy aus der Tasche, schaute darauf. »Ein unbekannter Anrufer.«

Archie öffnete die Augen. »Nimm es an«, sagte er.

Henry drückte die Sprechtaste und hielt das Gerät ans Ohr. »Ja?«, sagte er.

»Hallo, mein Lieber«, meldete sich Gretchen.

Henry dachte daran aufzulegen. Einfach auflegen. Falsche Nummer. Schluss damit. Irgendeine Erklärung für Archie. Aber er konnte es nicht. Denn so sehr Archie Gretchen erwischen wollte, Henry wollte es noch mehr. »Woher haben Sie diese Nummer?«, fragte er.

Archie stützte sich in seinem Bett auf die Ellenbogen.

»Geben Sie ihn mir«, sagte Gretchen.

Henry hasste sie. Er hasste sich selbst, weil er sie nicht erschossen hatte, als Gelegenheit dazu war. Er hasste Archie, weil er ihr nachgegeben hatte. Er hasste den Staat, weil er ihr nicht eine Nadel in den Arm gerammt hatte. »Leck mich, du Miststück«, sagte Henry.

»Er wird sich umbringen, Henry«, sagte Gretchen. Ihre Stimme war ruhig und vernünftig. »Er wird es langsam mit den Pillen tun. Oder er steckt sich eine Pistole in den Mund. Ich bin die Einzige, die ihn davon abhalten kann. Sie wissen, dass ich recht habe.«

Er wusste tatsächlich, dass sie recht hatte. Er sah Archie an. Archie streckte die Hand nach dem Telefon aus. Seine Gesichtsfarbe sah besser aus. Er sah besser aus als irgendwann zuvor seit seiner Einlieferung. Er sah aus, als könnte er überleben.

Henry reichte ihm das Handy.