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Es war leichter, als er gedacht hatte. Vielleicht, weil sein Körper daran gewöhnt war. Vielleicht, weil sein Geist bereit war loszulassen. Er hatte jetzt zwei Flaschen von den Pillen genommen. War methodisch vorgegangen. Immer drei Pillen auf einmal, die er jeweils mit drei Schlucken Whiskey hinunterspülte. Nach einer Weile kam man in den Rhythmus. Und er mochte den Geschmack des Whiskeys inzwischen. Seine Wärme erfüllte ihn wie Badewasser. Er wünschte, er hätte ihn zu seinen Lebzeiten mehr zu schätzen gewusst. Der Gedanke ließ ihn lächeln. Wahrscheinlich hätte er sich von seinem Gehalt ohnehin keinen so teuren Scotch leisten können.

»Bitte«, sagte Gretchen. »Hör auf.«

Die verbleibenden Pillen lagen auf dem Tresen. Archie ordnete sie zu einem kleinen Eisenbahnzug. Dann steckte er sie eine nach der anderen in den Mund. Als er alle Tabletten genommen hatte, drehte er sich zu Gretchen um.

Sie stand erstarrt da und sah ihn an, den Mund offen, den Kopf leicht geneigt.

Ihre Augen waren groß, das Weiße war rosa vom Weinen. Sie sah verwirrt aus, wie ein Kind, das nicht begreift, warum es bestraft wird. Sie tat ihm beinahe leid in ihrer Verzweiflung.

»Tut mir leid«, sagte er. »Aber hier geht's um Verpflichtungen.«

»Mach mich los«, sagte sie.

Er schüttelte den Kopf.

Ihr ganzes Gesicht war nun gerötet, die Tränen liefen ihr über beide Wangen. »Ich erzähle ihnen alles.«

»Nein«, sagte Archie, »das wirst du nicht tun.« Er rieb sich die Augen. Mit jeder Sekunde fiel es ihm schwerer, sie offen zu halten. »Ich weiß nicht, warum, aber du wirst es nicht tun.«

»Ich erzähle ihnen alles«, sagte Gretchen, lauter jetzt. »Ich ruiniere deine Karriere, deine Ehe, deine Familie, dein Andenken. Mach mich los.«

»Du darfst nicht frei sein«, sagte Archie einfach. »Du wirst Leuten wehtun.«

»Nein. Ich habe es im Griff. Wirklich.«

Archie ging zu Gretchen hinüber. Sie richtete sich auf, strich sich das Haar hinter die Ohren und wischte sich die Tränen von der Wange. Er zog das gefaltete Blatt Papier aus der Tasche und hielt es ihr zusammen mit einem Kugelschreiber hin.

Sie zog die Stirn kraus.

»Das ist ein Geständnis, dass du Heather Gerber getötet hast«, sagte Archie. »Unterschreib es.«

Sie nahm Papier und Kugelschreiber, setzte sich wieder und unterschrieb auf dem Boden. Dann gab sie ihm beides zurück, er nahm es und ging wieder zur Bar.

»Der Schlüssel«, sagte sie und rüttelte an den Handschellen. »Der Waldbrand«, erinnerte sie ihn.

»Nein«, sagte Archie.

»So ist es nicht vorgesehen.«

Archie kramte in der Bar herum, bis er eine weitere Flasche Scotch gefunden hatte, dann drehte er sich um und sank mit dem Rücken zur Bar auf den Boden. Er öffnete die Flasche und setzte sie an den Mund. Jetzt dauerte es nicht mehr lange.

Sein Herz schlug wieder zu langsam. Er knöpfte sein Hemd auf und legte die Hand auf die Brust, um zu sehen, ob er den Rhythmus unter der Haut fühlen konnte.

»Du wirst eine neue Abmachung treffen müssen. Ihnen noch mehr geben. Sonst bekommst du mit Sicherheit die Nadel.«

»Bring mir meine Handtasche«, sagte sie.

Eine angenehme Dunkelheit hüllte ihn ein. Die Luft war wie Tinte. Unter der Narbe, die sie in ihn gemeißelt hatte, pumpte sein Herz mühsam. »Mir ist komisch«, sagte er. Er lallte ein wenig. Er sah sie an und rutschte mit dem Rücken an der Wand noch weiter hinab, die Füße nach vorn gestreckt.

Fünf Meter entfernt von ihm sank Gretchen zusammen, ihr Arm baumelte, an das Treppengeländer gefesselt, über ihr. Er konnte sie spüren, selbst hier, selbst in diesem Zustand. So stark war sein Verlangen nach ihr.

Er versuchte aufzustehen, sank aber, von plötzlichem Schwindel ergriffen auf die Knie. Sie streckte den freien Arm nach ihm aus. Und er kroch zu ihr, erst auf Händen und Knien, dann, als seine Haut kalt wurde und seine Muskeln versagten, robbte er auf den Ellbogen weiter.

Er brach zusammen, als er sie erreicht hatte, und sie bettete seinen Kopf in ihren Schoß.

»Du gottverdammter Idiot«, sagte sie.

»Ich weiß«, sagte Archie.