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Das städtische Leichenschauhaus von Portland befand sich in einem beige verputzten Gebäude im Norden der Stadt. Die Wände im Innern waren beige. Das Linoleum war beige. Die sterilen Papierkittel, die Susan und Archie tragen mussten, waren beige. Der Raum, in dem die Autopsien durchgeführt wurden, lag im Keller. Alle Leichenschauhäuser waren im Keller untergebracht. Wenn man dem Fernsehen glauben durfte. Es gab eine Reihe fahrbarer Tragen aus Stahl, eine Menge Waagen und teuflisch aussehende Behälter, sowie vier große Abflussrinnen, damit man den Raum mit einem Schlauch vom Blut reinigen konnte, wenn die Arbeit getan war. In etwa drei Metern Höhe ließen Milchglasfenster ein seltsam kühles weißes Licht einfallen, und irgendwer hatte eine große Menge Zimmerpflanzen auf einen Sims unter den Fenstern gestellt. Grünlilien, Gummibäume. Farne.
»Hier riecht es nach Nagellackentferner«, sagte Susan.
»Wollen Sie mir nicht verraten, wer die Tote Ihrer Ansicht nach ist?«, fragte Archie.
Susan hatte sich auf dem Parkplatz des Leichenschauhauses mit ihm verabredet. Er war bereits da und wartete, als sie mit fünfzehn Minuten Verspätung ankam, was für Susans Verhältnisse früh war. Sie sah Henry nicht.
»Ich will mir erst sicher sein.«
Die Leiche lag unter einer schwarzen Plastikplane, etwas in der Art, das man über einen Stapel Holz im Freien werfen würde. Eine Mitarbeiterin des Leichenschauhauses hatte sie gerade hereingerollt. Unter ihrem sterilen, beigen Kittel trug die Frau Cordhose, Rollkragenpulli und Wollsocken, obwohl Sommer war. Wahrscheinlich war es hier unten immer kalt. Archie nickte ihr zu, und sie öffnete den Reißverschluss des Leichensacks und schlug die Plastikplane zurück.
Die tote Frau hatte kein Gesicht mehr. Archie hatte Susan davor gewarnt, aber sie war trotzdem nicht darauf vorbereitet. Der Unterkiefer der Toten hing herunter, sodass der lippenlose Mund leicht offen stand, die geschwärzte Zunge lag darin wie eine angeschlagene Frucht. Die Reste des geronnenen Bluts an ihren Wangenknochen und in den Augenhöhlen sahen aus wie Traubengelee. Wie es Leichenbeschauer fertig brachten, überhaupt noch zu essen, war Susan ein Rätsel.
Sie merkte plötzlich, dass sie Archies Handgelenk umklammerte. Ihr Puls raste, und sie spürte einen Kloß in der Kehle. Doch sie zwang sich hinzuschauen. Nach einem Hinweis zu suchen, nach etwas, das ihr bekannt vorkam.
Und dann sah sie es.
»O mein Gott«, sagte sie.
Sie fühlte, wie Archie das Handgelenk löste, dann schloss sich seine Hand um ihre, und ihre Finger verschränkten sich.
»Sagen Sie es mir«, forderte er sie auf.
Susan weinte nicht. Nicht richtig. Es waren nur Tränen. Sie liefen ihr über die Wange und weiter auf den schwarzen peruanischen Strickpullover ihrer Mutter. Ihr Hals fühlte sich kalt an, wo die Tränen ihre salzige Spur hinterließen. Sie fröstelte. Es war nicht ihre Schuld, sagte sie sich. Parker. Der Senator. Nichts davon. Es war eine Story. Sie war Reporterin. Die Öffentlichkeit hatte ein Recht, Bescheid zu wissen.
»Es ist Molly Palmer«, sagte sie.