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Wann habt ihr die unbekannte Tote identifiziert?«, fragte Buddy leise.

Susan sah fuchsteufelswild aus. »Das war mein Knüller. Ich habe sie identifiziert. Es war meine Geschichte.« Sie sah zu Archie, der auf dem Boden saß, dann zu Henry, der sich die Hand hielt, und schließlich zu dem spinnwebartigen Riss in der Wand neben ihm. »Was ist hier los?«, fragte sie.

Archie zog sich hoch und setzte sich auf das Sofa, auf den Platz, wo Debbie zuvor gesessen hatte. Das Kissen war noch warm. »Ich musste es ins Fernsehen bringen«, sagte er zu Susan.

»Weißt du genau, dass sie es war?«, fragte Buddy Archie.

Susan blieb fast der Mund offen. »Sie wussten Bescheid?«, stieß sie aus und sah Buddy aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie wussten über Lodge und Molly Bescheid?«

Er zuckte abwehrend mit den Achseln. »Ich hatte im Lauf der Jahre dieselben Gerüchte gehört wie alle anderen.«

»Aber du kanntest ihren Namen«, sagte Archie leise.

»Es war eine Affäre«, entgegnete Buddy. »Herrgott noch mal, sei bloß nicht so selbstgerecht. Hast du in der ganzen Zeit, seit du mit Debbie zusammen bist, nie daran gedacht, mal fremdzugehen?«

Der Adrenalinstoß, den Gretchens Anruf hervorgerufen hatte, ebbte ab, und Archie war wieder elend zumute, Magensäure stieg in seine Kehle.

»Sie war vierzehn«, sagte Susan.

Buddys Gesicht lief rot an. »Ich dachte, sie war älter«, sagte er. »Achtzehn.«

Ein Handy begann zu läuten. Für einen Sekundenbruchteil dachte Archie, es könnte noch einmal Gretchen sein, aber es war der falsche Klingelton. Er legte den Kopf auf die Sofalehne zurück und schloss die Augen. Sein Kopf tat weh. Seine Seite schmerzte. Seine Haut fühlte sich an, als würden Ameisen darüber laufen. »Susan hat sie identifiziert. Wir haben die zahnärztlichen Unterlagen verglichen. Sie ist es.« Er sah zu dem zweiten Schlafzimmer, wo Debbie mit den Kindern war. Die Tür blieb weiter geschlossen. Er wandte sich wieder den anderen zu.

Das Handy läutete immer noch.

»Will niemand rangehen?«, fragte Archie müde.

»Das kann warten«, sagte Buddy und klopfte auf das lederne Etui an seinem Gürtel. Er stand auf. »Da wird aber politisch die Kacke am Dampfen sein, Freunde«, sagte er. »Wenn die Affäre herauskommt.«

»Es ist keine ›Affäre‹, wenn das Mädchen vierzehn ist und der Mann fünfzig«, sagte Susan. »Es ist Missbrauch einer Minderjährigen.«

Archie seufzte. Musste er es ihnen buchstabieren? »Es ist mehr als das, Buddy«, sagte er. Es war ein Mordmotiv.

Susan machte einen winzigen Schritt nach vorn. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Sie glauben, Lodge hat Molly getötet?«

Henry, der sich die verletzten Knöchel an den Mund gehalten hatte, ließ die Hand sinken. »Großer Gott«, sagte er.

»Nein«, sagte Buddy. »Ich habe für den Mann gearbeitet. Zu einem Mord war er nicht fähig.«

Susan biss sich auf die Unterlippe. »Er war dazu fähig, eine Vierzehnjährige zu ficken und es fünfzehn Jahre lang zu vertuschen«, sagte sie.

»Das ist alles Ihre Schuld! Hätten Sie die Sache ruhen lassen …« Er fing sich, ballte die Hand und zog sie zurück. »Jedenfalls ist die Geschichte noch nicht draußen.« Er nickte ein paarmal für sich. »Wenn wir Glück haben, wird niemand eine Verbindung zwischen Molly Palmer und dem Senator herstellen.«

»Sie war die Babysitterin seiner Kinder«, sagte Susan. »Außerdem stehe ich genau vor Ihnen.« Sie winkte. »Hallo, Journalistin.«

Buddy fuchtelte mit der Hand durch die Luft, als wollte er eine Biene verscheuchen. »Die Presse wird trotzdem ein paar Tage brauchen.« Er wandte sich an Susan. »Halten Sie es so lange zurück.«

Susan legte beleidigt das Gesicht in Falten. »Sie können mir nicht befehlen, einen Artikel zurückzuhalten.«

»Ich habe es bereits getan. Glauben Sie, es war die Idee des Herald, die Sache nach dem Tod des Senators nicht zu bringen?«

»Das ist Zensur.« Susan sah Archie hilflos an. »Das ist staatliche Zensur.«

Archie beugte sich leicht vor, in der Hoffnung, den grimmigen Schmerz ein wenig zu lindern, der sich unter seinem Rippenbogen aufgebaut hatte. Es funktionierte nicht. Buddys klingelndes Handy machte ihn wahnsinnig.

»Alles okay bei dir?«, fragte Henry.

Archie sah Buddy an. »Hast du Fergus angerufen?« Fergus war von der ersten Minute an, in der sie Archie nach seinen zehn Tagen bei Gretchen ins Krankenhaus gerollt hatten, sein Arzt gewesen. Er war einer der besten Unfallchirurgen der Vereinigten Staaten. Und er war diskret.

»In seinem Büro sagten sie, sie würden ihn hierher schicken«, antwortete Buddy.

»Ich dachte, es war nur gespielt«, sagte Henry. Er kam um das Sofa herum und kniete neben Archie nieder. »Damit sie anruft.«

Archie sah, wie sich der Haarriss im Verputz hinter Henry auszubreiten begann, er kroch langsam die babybreigelbe Wand hinauf, bis er ein kleines Herz bildete. »Es war halb gespielt«, sagte Archie.